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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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vierdes Buch.
tete Sefira: es ist also. Und so muste es sein. Weil
man mir verübelen wolte/ daß ich ihn liebte; so muste
ich ihn hassen. Sie selbsten sagte mir neulich ins
gesichte: ich müste von solcher liebe abstehen/ wan sie
meine Freundin und Muhme bleiben solte. Und sol-
ches habe ich nun getahn. Ihre freundschaft war
mir lieber/ als seine liebe. Aber hiervon ist nichts
mehr zu sagen. Was geschehen ist/ das ist gesche-
hen: und zwar Ihr zu gefallen. Darüm laßet uns diese
sache nicht mehr berühren. Weil nun Nitokris sahe/
daß ihrer Muhme dergleichen reden verdrüßlich fielen;
so begunte sie ein anderes gespräche; wiewohl sie es auch
nicht lang machte. Dan ihre einige sorge war zu ver-
schaffen/ daß Josef bei seinem neuen Würte ehrlich
möchte gehalten werden. Darüm eilete sie wieder nach
der Königlichen burg.

Mit den Königlichen Gefängnüssen war es dazu-
mahl in Egipten fast eben also beschaffen/ als mit den
Zuchtheusern in Europe. Die Königlichen gefangene/
wan sie arm waren/ musten ihre kost und kleider mit
schweerer arbeit verdienen. Waren sie aber reich/ so
ward ihnen ein großes kostgeld abgenommen: und dan
gingen sie müßig. Beides trug der Schatzkammer des
Königes/ als auch dem Gefängnüsmeister ein großes
jahrgeld ein. Und darüm warden wenig Verbrecher
mit dem Tode gestraft. Alle musten in dergleichen ge-
fängnüsse tantzen. Und ihre rechtssachen schob man
auf die lange harrebank; damit der genos üm so viel
grösser wäre. Weil nun Nitokris wohl wuste/ daß
Josef unter die zahl der armen gefangenen würde ge-
rechnet/ und mit harter arbeit belegt werden; so schikte
sie dem Gesängnüsmeister/ durch einen unbekanten
menschen/ eine zimliche anzahl geldes. Darbei fügte
sie diesen Befehlbrief.

Dem Königlichen Gefängnüsmeister wird

hier-
K ij

vierdes Buch.
tete Sefira: es iſt alſo. Und ſo muſte es ſein. Weil
man mir veruͤbelen wolte/ daß ich ihn liebte; ſo muſte
ich ihn haſſen. Sie ſelbſten ſagte mir neulich ins
geſichte: ich muͤſte von ſolcher liebe abſtehen/ wan ſie
meine Freundin und Muhme bleiben ſolte. Und ſol-
ches habe ich nun getahn. Ihre freundſchaft war
mir lieber/ als ſeine liebe. Aber hiervon iſt nichts
mehr zu ſagen. Was geſchehen iſt/ das iſt geſche-
hen: und zwar Ihr zu gefallen. Daruͤm laßet uns dieſe
ſache nicht mehr beruͤhren. Weil nun Nitokris ſahe/
daß ihrer Muhme dergleichen reden verdruͤßlich fielen;
ſo begunte ſie ein anderes geſpraͤche; wiewohl ſie es auch
nicht lang machte. Dan ihre einige ſorge war zu ver-
ſchaffen/ daß Joſef bei ſeinem neuen Wuͤrte ehrlich
moͤchte gehalten werden. Daruͤm eilete ſie wieder nach
der Koͤniglichen burg.

Mit den Koͤniglichen Gefaͤngnuͤſſen war es dazu-
mahl in Egipten faſt eben alſo beſchaffen/ als mit den
Zuchtheuſern in Europe. Die Koͤniglichen gefangene/
wan ſie arm waren/ muſten ihre koſt und kleider mit
ſchweerer arbeit verdienen. Waren ſie aber reich/ ſo
ward ihnen ein großes koſtgeld abgenommen: und dan
gingen ſie muͤßig. Beides trug der Schatzkammer des
Koͤniges/ als auch dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ein großes
jahrgeld ein. Und daruͤm warden wenig Verbrecher
mit dem Tode geſtraft. Alle muſten in dergleichen ge-
faͤngnuͤſſe tantzen. Und ihre rechtsſachen ſchob man
auf die lange harrebank; damit der genos uͤm ſo viel
groͤſſer waͤre. Weil nun Nitokris wohl wuſte/ daß
Joſef unter die zahl der armen gefangenen wuͤrde ge-
rechnet/ und mit harter arbeit belegt werden; ſo ſchikte
ſie dem Geſaͤngnuͤsmeiſter/ durch einen unbekanten
menſchen/ eine zimliche anzahl geldes. Darbei fuͤgte
ſie dieſen Befehlbrief.

Dem Koͤniglichen Gefaͤngnuͤsmeiſter wird

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K ij
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[147/0171] vierdes Buch. tete Sefira: es iſt alſo. Und ſo muſte es ſein. Weil man mir veruͤbelen wolte/ daß ich ihn liebte; ſo muſte ich ihn haſſen. Sie ſelbſten ſagte mir neulich ins geſichte: ich muͤſte von ſolcher liebe abſtehen/ wan ſie meine Freundin und Muhme bleiben ſolte. Und ſol- ches habe ich nun getahn. Ihre freundſchaft war mir lieber/ als ſeine liebe. Aber hiervon iſt nichts mehr zu ſagen. Was geſchehen iſt/ das iſt geſche- hen: und zwar Ihr zu gefallen. Daruͤm laßet uns dieſe ſache nicht mehr beruͤhren. Weil nun Nitokris ſahe/ daß ihrer Muhme dergleichen reden verdruͤßlich fielen; ſo begunte ſie ein anderes geſpraͤche; wiewohl ſie es auch nicht lang machte. Dan ihre einige ſorge war zu ver- ſchaffen/ daß Joſef bei ſeinem neuen Wuͤrte ehrlich moͤchte gehalten werden. Daruͤm eilete ſie wieder nach der Koͤniglichen burg. Mit den Koͤniglichen Gefaͤngnuͤſſen war es dazu- mahl in Egipten faſt eben alſo beſchaffen/ als mit den Zuchtheuſern in Europe. Die Koͤniglichen gefangene/ wan ſie arm waren/ muſten ihre koſt und kleider mit ſchweerer arbeit verdienen. Waren ſie aber reich/ ſo ward ihnen ein großes koſtgeld abgenommen: und dan gingen ſie muͤßig. Beides trug der Schatzkammer des Koͤniges/ als auch dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ein großes jahrgeld ein. Und daruͤm warden wenig Verbrecher mit dem Tode geſtraft. Alle muſten in dergleichen ge- faͤngnuͤſſe tantzen. Und ihre rechtsſachen ſchob man auf die lange harrebank; damit der genos uͤm ſo viel groͤſſer waͤre. Weil nun Nitokris wohl wuſte/ daß Joſef unter die zahl der armen gefangenen wuͤrde ge- rechnet/ und mit harter arbeit belegt werden; ſo ſchikte ſie dem Geſaͤngnuͤsmeiſter/ durch einen unbekanten menſchen/ eine zimliche anzahl geldes. Darbei fuͤgte ſie dieſen Befehlbrief. Dem Koͤniglichen Gefaͤngnuͤsmeiſter wird hier- K ij

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/171>, abgerufen am 04.05.2024.