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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

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Der Mittag.
Selber der Reichthum, welcher bisher partheyisch sein
Füllhorn

Vor dem Dichter verschloß, eröfnet es willig, und
streuet

Ruhm und Guineen zugleich auf deine bewunderten
Barden.

Aber noch leuchtet kein glücklich Gestirn dem Lieb-
ling der Musen,

Deutschland, in dir! Noch bist du zu rauh, die feine-
ren Künste

Griechenlands Stolz, Jtaliens Ruhm, nach Würden
zu schätzen.

Wo sind deine Mäcene? Wo sind die erleuchteten Col-
berts,

Welche jedes Talent nach seinem Werthe belohnen?
Noch gehn unsre Musen beschämt um Allmosen betteln.
Oder sind sie zu stolz, die Thür der Grossen zu stür-
men;

So bleibt oft der glücklichste Geist in Armuth vergra-
ben,

Und der Unsterblichkeit Sohn steht in Gesahr zu verhun-
gern.

Und doch bist du, Germanien, schon ein Wunder dem
Weisen,

Der mit staunendem Blick des Schicksals Wege ver-
folget.

Nicht

Der Mittag.
Selber der Reichthum, welcher bisher partheyiſch ſein
Fuͤllhorn

Vor dem Dichter verſchloß, eroͤfnet es willig, und
ſtreuet

Ruhm und Guineen zugleich auf deine bewunderten
Barden.

Aber noch leuchtet kein gluͤcklich Geſtirn dem Lieb-
ling der Muſen,

Deutſchland, in dir! Noch biſt du zu rauh, die feine-
ren Kuͤnſte

Griechenlands Stolz, Jtaliens Ruhm, nach Wuͤrden
zu ſchaͤtzen.

Wo ſind deine Maͤcene? Wo ſind die erleuchteten Col-
berts,

Welche jedes Talent nach ſeinem Werthe belohnen?
Noch gehn unſre Muſen beſchaͤmt um Allmoſen betteln.
Oder ſind ſie zu ſtolz, die Thuͤr der Groſſen zu ſtuͤr-
men;

So bleibt oft der gluͤcklichſte Geiſt in Armuth vergra-
ben,

Und der Unſterblichkeit Sohn ſteht in Geſahr zu verhun-
gern.

Und doch biſt du, Germanien, ſchon ein Wunder dem
Weiſen,

Der mit ſtaunendem Blick des Schickſals Wege ver-
folget.

Nicht
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[88/0096] Der Mittag. Selber der Reichthum, welcher bisher partheyiſch ſein Fuͤllhorn Vor dem Dichter verſchloß, eroͤfnet es willig, und ſtreuet Ruhm und Guineen zugleich auf deine bewunderten Barden. Aber noch leuchtet kein gluͤcklich Geſtirn dem Lieb- ling der Muſen, Deutſchland, in dir! Noch biſt du zu rauh, die feine- ren Kuͤnſte Griechenlands Stolz, Jtaliens Ruhm, nach Wuͤrden zu ſchaͤtzen. Wo ſind deine Maͤcene? Wo ſind die erleuchteten Col- berts, Welche jedes Talent nach ſeinem Werthe belohnen? Noch gehn unſre Muſen beſchaͤmt um Allmoſen betteln. Oder ſind ſie zu ſtolz, die Thuͤr der Groſſen zu ſtuͤr- men; So bleibt oft der gluͤcklichſte Geiſt in Armuth vergra- ben, Und der Unſterblichkeit Sohn ſteht in Geſahr zu verhun- gern. Und doch biſt du, Germanien, ſchon ein Wunder dem Weiſen, Der mit ſtaunendem Blick des Schickſals Wege ver- folget. Nicht

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/96>, abgerufen am 21.11.2024.