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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
vorwenden seine geschäfte zu verrichten. Aber es war
vergebens. Eine junge Katze pfleget mit der Maus zu
spielen/ so lange sie stille liegt: wan sie sich aber bewegt/
tappet sie mit der pfote zu/ und scharret sie nach sich; ja
wan sie gar entlauffen wil/ giebet sie ihr einen bis/ und
frisset sie endlich gantz auf. Der Leue/ wan er einen
Menschen in seiner gewalt hat/ und er sich nur stille helt/
tuht ihm kein leid: so bald er aber fliehen wil/ zerreisset
er ihn zur stunde. Eben also täht Sefira. Eben nach
dieser katzen- und leuen-ahrt spielete sie alhier mit unse-
rem Josef. So lange er stille saß/ täht sie ihm kein
böses. Sie strählte ihn nur. Sie liebelte ihm nur. Aber
so bald er aufstund seinen abtrit zu nehmen; da fing sie
erst an ihn zu fassen: da begunte sie erst zu zu tasten.
Was? sagte sie/ wolt ihr mich nun alle verlaßen? Wolt
ihr nun alle von mir lauffen. Ach! mein liebster Josef/
wie seid ihr so gar neidisch/ mir den bloßen anblik eurer
schönheit nicht länger zu gönnen? Mag ich dan nun/
in meinem unglük/ auch nicht einmahl so glükseelig
sein/ euer liebliches angesicht nach genügen zu sehen?

Josef schlug/ auf diesen ersten anfal/ die augen nie-
der/ und antwortete nichts. Und darüm fuhr die Für-
stin in ihrer rede fort. Wolt ihr nun/ sagte sie/ nicht ein-
mahl mit mir reden? Bin ich nun keiner antwort mehr
währt? Wisset ihr nicht/ daß ihr dadurch meiner gühte/
meiner liebe/ ja meiner demuht unverantwortlicher
weise misbrauchet? Wisset ihr nicht/ daß ich eure Ge-
bieterin bin/ der ihr zu gehohrsamen verpflichtet? Wis-
set ihr nicht/ daß ihr mein Leibeigener seid/ und ich
macht habe euch frei zu laßen/ und glükseelig zu machen/
oder aber zu strafen/ ja selbst zu tödten/ wie und wan es
mir beliebet? Das weis ich alles sehr wohl/ sing ihr
Josef das wort auf. Aber wie und was ich meiner
gnädigen Fürstin antworten solte/ wuste ich nicht;
nachdem sie abermahl anfing mit mir zu schertzen. Was

scher-

Der Aſſenat
vorwenden ſeine geſchaͤfte zu verrichten. Aber es war
vergebens. Eine junge Katze pfleget mit der Maus zu
ſpielen/ ſo lange ſie ſtille liegt: wan ſie ſich aber bewegt/
tappet ſie mit der pfote zu/ und ſcharret ſie nach ſich; ja
wan ſie gar entlauffen wil/ giebet ſie ihr einen bis/ und
friſſet ſie endlich gantz auf. Der Leue/ wan er einen
Menſchen in ſeiner gewalt hat/ und er ſich nur ſtille helt/
tuht ihm kein leid: ſo bald er aber fliehen wil/ zerreiſſet
er ihn zur ſtunde. Eben alſo taͤht Sefira. Eben nach
dieſer katzen- und leuen-ahrt ſpielete ſie alhier mit unſe-
rem Joſef. So lange er ſtille ſaß/ taͤht ſie ihm kein
boͤſes. Sie ſtraͤhlte ihn nur. Sie liebelte ihm nur. Aber
ſo bald er aufſtund ſeinen abtrit zu nehmen; da fing ſie
erſt an ihn zu faſſen: da begunte ſie erſt zu zu taſten.
Was? ſagte ſie/ wolt ihr mich nun alle verlaßen? Wolt
ihr nun alle von mir lauffen. Ach! mein liebſter Joſef/
wie ſeid ihr ſo gar neidiſch/ mir den bloßen anblik eurer
ſchoͤnheit nicht laͤnger zu goͤnnen? Mag ich dan nun/
in meinem ungluͤk/ auch nicht einmahl ſo gluͤkſeelig
ſein/ euer liebliches angeſicht nach genuͤgen zu ſehen?

Joſef ſchlug/ auf dieſen erſten anfal/ die augen nie-
der/ und antwortete nichts. Und daruͤm fuhr die Fuͤr-
ſtin in ihrer rede fort. Wolt ihr nun/ ſagte ſie/ nicht ein-
mahl mit mir reden? Bin ich nun keiner antwort mehr
waͤhrt? Wiſſet ihr nicht/ daß ihr dadurch meiner guͤhte/
meiner liebe/ ja meiner demuht unverantwortlicher
weiſe misbrauchet? Wiſſet ihr nicht/ daß ich eure Ge-
bieterin bin/ der ihr zu gehohrſamen verpflichtet? Wiſ-
ſet ihr nicht/ daß ihr mein Leibeigener ſeid/ und ich
macht habe euch frei zu laßen/ und gluͤkſeelig zu machen/
oder aber zu ſtrafen/ ja ſelbſt zu toͤdten/ wie und wan es
mir beliebet? Das weis ich alles ſehr wohl/ ſing ihr
Joſef das wort auf. Aber wie und was ich meiner
gnaͤdigen Fuͤrſtin antworten ſolte/ wuſte ich nicht;
nachdem ſie abermahl anfing mit mir zu ſchertzen. Was

ſcher-
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[136/0160] Der Aſſenat vorwenden ſeine geſchaͤfte zu verrichten. Aber es war vergebens. Eine junge Katze pfleget mit der Maus zu ſpielen/ ſo lange ſie ſtille liegt: wan ſie ſich aber bewegt/ tappet ſie mit der pfote zu/ und ſcharret ſie nach ſich; ja wan ſie gar entlauffen wil/ giebet ſie ihr einen bis/ und friſſet ſie endlich gantz auf. Der Leue/ wan er einen Menſchen in ſeiner gewalt hat/ und er ſich nur ſtille helt/ tuht ihm kein leid: ſo bald er aber fliehen wil/ zerreiſſet er ihn zur ſtunde. Eben alſo taͤht Sefira. Eben nach dieſer katzen- und leuen-ahrt ſpielete ſie alhier mit unſe- rem Joſef. So lange er ſtille ſaß/ taͤht ſie ihm kein boͤſes. Sie ſtraͤhlte ihn nur. Sie liebelte ihm nur. Aber ſo bald er aufſtund ſeinen abtrit zu nehmen; da fing ſie erſt an ihn zu faſſen: da begunte ſie erſt zu zu taſten. Was? ſagte ſie/ wolt ihr mich nun alle verlaßen? Wolt ihr nun alle von mir lauffen. Ach! mein liebſter Joſef/ wie ſeid ihr ſo gar neidiſch/ mir den bloßen anblik eurer ſchoͤnheit nicht laͤnger zu goͤnnen? Mag ich dan nun/ in meinem ungluͤk/ auch nicht einmahl ſo gluͤkſeelig ſein/ euer liebliches angeſicht nach genuͤgen zu ſehen? Joſef ſchlug/ auf dieſen erſten anfal/ die augen nie- der/ und antwortete nichts. Und daruͤm fuhr die Fuͤr- ſtin in ihrer rede fort. Wolt ihr nun/ ſagte ſie/ nicht ein- mahl mit mir reden? Bin ich nun keiner antwort mehr waͤhrt? Wiſſet ihr nicht/ daß ihr dadurch meiner guͤhte/ meiner liebe/ ja meiner demuht unverantwortlicher weiſe misbrauchet? Wiſſet ihr nicht/ daß ich eure Ge- bieterin bin/ der ihr zu gehohrſamen verpflichtet? Wiſ- ſet ihr nicht/ daß ihr mein Leibeigener ſeid/ und ich macht habe euch frei zu laßen/ und gluͤkſeelig zu machen/ oder aber zu ſtrafen/ ja ſelbſt zu toͤdten/ wie und wan es mir beliebet? Das weis ich alles ſehr wohl/ ſing ihr Joſef das wort auf. Aber wie und was ich meiner gnaͤdigen Fuͤrſtin antworten ſolte/ wuſte ich nicht; nachdem ſie abermahl anfing mit mir zu ſchertzen. Was ſcher-

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/160>, abgerufen am 04.05.2024.