Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.Der Assenat und angebohrne fürtrefliche geschikligkeit brachte ihnin großes ansehen. Seine liebseelige freundligkeit ge- wan iedermans liebe. Seine holdreiche bescheidenheit lokte iederman zur gunst. Um seiner demuht willen ward er von iederman geehret. Ja er zog durch seine Tugenden aller gemühter an sich. Selbst die allerhär- testen hertzen warden ihm gewogen. Selbst die aller- rausten Menschen wardem ihm geneugt. Selbst die allerunbändigsten Leibeigenen machte er zahm. Sie tähten alles/ was er wolte. Sein wink war ihr befehl. Man war sonst gewohnet die Leibeignen mit schlägen zur arbeit zu treiben. Aber hier war es nicht nöhtig. Josefs liebreiche ermahnung richtete mehr aus/ als alle schärfe. Eines seiner guhten worte galt mehr/ als sonst tausend flüche/ ja tausend schläge. Dieses alles sahe die verliebte Sefira. Und darüm flam-
Der Aſſenat und angebohrne fuͤrtrefliche geſchikligkeit brachte ihnin großes anſehen. Seine liebſeelige freundligkeit ge- wan iedermans liebe. Seine holdreiche beſcheidenheit lokte iederman zur gunſt. Um ſeiner demuht willen ward er von iederman geehret. Ja er zog durch ſeine Tugenden aller gemuͤhter an ſich. Selbſt die allerhaͤr- teſten hertzen warden ihm gewogen. Selbſt die aller- rauſten Menſchen wardem ihm geneugt. Selbſt die allerunbaͤndigſten Leibeigenen machte er zahm. Sie taͤhten alles/ was er wolte. Sein wink war ihr befehl. Man war ſonſt gewohnet die Leibeignen mit ſchlaͤgen zur arbeit zu treiben. Aber hier war es nicht noͤhtig. Joſefs liebreiche ermahnung richtete mehr aus/ als alle ſchaͤrfe. Eines ſeiner guhten worte galt mehr/ als ſonſt tauſend fluͤche/ ja tauſend ſchlaͤge. Dieſes alles ſahe die verliebte Sefira. Und daruͤm flam-
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Der Aſſenat
und angebohrne fuͤrtrefliche geſchikligkeit brachte ihn
in großes anſehen. Seine liebſeelige freundligkeit ge-
wan iedermans liebe. Seine holdreiche beſcheidenheit
lokte iederman zur gunſt. Um ſeiner demuht willen
ward er von iederman geehret. Ja er zog durch ſeine
Tugenden aller gemuͤhter an ſich. Selbſt die allerhaͤr-
teſten hertzen warden ihm gewogen. Selbſt die aller-
rauſten Menſchen wardem ihm geneugt. Selbſt die
allerunbaͤndigſten Leibeigenen machte er zahm. Sie
taͤhten alles/ was er wolte. Sein wink war ihr befehl.
Man war ſonſt gewohnet die Leibeignen mit ſchlaͤgen
zur arbeit zu treiben. Aber hier war es nicht noͤhtig.
Joſefs liebreiche ermahnung richtete mehr aus/ als
alle ſchaͤrfe. Eines ſeiner guhten worte galt mehr/ als
ſonſt tauſend fluͤche/ ja tauſend ſchlaͤge.
Dieſes alles ſahe die verliebte Sefira. Und daruͤm
ward ſie ie mehr und mehr verliebt. Auch gab ſie dieſe
liebe dem Joſef/ durch tauſend verliebte blikke/ gnug-
ſam zu verſtehen. Anfangs ſahe ſie ihn von ferne mit
ſpielenden augen an. Dan naͤher durfte ſie nicht kom-
men. Schaam und furcht/ die zwei groͤſten hindernuͤſ-
ſe der liebe/ ſtunden ihr im wege. Sie ſchaͤhmete ſich mit
worten ihre liebe zu entdekken. Die bloͤdigkeit ihrer acht-
zehenjaͤhrigen jugend hielt ſie zuruͤk. Sie fuͤrchtete
ſich vor ihrem Ehliebſten. Sie befahrete ſich/ ihre leute
moͤchten es maͤrken. Und alſo wuſte ſie keinen raht.
Ob ſie ſchon ihrem Joſef von weitem ſo viel hertzent-
zuͤkkende blikke gab; ob ſie ihm ſchon von ferne ſo man-
che liebesſeuftzer zuſchikte: ſo trafen doch alle dieſe feu-
rige liebesbohten nur ein kaltes hertz an. Joſef wolte
ihre ſtumme bohtſchaft nicht verſtehen/ ob er ſie ſchon
verſtund. Seine gebuhrtsahrt blieb im gluͤk und un-
gluͤk unveraͤndert. Seine Tugend behielt er/ wie ſie ihm
angebohren. Hingegen wuchs ihre liebe ie laͤnger ie
mehr. Ihr hertz brante liechterloh. Es ſtund in vollen
flam-
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