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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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zweites Buch.
Krokodil/ und euer Habicht in einen Adler verän-
dert worden/ weis ich nicht zu sagen. Auch weis ich
nicht/ worauf euer alter Hahn/ desgleichen ich in mei-
nem traume nicht finde/ zielen sol. Ja was sol ich sa-
gen? Diese beiden treume seind mir viel zu wunderlich/
und meinem verstande viel zu hoch. Wir müssen einen
andern Traumdeuter suchen. Aber wo sollen wir ihn
finden? Niemand wird hierzu geschikter sein/ als Jo-
sef.
Darüm kleidet euch straks an. Machet euch flugs
färtig/ und gehet zu ihm. Erzehlet ihm alle beide treu-
me von stüklein zu stüklein. Aber in dem meinigen las-
set Potifars hof/ und die zeit der zehen/ und drei
tage
weg: weil uns beides schon klahr genug ist/ also
daß wir keinen ausleger darzu bedürfen.

Semesse volbrachte diesen befehl alsobald. Josef
stund eben in der tühre/ da sie ankahm: Und die Jung-
frauen/ zusamt der Mutter/ hatten sich in der Isis
Götzenhaus begeben/ ihren Götzendienst zu verrichten.
Daher war sie froh/ daß sie so eine gewündschte gelegen-
heit angetroffen/ den Josef allein zu sprechen. Sie
grüßete ihn sehr freundlich: und er unterlies auch
nicht/ ihr mit eben so freundlichem gegengrusse zu be-
gegnen. Nach wenigen wortgeprängen diente sie ihm
straks an/ daß sie/ ihrer Fürst in wegen/ was geheimes
mit ihm zu reden hette. Hierauf führete sie Josef in
den saal: da sie dan ihre worte straks also anbrachte.
Meine Fürstin/ sagte sie/ hat in der nächst verwichenen
nacht einen Traum gehabt; und ich selbst zwar einen
andern/ doch einen solchen/ der jenem in allen stükken
fast gleich ist. Weil nun diese zwee gleiche treume/ die
uns beiden/ auch in gleicher zeit/ ja in einer stunde/ zu-
gleich aufgestoßen/ was sonderliches bedeuten werden;
so habe ich/ auf meiner Fürstin befehl/ die kühnheit ge-
brauchen müssen/ ihn üm eine gründliche auslegung
derselben an zu langen. Hierdurch wird er nicht allein

die
F ijj

zweites Buch.
Krokodil/ und euer Habicht in einen Adler veraͤn-
dert worden/ weis ich nicht zu ſagen. Auch weis ich
nicht/ worauf euer alter Hahn/ desgleichen ich in mei-
nem traume nicht finde/ zielen ſol. Ja was ſol ich ſa-
gen? Dieſe beiden treume ſeind mir viel zu wunderlich/
und meinem verſtande viel zu hoch. Wir muͤſſen einen
andern Traumdeuter ſuchen. Aber wo ſollen wir ihn
finden? Niemand wird hierzu geſchikter ſein/ als Jo-
ſef.
Daruͤm kleidet euch ſtraks an. Machet euch flugs
faͤrtig/ und gehet zu ihm. Erzehlet ihm alle beide treu-
me von ſtuͤklein zu ſtuͤklein. Aber in dem meinigen las-
ſet Potifars hof/ und die zeit der zehen/ und drei
tage
weg: weil uns beides ſchon klahr genug iſt/ alſo
daß wir keinen ausleger darzu beduͤrfen.

Semeſſe volbrachte dieſen befehl alſobald. Joſef
ſtund eben in der tuͤhre/ da ſie ankahm: Und die Jung-
frauen/ zuſamt der Mutter/ hatten ſich in der Iſis
Goͤtzenhaus begeben/ ihren Goͤtzendienſt zu verrichten.
Daher war ſie froh/ daß ſie ſo eine gewuͤndſchte gelegen-
heit angetroffen/ den Joſef allein zu ſprechen. Sie
gruͤßete ihn ſehr freundlich: und er unterlies auch
nicht/ ihr mit eben ſo freundlichem gegengruſſe zu be-
gegnen. Nach wenigen wortgepraͤngen diente ſie ihm
ſtraks an/ daß ſie/ ihrer Fuͤrſt in wegen/ was geheimes
mit ihm zu reden hette. Hierauf fuͤhrete ſie Joſef in
den ſaal: da ſie dan ihre worte ſtraks alſo anbrachte.
Meine Fuͤrſtin/ ſagte ſie/ hat in der naͤchſt verwichenen
nacht einen Traum gehabt; und ich ſelbſt zwar einen
andern/ doch einen ſolchen/ der jenem in allen ſtuͤkken
faſt gleich iſt. Weil nun dieſe zwee gleiche treume/ die
uns beiden/ auch in gleicher zeit/ ja in einer ſtunde/ zu-
gleich aufgeſtoßen/ was ſonderliches bedeuten werden;
ſo habe ich/ auf meiner Fuͤrſtin befehl/ die kuͤhnheit ge-
brauchen muͤſſen/ ihn uͤm eine gruͤndliche auslegung
derſelben an zu langen. Hierdurch wird er nicht allein

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[85/0109] zweites Buch. Krokodil/ und euer Habicht in einen Adler veraͤn- dert worden/ weis ich nicht zu ſagen. Auch weis ich nicht/ worauf euer alter Hahn/ desgleichen ich in mei- nem traume nicht finde/ zielen ſol. Ja was ſol ich ſa- gen? Dieſe beiden treume ſeind mir viel zu wunderlich/ und meinem verſtande viel zu hoch. Wir muͤſſen einen andern Traumdeuter ſuchen. Aber wo ſollen wir ihn finden? Niemand wird hierzu geſchikter ſein/ als Jo- ſef. Daruͤm kleidet euch ſtraks an. Machet euch flugs faͤrtig/ und gehet zu ihm. Erzehlet ihm alle beide treu- me von ſtuͤklein zu ſtuͤklein. Aber in dem meinigen las- ſet Potifars hof/ und die zeit der zehen/ und drei tage weg: weil uns beides ſchon klahr genug iſt/ alſo daß wir keinen ausleger darzu beduͤrfen. Semeſſe volbrachte dieſen befehl alſobald. Joſef ſtund eben in der tuͤhre/ da ſie ankahm: Und die Jung- frauen/ zuſamt der Mutter/ hatten ſich in der Iſis Goͤtzenhaus begeben/ ihren Goͤtzendienſt zu verrichten. Daher war ſie froh/ daß ſie ſo eine gewuͤndſchte gelegen- heit angetroffen/ den Joſef allein zu ſprechen. Sie gruͤßete ihn ſehr freundlich: und er unterlies auch nicht/ ihr mit eben ſo freundlichem gegengruſſe zu be- gegnen. Nach wenigen wortgepraͤngen diente ſie ihm ſtraks an/ daß ſie/ ihrer Fuͤrſt in wegen/ was geheimes mit ihm zu reden hette. Hierauf fuͤhrete ſie Joſef in den ſaal: da ſie dan ihre worte ſtraks alſo anbrachte. Meine Fuͤrſtin/ ſagte ſie/ hat in der naͤchſt verwichenen nacht einen Traum gehabt; und ich ſelbſt zwar einen andern/ doch einen ſolchen/ der jenem in allen ſtuͤkken faſt gleich iſt. Weil nun dieſe zwee gleiche treume/ die uns beiden/ auch in gleicher zeit/ ja in einer ſtunde/ zu- gleich aufgeſtoßen/ was ſonderliches bedeuten werden; ſo habe ich/ auf meiner Fuͤrſtin befehl/ die kuͤhnheit ge- brauchen muͤſſen/ ihn uͤm eine gruͤndliche auslegung derſelben an zu langen. Hierdurch wird er nicht allein die F ijj

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/109>, abgerufen am 08.05.2024.