Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite

Das Schnupftuch.
Hier schickt der Graf das Tuch; doch er hat sich vor-
messen,
Dich und dies ganze Haus auf ewig zu vergessen.
Sein Haar, das er voll Zorn aus den Papieren riß,
Das Tuch, so seine Wuth mir vor die Füße schmiß,
So mancher Fluch, den er mit Raserey gesprochen,
Bezeigt, daß ich gehorcht, und daß ich dich gerochen.

O du Verrätherin, wie unverschämt lügst du!
(So rief das Fräulein aus;) Heb ich mich aus der
Ruh
Ein einzigmal so früh, als du heut ausgegangen?
Und hab ich dich zu sehn wohl je so ein Verlangen,
Daß ich, uneingedenk des Standes über dir,
Zu dir ans Bette käm, o unverschämtes Thier!
Du lügst. Jn tiefer Ruh hab ich vergnügt geschlafen.
Und hätt ich auch gesagt: Lisette, geh zum Grafen,
Und nimm das Schnupftuch weg; so bist du doch nicht
klug,
Ein

Das Schnupftuch.
Hier ſchickt der Graf das Tuch; doch er hat ſich vor-
meſſen,
Dich und dies ganze Haus auf ewig zu vergeſſen.
Sein Haar, das er voll Zorn aus den Papieren riß,
Das Tuch, ſo ſeine Wuth mir vor die Fuͤße ſchmiß,
So mancher Fluch, den er mit Raſerey geſprochen,
Bezeigt, daß ich gehorcht, und daß ich dich gerochen.

O du Verraͤtherin, wie unverſchaͤmt luͤgſt du!
(So rief das Fraͤulein aus;) Heb ich mich aus der
Ruh
Ein einzigmal ſo fruͤh, als du heut ausgegangen?
Und hab ich dich zu ſehn wohl je ſo ein Verlangen,
Daß ich, uneingedenk des Standes uͤber dir,
Zu dir ans Bette kaͤm, o unverſchaͤmtes Thier!
Du luͤgſt. Jn tiefer Ruh hab ich vergnuͤgt geſchlafen.
Und haͤtt ich auch geſagt: Liſette, geh zum Grafen,
Und nimm das Schnupftuch weg; ſo biſt du doch nicht
klug,
Ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="5">
              <pb facs="#f0046" n="38"/>
              <fw place="top" type="header">Das Schnupftuch.</fw><lb/>
              <l>Hier &#x017F;chickt der Graf das Tuch; doch er hat &#x017F;ich vor-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">me&#x017F;&#x017F;en,</hi> </l><lb/>
              <l>Dich und dies ganze Haus auf ewig zu verge&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Sein Haar, das er voll Zorn aus den Papieren riß,</l><lb/>
              <l>Das Tuch, &#x017F;o &#x017F;eine Wuth mir vor die Fu&#x0364;ße &#x017F;chmiß,</l><lb/>
              <l>So mancher Fluch, den er mit Ra&#x017F;erey ge&#x017F;prochen,</l><lb/>
              <l>Bezeigt, daß ich gehorcht, und daß ich dich gerochen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>O du Verra&#x0364;therin, wie unver&#x017F;cha&#x0364;mt lu&#x0364;g&#x017F;t du!</l><lb/>
              <l>(So rief das Fra&#x0364;ulein aus;) Heb ich mich aus der</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Ruh</hi> </l><lb/>
              <l>Ein einzigmal &#x017F;o fru&#x0364;h, als du heut ausgegangen?</l><lb/>
              <l>Und hab ich dich zu &#x017F;ehn wohl je &#x017F;o ein Verlangen,</l><lb/>
              <l>Daß ich, uneingedenk des Standes u&#x0364;ber dir,</l><lb/>
              <l>Zu dir ans Bette ka&#x0364;m, o unver&#x017F;cha&#x0364;mtes Thier!</l><lb/>
              <l>Du lu&#x0364;g&#x017F;t. Jn tiefer Ruh hab ich vergnu&#x0364;gt ge&#x017F;chlafen.</l><lb/>
              <l>Und ha&#x0364;tt ich auch ge&#x017F;agt: Li&#x017F;ette, geh zum Grafen,</l><lb/>
              <l>Und nimm das Schnupftuch weg; &#x017F;o bi&#x017F;t du doch nicht</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">klug,</hi> </l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Ein</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0046] Das Schnupftuch. Hier ſchickt der Graf das Tuch; doch er hat ſich vor- meſſen, Dich und dies ganze Haus auf ewig zu vergeſſen. Sein Haar, das er voll Zorn aus den Papieren riß, Das Tuch, ſo ſeine Wuth mir vor die Fuͤße ſchmiß, So mancher Fluch, den er mit Raſerey geſprochen, Bezeigt, daß ich gehorcht, und daß ich dich gerochen. O du Verraͤtherin, wie unverſchaͤmt luͤgſt du! (So rief das Fraͤulein aus;) Heb ich mich aus der Ruh Ein einzigmal ſo fruͤh, als du heut ausgegangen? Und hab ich dich zu ſehn wohl je ſo ein Verlangen, Daß ich, uneingedenk des Standes uͤber dir, Zu dir ans Bette kaͤm, o unverſchaͤmtes Thier! Du luͤgſt. Jn tiefer Ruh hab ich vergnuͤgt geſchlafen. Und haͤtt ich auch geſagt: Liſette, geh zum Grafen, Und nimm das Schnupftuch weg; ſo biſt du doch nicht klug, Ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/46
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/46>, abgerufen am 24.11.2024.