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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
und ein großes glük vor den Josef/ daß ihn der Fürst
in das Königliche gefängnüs legen laßen: da er nun-
mehr des Königs gefangener ist; und weder Sefira/
noch Fürst Potifar selbsten macht über ihn haben. Da
wird ihn die Fürstin wohl müssen zu frieden laßen.
Von dannen wird sie ihn nun nicht mehr heraus be-
kommen. Davor wil ich selbst sorge tragen; auch ver-
schaffen/ daß man ihn nicht als einen gefangenen hal-
ten sol. Es wird sich alles wohl schikken. Nach etlichen
anderen reden stund Nitokris auf/ und nahm ihren
abschied. Auch baht sie die Fürstin Toote reinen mund
zu halten; damit alles/ was sie des Josefs wegen mit-
einander vertraulich gesprochen/ unter der Rose möch-
te geredet sein. Sie solte sich dessen bei leibe gegen nie-
mand verlauten laßen. Niemand solte etwas davon
wissen.

Mitlerweile hatte der verdrus/ die ungeduld/ der
zorn/ die liebe und alle dergleichen heftige gemühtstrif-
ten durcheinander und widereinander/ in der Se-
fira
hertzen/ dermaßen gestritten/ daß sie todtkrank zu
bette lag. Nitokris ging sie ebenmäßig besuchen/ zu
sehen/ wie sie sich itzund anstellen würde. Ach! sagte sie/
hertzliebste Frau Muhme/ ich habe ein hertzliches mit-
leiden mit ihr; weil ich vernehme/ daß sie etliche wochen
nacheinander bettlägerig gewesen. Und darüm bin ich
anher kommen zu sehen/ wie es mit ihrer Krankheit be-
schaffen.

Meine Krankheit/ fing Sefira an/ hatte zuerst nicht
viel zu bedeuten. Aber der Ebreische Leibeigne hat
mich unlängst so heftig erzürnet/ daß ich itzund fast in
den letzten zügen liege. Hat sie der schöne Ebreer erzür-
net? fing ihr Nitokris das wort auf. Das kan ich
nimmermehr gleuben. Wie solte die hertzliche liebe sich
so plötzlich in eine so widerwärtige gemühtsbewegung
verändern? Sie mag es gleuben/ oder nicht/ antwor-

tete

Der Aſſenat
und ein großes gluͤk vor den Joſef/ daß ihn der Fuͤrſt
in das Koͤnigliche gefaͤngnuͤs legen laßen: da er nun-
mehr des Koͤnigs gefangener iſt; und weder Sefira/
noch Fuͤrſt Potifar ſelbſten macht uͤber ihn haben. Da
wird ihn die Fuͤrſtin wohl muͤſſen zu frieden laßen.
Von dannen wird ſie ihn nun nicht mehr heraus be-
kommen. Davor wil ich ſelbſt ſorge tragen; auch ver-
ſchaffen/ daß man ihn nicht als einen gefangenen hal-
ten ſol. Es wird ſich alles wohl ſchikken. Nach etlichen
anderen reden ſtund Nitokris auf/ und nahm ihren
abſchied. Auch baht ſie die Fuͤrſtin Toote reinen mund
zu halten; damit alles/ was ſie des Joſefs wegen mit-
einander vertraulich geſprochen/ unter der Roſe moͤch-
te geredet ſein. Sie ſolte ſich deſſen bei leibe gegen nie-
mand verlauten laßen. Niemand ſolte etwas davon
wiſſen.

Mitlerweile hatte der verdrus/ die ungeduld/ der
zorn/ die liebe und alle dergleichen heftige gemuͤhtstrif-
ten durcheinander und widereinander/ in der Se-
fira
hertzen/ dermaßen geſtritten/ daß ſie todtkrank zu
bette lag. Nitokris ging ſie ebenmaͤßig beſuchen/ zu
ſehen/ wie ſie ſich itzund anſtellen wuͤrde. Ach! ſagte ſie/
hertzliebſte Frau Muhme/ ich habe ein hertzliches mit-
leiden mit ihr; weil ich vernehme/ daß ſie etliche wochen
nacheinander bettlaͤgerig geweſen. Und daruͤm bin ich
anher kommen zu ſehen/ wie es mit ihrer Krankheit be-
ſchaffen.

Meine Krankheit/ fing Sefira an/ hatte zuerſt nicht
viel zu bedeuten. Aber der Ebreiſche Leibeigne hat
mich unlaͤngſt ſo heftig erzuͤrnet/ daß ich itzund faſt in
den letzten zuͤgen liege. Hat ſie der ſchoͤne Ebreer erzuͤr-
net? fing ihr Nitokris das wort auf. Das kan ich
nimmermehr gleuben. Wie ſolte die hertzliche liebe ſich
ſo ploͤtzlich in eine ſo widerwaͤrtige gemuͤhtsbewegung
veraͤndern? Sie mag es gleuben/ oder nicht/ antwor-

tete
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[146/0170] Der Aſſenat und ein großes gluͤk vor den Joſef/ daß ihn der Fuͤrſt in das Koͤnigliche gefaͤngnuͤs legen laßen: da er nun- mehr des Koͤnigs gefangener iſt; und weder Sefira/ noch Fuͤrſt Potifar ſelbſten macht uͤber ihn haben. Da wird ihn die Fuͤrſtin wohl muͤſſen zu frieden laßen. Von dannen wird ſie ihn nun nicht mehr heraus be- kommen. Davor wil ich ſelbſt ſorge tragen; auch ver- ſchaffen/ daß man ihn nicht als einen gefangenen hal- ten ſol. Es wird ſich alles wohl ſchikken. Nach etlichen anderen reden ſtund Nitokris auf/ und nahm ihren abſchied. Auch baht ſie die Fuͤrſtin Toote reinen mund zu halten; damit alles/ was ſie des Joſefs wegen mit- einander vertraulich geſprochen/ unter der Roſe moͤch- te geredet ſein. Sie ſolte ſich deſſen bei leibe gegen nie- mand verlauten laßen. Niemand ſolte etwas davon wiſſen. Mitlerweile hatte der verdrus/ die ungeduld/ der zorn/ die liebe und alle dergleichen heftige gemuͤhtstrif- ten durcheinander und widereinander/ in der Se- fira hertzen/ dermaßen geſtritten/ daß ſie todtkrank zu bette lag. Nitokris ging ſie ebenmaͤßig beſuchen/ zu ſehen/ wie ſie ſich itzund anſtellen wuͤrde. Ach! ſagte ſie/ hertzliebſte Frau Muhme/ ich habe ein hertzliches mit- leiden mit ihr; weil ich vernehme/ daß ſie etliche wochen nacheinander bettlaͤgerig geweſen. Und daruͤm bin ich anher kommen zu ſehen/ wie es mit ihrer Krankheit be- ſchaffen. Meine Krankheit/ fing Sefira an/ hatte zuerſt nicht viel zu bedeuten. Aber der Ebreiſche Leibeigne hat mich unlaͤngſt ſo heftig erzuͤrnet/ daß ich itzund faſt in den letzten zuͤgen liege. Hat ſie der ſchoͤne Ebreer erzuͤr- net? fing ihr Nitokris das wort auf. Das kan ich nimmermehr gleuben. Wie ſolte die hertzliche liebe ſich ſo ploͤtzlich in eine ſo widerwaͤrtige gemuͤhtsbewegung veraͤndern? Sie mag es gleuben/ oder nicht/ antwor- tete

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/170>, abgerufen am 04.05.2024.