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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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drittes Buch.

In so seltzamen zustande befand sich diese verliebte
Fürstin lange zeit/ ja etliche jahre/ ehe sie gelegenheit
finden konte/ oder nehmen durfte/ dem Josef ihre liebe
offenhertzig zu entdekken. Mitlerweile gelangete der neu-
angelegte Garten zu seiner volkommenheit. Potifar
trug belieben ein gastmahl darinnen an zu stellen. Hier-
auf warden die fürnehmsten Herren des Reichs gela-
den. Diese fanden sich ein. Sie machten sich lustig.
Sie waren guhter dinge. Potifar selbst war so fröh-
lich/ als ihn Josef noch nie gesehen. Und mitten in
dieser fröligkeit erzehlte er seinen Gästen/ was ihm
Josef gefrommet. Er priese seine geschikligkeit. Er
lobte seinen verstand. Er erhub seine tugenden bis an
den himmel. Ja/ sagte er/ ich habe meinen Josef so
lieb/ und darf mich auf ihn so wohl verlaßen/ daß ich
ihm mein gantzes haus anvertraue. Ich laße ihn mit
dem meinigen walten und schalten/ wie er wil. Ich be-
kümmere mich üm nichts. Ich esse nur/ und trinke.
Ich gehe sorgloß schlafen. Ich stehe sorgloß wieder auf.
Er allein träget sorge vor uns alle. Und darüm wünd-
sche ich nichts mehr/ als daß ich ihm seine große treue
wohl belohnen möchte. Were meine liebe Tochter und
einige Erbin Assenat erwachsen; so solte er/ mit ihr/
alles des überschwänglichen seegens/ den er mir zuge-
bracht/ geniessen. Er/ und kein ander solte ihr vermäh-
let werden. Er/ und kein ander/ solte ihrer liebe/ vor
die unvergleichliche treue/ die er mir erweiset/ geniessen.

Josef hörete von ferne alle diese worte. Er sahe das
dankbahre gemüht seines Herrn: welches ihm als ein
spohren war/ in seinem fleisse fort zu fahren. War er
vorhin fleissig gewesen/ so ward er es itzund noch tau-
sendmahl mehr. Alle seine sinnen und gedanken richte-
te er dahin/ daß er nur seinem Herrn gefallen möchte.
Er bemühete sich einig und allein seine gnade zu behal-
ten. Ja er strebete darnach mit allen kräften/ sie noch

im-
H
drittes Buch.

In ſo ſeltzamen zuſtande befand ſich dieſe verliebte
Fuͤrſtin lange zeit/ ja etliche jahre/ ehe ſie gelegenheit
finden konte/ oder nehmen durfte/ dem Joſef ihre liebe
offenhertzig zu entdekken. Mitlerweile gelangete der neu-
angelegte Garten zu ſeiner volkommenheit. Potifar
trug belieben ein gaſtmahl darinnen an zu ſtellen. Hier-
auf warden die fuͤrnehmſten Herren des Reichs gela-
den. Dieſe fanden ſich ein. Sie machten ſich luſtig.
Sie waren guhter dinge. Potifar ſelbſt war ſo froͤh-
lich/ als ihn Joſef noch nie geſehen. Und mitten in
dieſer froͤligkeit erzehlte er ſeinen Gaͤſten/ was ihm
Joſef gefrommet. Er prieſe ſeine geſchikligkeit. Er
lobte ſeinen verſtand. Er erhub ſeine tugenden bis an
den himmel. Ja/ ſagte er/ ich habe meinen Joſef ſo
lieb/ und darf mich auf ihn ſo wohl verlaßen/ daß ich
ihm mein gantzes haus anvertraue. Ich laße ihn mit
dem meinigen walten und ſchalten/ wie er wil. Ich be-
kuͤmmere mich uͤm nichts. Ich eſſe nur/ und trinke.
Ich gehe ſorgloß ſchlafen. Ich ſtehe ſorgloß wieder auf.
Er allein traͤget ſorge vor uns alle. Und daruͤm wuͤnd-
ſche ich nichts mehr/ als daß ich ihm ſeine große treue
wohl belohnen moͤchte. Were meine liebe Tochter und
einige Erbin Aſſenat erwachſen; ſo ſolte er/ mit ihr/
alles des uͤberſchwaͤnglichen ſeegens/ den er mir zuge-
bracht/ genieſſen. Er/ und kein ander ſolte ihr vermaͤh-
let werden. Er/ und kein ander/ ſolte ihrer liebe/ vor
die unvergleichliche treue/ die er mir erweiſet/ genieſſen.

Joſef hoͤrete von ferne alle dieſe worte. Er ſahe das
dankbahre gemuͤht ſeines Herꝛn: welches ihm als ein
ſpohren war/ in ſeinem fleiſſe fort zu fahren. War er
vorhin fleiſſig geweſen/ ſo ward er es itzund noch tau-
ſendmahl mehr. Alle ſeine ſinnen und gedanken richte-
te er dahin/ daß er nur ſeinem Herꝛn gefallen moͤchte.
Er bemuͤhete ſich einig und allein ſeine gnade zu behal-
ten. Ja er ſtrebete darnach mit allen kraͤften/ ſie noch

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[113/0137] drittes Buch. In ſo ſeltzamen zuſtande befand ſich dieſe verliebte Fuͤrſtin lange zeit/ ja etliche jahre/ ehe ſie gelegenheit finden konte/ oder nehmen durfte/ dem Joſef ihre liebe offenhertzig zu entdekken. Mitlerweile gelangete der neu- angelegte Garten zu ſeiner volkommenheit. Potifar trug belieben ein gaſtmahl darinnen an zu ſtellen. Hier- auf warden die fuͤrnehmſten Herren des Reichs gela- den. Dieſe fanden ſich ein. Sie machten ſich luſtig. Sie waren guhter dinge. Potifar ſelbſt war ſo froͤh- lich/ als ihn Joſef noch nie geſehen. Und mitten in dieſer froͤligkeit erzehlte er ſeinen Gaͤſten/ was ihm Joſef gefrommet. Er prieſe ſeine geſchikligkeit. Er lobte ſeinen verſtand. Er erhub ſeine tugenden bis an den himmel. Ja/ ſagte er/ ich habe meinen Joſef ſo lieb/ und darf mich auf ihn ſo wohl verlaßen/ daß ich ihm mein gantzes haus anvertraue. Ich laße ihn mit dem meinigen walten und ſchalten/ wie er wil. Ich be- kuͤmmere mich uͤm nichts. Ich eſſe nur/ und trinke. Ich gehe ſorgloß ſchlafen. Ich ſtehe ſorgloß wieder auf. Er allein traͤget ſorge vor uns alle. Und daruͤm wuͤnd- ſche ich nichts mehr/ als daß ich ihm ſeine große treue wohl belohnen moͤchte. Were meine liebe Tochter und einige Erbin Aſſenat erwachſen; ſo ſolte er/ mit ihr/ alles des uͤberſchwaͤnglichen ſeegens/ den er mir zuge- bracht/ genieſſen. Er/ und kein ander ſolte ihr vermaͤh- let werden. Er/ und kein ander/ ſolte ihrer liebe/ vor die unvergleichliche treue/ die er mir erweiſet/ genieſſen. Joſef hoͤrete von ferne alle dieſe worte. Er ſahe das dankbahre gemuͤht ſeines Herꝛn: welches ihm als ein ſpohren war/ in ſeinem fleiſſe fort zu fahren. War er vorhin fleiſſig geweſen/ ſo ward er es itzund noch tau- ſendmahl mehr. Alle ſeine ſinnen und gedanken richte- te er dahin/ daß er nur ſeinem Herꝛn gefallen moͤchte. Er bemuͤhete ſich einig und allein ſeine gnade zu behal- ten. Ja er ſtrebete darnach mit allen kraͤften/ ſie noch im- H

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/137>, abgerufen am 21.11.2024.