Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

drittes Buch.
Sie wusten/ daß er groß geachtet war vor Gott und
Menschen. Unterdessen hielt Sefira bei ihrem Ehherrn
stark an/ daß er den schönen Leibeignen kauffen solte. Dan
ich höre/ sagte sie/ daß sie ihn wieder verhandeln wollen.
Potifar schikte straks hin/ und lies fragen: wie hoch
sie ihn hielten? Weil er aber zu teuer war/ zerschlug
sich der kauf. So bald es Sefira verstund/ sandte sie
selbst einen andern ihn zu kauffen; mit befehl/ daß er
kein geld ansehen solte. Dieser kaufte ihn vor achtzig
goldgülden: wiewohl er seine Fürstin berichtete/ er hette
hundert gegeben. Und also gelangte Josef in Poti-
fars
schlos.

Sefira hatte nunmehr ihren wundsch erlanget. Nie-
mand war froher/ als sie. Niemand war vergnügter/
als sie. Josef muste straks auf das schönste gekleidet
sein: nicht als ein Leibeigener. Als ein Hofjunker mu-
ste er gehen. Alle neue trachten/ die am Königlichen
hofe aufkahmen/ muste er haben. Auch brachte sie bei
ihrem Herren so viel zu wege/ daß er ihn nicht als einen
Leibeignen/ sondern als einen Freien zu halten befahl.
Und Josef selbsten wuste sich bei dem Fürsten so be-
liebt zu machen/ daß er ihn endlich anders nicht/ als sei-
nen eignen Sohn/ liebete. Er bestelte ihn zum Hof-
meister. Er befahl ihm das gebiet über alle seine Leib-
eigene. Ja er setzte ihn zuletzt gar über sein gantzes haus.
Damit er aber zu solcher bestallung üm so viel geschikter
were: so lies er ihn auch in aller Egiptischen weisheit
unterrichten. Man muste ihm die geheime Bilder-
schrift eröfnen: darinnen alle Wissenschaften und
Künste verborgen lagen. Man muste ihm alles zeigen/
was sonsten niemand/ als den Priestern/ zu wissen ver-
gönnet. Und also kahm Josef in kurtzem so weit/
daß er sich nicht entziehen durfte mit den allergelehrte-
sten im gantzen Egipten an zu binden. Ja nicht allein
dieses/ sondern auch seine sonderliche guhtahrtigkeit/

und
G ij

drittes Buch.
Sie wuſten/ daß er groß geachtet war vor Gott und
Menſchen. Unterdeſſen hielt Sefira bei ihrem Ehherꝛn
ſtark an/ daß er den ſchoͤnen Leibeignen kauffen ſolte. Dan
ich hoͤre/ ſagte ſie/ daß ſie ihn wieder verhandeln wollen.
Potifar ſchikte ſtraks hin/ und lies fragen: wie hoch
ſie ihn hielten? Weil er aber zu teuer war/ zerſchlug
ſich der kauf. So bald es Sefira verſtund/ ſandte ſie
ſelbſt einen andern ihn zu kauffen; mit befehl/ daß er
kein geld anſehen ſolte. Dieſer kaufte ihn vor achtzig
goldguͤlden: wiewohl er ſeine Fuͤrſtin berichtete/ er hette
hundert gegeben. Und alſo gelangte Joſef in Poti-
fars
ſchlos.

Sefira hatte nunmehr ihren wundſch erlanget. Nie-
mand war froher/ als ſie. Niemand war vergnuͤgter/
als ſie. Joſef muſte ſtraks auf das ſchoͤnſte gekleidet
ſein: nicht als ein Leibeigener. Als ein Hofjunker mu-
ſte er gehen. Alle neue trachten/ die am Koͤniglichen
hofe aufkahmen/ muſte er haben. Auch brachte ſie bei
ihrem Herren ſo viel zu wege/ daß er ihn nicht als einen
Leibeignen/ ſondern als einen Freien zu halten befahl.
Und Joſef ſelbſten wuſte ſich bei dem Fuͤrſten ſo be-
liebt zu machen/ daß er ihn endlich anders nicht/ als ſei-
nen eignen Sohn/ liebete. Er beſtelte ihn zum Hof-
meiſter. Er befahl ihm das gebiet uͤber alle ſeine Leib-
eigene. Ja er ſetzte ihn zuletzt gar uͤber ſein gantzes haus.
Damit er aber zu ſolcher beſtallung uͤm ſo viel geſchikter
were: ſo lies er ihn auch in aller Egiptiſchen weisheit
unterrichten. Man muſte ihm die geheime Bilder-
ſchrift eroͤfnen: darinnen alle Wiſſenſchaften und
Kuͤnſte verborgen lagen. Man muſte ihm alles zeigen/
was ſonſten niemand/ als den Prieſtern/ zu wiſſen ver-
goͤnnet. Und alſo kahm Joſef in kurtzem ſo weit/
daß er ſich nicht entziehen durfte mit den allergelehrte-
ſten im gantzen Egipten an zu binden. Ja nicht allein
dieſes/ ſondern auch ſeine ſonderliche guhtahrtigkeit/

und
G ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="99"/><fw place="top" type="header">drittes Buch.</fw><lb/>
Sie wu&#x017F;ten/ daß er groß geachtet war vor Gott und<lb/>
Men&#x017F;chen. Unterde&#x017F;&#x017F;en hielt <hi rendition="#fr">Sefira</hi> bei ihrem Ehher&#xA75B;n<lb/>
&#x017F;tark an/ daß er den &#x017F;cho&#x0364;nen Leibeignen kauffen &#x017F;olte. Dan<lb/>
ich ho&#x0364;re/ &#x017F;agte &#x017F;ie/ daß &#x017F;ie ihn wieder verhandeln wollen.<lb/><hi rendition="#fr">Potifar</hi> &#x017F;chikte &#x017F;traks hin/ und lies fragen: wie hoch<lb/>
&#x017F;ie ihn hielten? Weil er aber zu teuer war/ zer&#x017F;chlug<lb/>
&#x017F;ich der kauf. So bald es <hi rendition="#fr">Sefira</hi> ver&#x017F;tund/ &#x017F;andte &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t einen andern ihn zu kauffen; mit befehl/ daß er<lb/>
kein geld an&#x017F;ehen &#x017F;olte. Die&#x017F;er kaufte ihn vor achtzig<lb/>
goldgu&#x0364;lden: wiewohl er &#x017F;eine Fu&#x0364;r&#x017F;tin berichtete/ er hette<lb/>
hundert gegeben. Und al&#x017F;o gelangte <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> in <hi rendition="#fr">Poti-<lb/>
fars</hi> &#x017F;chlos.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Sefira</hi> hatte nunmehr ihren wund&#x017F;ch erlanget. Nie-<lb/>
mand war froher/ als &#x017F;ie. Niemand war vergnu&#x0364;gter/<lb/>
als &#x017F;ie. <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> mu&#x017F;te &#x017F;traks auf das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te gekleidet<lb/>
&#x017F;ein: nicht als ein Leibeigener. Als ein Hofjunker mu-<lb/>
&#x017F;te er gehen. Alle neue trachten/ die am Ko&#x0364;niglichen<lb/>
hofe aufkahmen/ mu&#x017F;te er haben. Auch brachte &#x017F;ie bei<lb/>
ihrem Herren &#x017F;o viel zu wege/ daß er ihn nicht als einen<lb/>
Leibeignen/ &#x017F;ondern als einen Freien zu halten befahl.<lb/>
Und <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> &#x017F;elb&#x017F;ten wu&#x017F;te &#x017F;ich bei dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;o be-<lb/>
liebt zu machen/ daß er ihn endlich anders nicht/ als &#x017F;ei-<lb/>
nen eignen Sohn/ liebete. Er be&#x017F;telte ihn zum Hof-<lb/>
mei&#x017F;ter. Er befahl ihm das gebiet u&#x0364;ber alle &#x017F;eine Leib-<lb/>
eigene. Ja er &#x017F;etzte ihn zuletzt gar u&#x0364;ber &#x017F;ein gantzes haus.<lb/>
Damit er aber zu &#x017F;olcher be&#x017F;tallung u&#x0364;m &#x017F;o viel ge&#x017F;chikter<lb/>
were: &#x017F;o lies er ihn auch in aller Egipti&#x017F;chen weisheit<lb/>
unterrichten. Man mu&#x017F;te ihm die geheime Bilder-<lb/>
&#x017F;chrift ero&#x0364;fnen: darinnen alle Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften und<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te verborgen lagen. Man mu&#x017F;te ihm alles zeigen/<lb/>
was &#x017F;on&#x017F;ten niemand/ als den Prie&#x017F;tern/ zu wi&#x017F;&#x017F;en ver-<lb/>
go&#x0364;nnet. Und al&#x017F;o kahm <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> in kurtzem &#x017F;o weit/<lb/>
daß er &#x017F;ich nicht entziehen durfte mit den allergelehrte-<lb/>
&#x017F;ten im gantzen Egipten an zu binden. Ja nicht allein<lb/>
die&#x017F;es/ &#x017F;ondern auch &#x017F;eine &#x017F;onderliche guhtahrtigkeit/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G ij</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0123] drittes Buch. Sie wuſten/ daß er groß geachtet war vor Gott und Menſchen. Unterdeſſen hielt Sefira bei ihrem Ehherꝛn ſtark an/ daß er den ſchoͤnen Leibeignen kauffen ſolte. Dan ich hoͤre/ ſagte ſie/ daß ſie ihn wieder verhandeln wollen. Potifar ſchikte ſtraks hin/ und lies fragen: wie hoch ſie ihn hielten? Weil er aber zu teuer war/ zerſchlug ſich der kauf. So bald es Sefira verſtund/ ſandte ſie ſelbſt einen andern ihn zu kauffen; mit befehl/ daß er kein geld anſehen ſolte. Dieſer kaufte ihn vor achtzig goldguͤlden: wiewohl er ſeine Fuͤrſtin berichtete/ er hette hundert gegeben. Und alſo gelangte Joſef in Poti- fars ſchlos. Sefira hatte nunmehr ihren wundſch erlanget. Nie- mand war froher/ als ſie. Niemand war vergnuͤgter/ als ſie. Joſef muſte ſtraks auf das ſchoͤnſte gekleidet ſein: nicht als ein Leibeigener. Als ein Hofjunker mu- ſte er gehen. Alle neue trachten/ die am Koͤniglichen hofe aufkahmen/ muſte er haben. Auch brachte ſie bei ihrem Herren ſo viel zu wege/ daß er ihn nicht als einen Leibeignen/ ſondern als einen Freien zu halten befahl. Und Joſef ſelbſten wuſte ſich bei dem Fuͤrſten ſo be- liebt zu machen/ daß er ihn endlich anders nicht/ als ſei- nen eignen Sohn/ liebete. Er beſtelte ihn zum Hof- meiſter. Er befahl ihm das gebiet uͤber alle ſeine Leib- eigene. Ja er ſetzte ihn zuletzt gar uͤber ſein gantzes haus. Damit er aber zu ſolcher beſtallung uͤm ſo viel geſchikter were: ſo lies er ihn auch in aller Egiptiſchen weisheit unterrichten. Man muſte ihm die geheime Bilder- ſchrift eroͤfnen: darinnen alle Wiſſenſchaften und Kuͤnſte verborgen lagen. Man muſte ihm alles zeigen/ was ſonſten niemand/ als den Prieſtern/ zu wiſſen ver- goͤnnet. Und alſo kahm Joſef in kurtzem ſo weit/ daß er ſich nicht entziehen durfte mit den allergelehrte- ſten im gantzen Egipten an zu binden. Ja nicht allein dieſes/ ſondern auch ſeine ſonderliche guhtahrtigkeit/ und G ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/123
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/123>, abgerufen am 08.05.2024.