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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
zum spingewebe. Der wind blies ihn in stükken. Jo-
sefs
ahtem hauchte ihn voneinander. Der blitz des
Göttlichen gebots versängte ihn gar. Als sie nun sahe/
daß sie mit diesem einwurfe nichts ausgerichtet; so
trachtete sie die Tugend selbst zu vereitelen/ und aus
dem wege zu reumen. Ach! liebster Josef/ sagte sie/
was wolt ihr euch doch so viel auf die Tugend verlas-
sen? Sie ist doch nur ein eiteles nichts/ ein eingebilde-
ter wahn/ ein bloßes spiegelfechten. Kan dieses so gar
nichtige ding euch wohl der leibeigenschaft entschlagen/
wie ich kan? Kan es euch wohl befördern/ und zu ehren
helfen/ als ich; wan ihr meinen willen volziehet? Ja
wird euch eure Tugend wohl beschirmen/ wan sich/ eu-
rer hartnäkkigkeit wegen/ meine liebe in einen has ver-
änderte/ und ich bewogen würde mich erschröklich an
euch zu rächen? Würde sie euch wohl aus dem feuer
meines zornes erretten? Ich versichere euch/ daß sie
mehr/ als alzuunmächtig sein würde. Darüm/ mein
liebster Engel/ nehmet der gelegenheit wahr/ die euch
itzund von sich selbst in die hände fället. Verschertzt das
glükke nicht/ das euch itzund angebohten wird. Laßet
uns in wohllust unsere jugend ergetzen. Laßet uns liebe
mit liebe vergelten. Wir seind allein. Niemand siehet
es. Niemand wird uns verrahten.

Der verrähter schläfet/ noch schlummert nicht/ fing
ihr Josef das wort auf. Unser gewissen würde uns
verrahten/ ja noch darzu erschröklich foltern. Gott/
der alle dinge siehet/ auch selbst unsers hertzens gedan-
ken weis/ würde es sehen. Die Engel/ so wohl böse/ als
guhte/ seind bei und um uns her: die würden uns an-
klagen. Darüm haben wir uns wohl vor zu sehen/ was
wir tuhn. Ich weis sehr wohl/ was meine gnädige
Fürstin vor eine macht über mich hat. Aber darneben
ist mir auch nicht unbewust/ daß Gott noch mehr macht
über uns alle habe: und daß sie keine macht hat mir ein

haar

Der Aſſenat
zum ſpingewebe. Der wind blies ihn in ſtuͤkken. Jo-
ſefs
ahtem hauchte ihn voneinander. Der blitz des
Goͤttlichen gebots verſaͤngte ihn gar. Als ſie nun ſahe/
daß ſie mit dieſem einwurfe nichts ausgerichtet; ſo
trachtete ſie die Tugend ſelbſt zu vereitelen/ und aus
dem wege zu reumen. Ach! liebſter Joſef/ ſagte ſie/
was wolt ihr euch doch ſo viel auf die Tugend verlas-
ſen? Sie iſt doch nur ein eiteles nichts/ ein eingebilde-
ter wahn/ ein bloßes ſpiegelfechten. Kan dieſes ſo gar
nichtige ding euch wohl der leibeigenſchaft entſchlagen/
wie ich kan? Kan es euch wohl befoͤrdern/ und zu ehren
helfen/ als ich; wan ihr meinen willen volziehet? Ja
wird euch eure Tugend wohl beſchirmen/ wan ſich/ eu-
rer hartnaͤkkigkeit wegen/ meine liebe in einen has ver-
aͤnderte/ und ich bewogen wuͤrde mich erſchroͤklich an
euch zu raͤchen? Wuͤrde ſie euch wohl aus dem feuer
meines zornes erretten? Ich verſichere euch/ daß ſie
mehr/ als alzuunmaͤchtig ſein wuͤrde. Daruͤm/ mein
liebſter Engel/ nehmet der gelegenheit wahr/ die euch
itzund von ſich ſelbſt in die haͤnde faͤllet. Verſchertzt das
gluͤkke nicht/ das euch itzund angebohten wird. Laßet
uns in wohlluſt unſere jugend ergetzen. Laßet uns liebe
mit liebe vergelten. Wir ſeind allein. Niemand ſiehet
es. Niemand wird uns verrahten.

Der verraͤhter ſchlaͤfet/ noch ſchlummert nicht/ fing
ihr Joſef das wort auf. Unſer gewiſſen wuͤrde uns
verrahten/ ja noch darzu erſchroͤklich foltern. Gott/
der alle dinge ſiehet/ auch ſelbſt unſers hertzens gedan-
ken weis/ wuͤrde es ſehen. Die Engel/ ſo wohl boͤſe/ als
guhte/ ſeind bei und um uns her: die wuͤrden uns an-
klagen. Daruͤm haben wir uns wohl vor zu ſehen/ was
wir tuhn. Ich weis ſehr wohl/ was meine gnaͤdige
Fuͤrſtin vor eine macht uͤber mich hat. Aber darneben
iſt mir auch nicht unbewuſt/ daß Gott noch mehr macht
uͤber uns alle habe: und daß ſie keine macht hat mir ein

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[138/0162] Der Aſſenat zum ſpingewebe. Der wind blies ihn in ſtuͤkken. Jo- ſefs ahtem hauchte ihn voneinander. Der blitz des Goͤttlichen gebots verſaͤngte ihn gar. Als ſie nun ſahe/ daß ſie mit dieſem einwurfe nichts ausgerichtet; ſo trachtete ſie die Tugend ſelbſt zu vereitelen/ und aus dem wege zu reumen. Ach! liebſter Joſef/ ſagte ſie/ was wolt ihr euch doch ſo viel auf die Tugend verlas- ſen? Sie iſt doch nur ein eiteles nichts/ ein eingebilde- ter wahn/ ein bloßes ſpiegelfechten. Kan dieſes ſo gar nichtige ding euch wohl der leibeigenſchaft entſchlagen/ wie ich kan? Kan es euch wohl befoͤrdern/ und zu ehren helfen/ als ich; wan ihr meinen willen volziehet? Ja wird euch eure Tugend wohl beſchirmen/ wan ſich/ eu- rer hartnaͤkkigkeit wegen/ meine liebe in einen has ver- aͤnderte/ und ich bewogen wuͤrde mich erſchroͤklich an euch zu raͤchen? Wuͤrde ſie euch wohl aus dem feuer meines zornes erretten? Ich verſichere euch/ daß ſie mehr/ als alzuunmaͤchtig ſein wuͤrde. Daruͤm/ mein liebſter Engel/ nehmet der gelegenheit wahr/ die euch itzund von ſich ſelbſt in die haͤnde faͤllet. Verſchertzt das gluͤkke nicht/ das euch itzund angebohten wird. Laßet uns in wohlluſt unſere jugend ergetzen. Laßet uns liebe mit liebe vergelten. Wir ſeind allein. Niemand ſiehet es. Niemand wird uns verrahten. Der verraͤhter ſchlaͤfet/ noch ſchlummert nicht/ fing ihr Joſef das wort auf. Unſer gewiſſen wuͤrde uns verrahten/ ja noch darzu erſchroͤklich foltern. Gott/ der alle dinge ſiehet/ auch ſelbſt unſers hertzens gedan- ken weis/ wuͤrde es ſehen. Die Engel/ ſo wohl boͤſe/ als guhte/ ſeind bei und um uns her: die wuͤrden uns an- klagen. Daruͤm haben wir uns wohl vor zu ſehen/ was wir tuhn. Ich weis ſehr wohl/ was meine gnaͤdige Fuͤrſtin vor eine macht uͤber mich hat. Aber darneben iſt mir auch nicht unbewuſt/ daß Gott noch mehr macht uͤber uns alle habe: und daß ſie keine macht hat mir ein haar

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/162>, abgerufen am 03.05.2024.