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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

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Das Schnupftuch.
Er geht den Vorsaal durch, er merket es an allen,
Der Hof bückt sich nicht mehr, er siehts, er ist ge-
fallen;
So geht das Mädchen auch; weint laut, und fleht
und klagt,
Jm Glücke gar zu stolz, im Unglück zu verzagt.
Unbillig ausgeschimpft, und ungerecht gestürzet,
Sieht sie auf einmal nun der Hoheit Ziel verkürzet.

Tyrannin unsrer Brust, Monarchin der Natur,
Der König auf dem Thron, der Schäfer auf der
Flur
Gehorchet dir, und liebt; ich, Liebe, will es wagen,
Und deine Hoheit schmähn, und Böses auf dich sagen.
Du machst, daß ohne Trost die schönste Nymphe klagt;
Daß sie mit Puder stürmt, und Zofen von sich jagt;
Du machst, daß Scherze fliehn; daß Lippen sich ent-
färben,
Und Unschuld, Weiß und Roth, auf zarten Wangen
sterben.
Du machst es, daß den Lord die Tänzerin verführt,
Und

Das Schnupftuch.
Er geht den Vorſaal durch, er merket es an allen,
Der Hof buͤckt ſich nicht mehr, er ſiehts, er iſt ge-
fallen;
So geht das Maͤdchen auch; weint laut, und fleht
und klagt,
Jm Gluͤcke gar zu ſtolz, im Ungluͤck zu verzagt.
Unbillig ausgeſchimpft, und ungerecht geſtuͤrzet,
Sieht ſie auf einmal nun der Hoheit Ziel verkuͤrzet.

Tyrannin unſrer Bruſt, Monarchin der Natur,
Der Koͤnig auf dem Thron, der Schaͤfer auf der
Flur
Gehorchet dir, und liebt; ich, Liebe, will es wagen,
Und deine Hoheit ſchmaͤhn, und Boͤſes auf dich ſagen.
Du machſt, daß ohne Troſt die ſchoͤnſte Nymphe klagt;
Daß ſie mit Puder ſtuͤrmt, und Zofen von ſich jagt;
Du machſt, daß Scherze fliehn; daß Lippen ſich ent-
faͤrben,
Und Unſchuld, Weiß und Roth, auf zarten Wangen
ſterben.
Du machſt es, daß den Lord die Taͤnzerin verfuͤhrt,
Und
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[42/0050] Das Schnupftuch. Er geht den Vorſaal durch, er merket es an allen, Der Hof buͤckt ſich nicht mehr, er ſiehts, er iſt ge- fallen; So geht das Maͤdchen auch; weint laut, und fleht und klagt, Jm Gluͤcke gar zu ſtolz, im Ungluͤck zu verzagt. Unbillig ausgeſchimpft, und ungerecht geſtuͤrzet, Sieht ſie auf einmal nun der Hoheit Ziel verkuͤrzet. Tyrannin unſrer Bruſt, Monarchin der Natur, Der Koͤnig auf dem Thron, der Schaͤfer auf der Flur Gehorchet dir, und liebt; ich, Liebe, will es wagen, Und deine Hoheit ſchmaͤhn, und Boͤſes auf dich ſagen. Du machſt, daß ohne Troſt die ſchoͤnſte Nymphe klagt; Daß ſie mit Puder ſtuͤrmt, und Zofen von ſich jagt; Du machſt, daß Scherze fliehn; daß Lippen ſich ent- faͤrben, Und Unſchuld, Weiß und Roth, auf zarten Wangen ſterben. Du machſt es, daß den Lord die Taͤnzerin verfuͤhrt, Und

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/50>, abgerufen am 24.04.2024.