Trennt man den Elektrolyten zwischen den Elektroden durch eine po- röse Scheidewand, so zeigt sich, dass die Bewegung der Ionen von einer Bewegung der gesammten Flüssigkeit begleitet ist, welche, wenn die Scheidewand fehlt, offenbar nur desshalb nicht zur Erscheinung kommt, weil in diesem Fall das hydrostatische Gleichgewicht daran hindert. Jene von der Zersetzung unabhängige Bewegung der Flüssigkeitstheilchen ist in überwiegender Stärke von der positiven nach der negativen Elektrode gerichtet; auf der Seite der letzteren nimmt daher die Höhe der Flüs- sigkeit zu. Man hat dieses Phänomen als elektrische Endosmose bezeichnet. Nach den Versuchen von Wiedemann ist die Menge der in gleichen Zeiten durch die Thonwand übergeführten Flüssigkeit der Intensität des Stromes direct proportional und unter sonst gleichen Bedingungen von der Oberfläche und Dicke der Thonwand unabhängig. Uebrigens ist diese Bewegung des gesammten Elektrolyten auf die Ueberführung der Ionen ohne jeden Einfluss.
Die hier beschriebene Bewegung des ganzen Elektrolyten, die bei schwächeren Strömen nur sichtbar wird, wenn sich eine poröse Scheidewand in demselben befindet, kann bei sehr starken galvanischen Strömen auch ohne solche zum Vorschein kommen. Quincke fand, dass unter diesen Bedingungen die meisten Flüssigkeiten mit dem positiven Strome fortgeführt werden. Bringt man daher den Elektrolyten in eine U-förmig gebogene Röhre, so steigt die Flüssigkeit in demjenigen Schenkel, in wel- chem sich die negative Elektrode befindet und sie sinkt in dem Schenkel der positiven Elektrode. Auch hier ist, wie bei der elektrischen Endosmose, die Steighöhe der Stromstärke proportional. Löst man ein gut leitendes Salz z. B. Kochsalz in Was- ser auf, so wird die Bewegung des letztern vermindert. Bringt man fein suspendirte Theilchen eines festen Körpers in Wasser oder wässerige Lösungen, so werden diese nach den Beobachtungen von Jürgensen in entgegengesetzter Richtung wie die Flüs- sigkeit, also in der Richtung des negativen Stromes fortgeführt. Bei schwachen Strö- men bewegen sich dagegen nach Quincke auch die festen Theilchen in der Richtung des positiven Stroms. Dies erklärt sich wohl daraus, dass deren Bewegung zum Theil durch die Bewegung der Flüssigkeit bestimmt ist. Nun ist die letztere vorwiegend stark in der Wandschichte, während in der Mitte zum Theil ein Rückfliessen stattfin- det; dort werden also die festen Theilchen in der ihrer eigenen Bewegung entgegenge- setzten Richtung fortgerissen, hier wird die eigene Bewegung durch das Rückströmen der Flüssigkeit unterstützt.
Ein physiologisches Phänomen, welches mit diesen mechanischen Wirkungen des galvanischen Stroms wahrscheinlich im Zusammenhang steht, ist die von mir
Von der Elektricität.
[Tabelle]
Trennt man den Elektrolyten zwischen den Elektroden durch eine po- röse Scheidewand, so zeigt sich, dass die Bewegung der Ionen von einer Bewegung der gesammten Flüssigkeit begleitet ist, welche, wenn die Scheidewand fehlt, offenbar nur desshalb nicht zur Erscheinung kommt, weil in diesem Fall das hydrostatische Gleichgewicht daran hindert. Jene von der Zersetzung unabhängige Bewegung der Flüssigkeitstheilchen ist in überwiegender Stärke von der positiven nach der negativen Elektrode gerichtet; auf der Seite der letzteren nimmt daher die Höhe der Flüs- sigkeit zu. Man hat dieses Phänomen als elektrische Endosmose bezeichnet. Nach den Versuchen von Wiedemann ist die Menge der in gleichen Zeiten durch die Thonwand übergeführten Flüssigkeit der Intensität des Stromes direct proportional und unter sonst gleichen Bedingungen von der Oberfläche und Dicke der Thonwand unabhängig. Uebrigens ist diese Bewegung des gesammten Elektrolyten auf die Ueberführung der Ionen ohne jeden Einfluss.
Die hier beschriebene Bewegung des ganzen Elektrolyten, die bei schwächeren Strömen nur sichtbar wird, wenn sich eine poröse Scheidewand in demselben befindet, kann bei sehr starken galvanischen Strömen auch ohne solche zum Vorschein kommen. Quincke fand, dass unter diesen Bedingungen die meisten Flüssigkeiten mit dem positiven Strome fortgeführt werden. Bringt man daher den Elektrolyten in eine U-förmig gebogene Röhre, so steigt die Flüssigkeit in demjenigen Schenkel, in wel- chem sich die negative Elektrode befindet und sie sinkt in dem Schenkel der positiven Elektrode. Auch hier ist, wie bei der elektrischen Endosmose, die Steighöhe der Stromstärke proportional. Löst man ein gut leitendes Salz z. B. Kochsalz in Was- ser auf, so wird die Bewegung des letztern vermindert. Bringt man fein suspendirte Theilchen eines festen Körpers in Wasser oder wässerige Lösungen, so werden diese nach den Beobachtungen von Jürgensen in entgegengesetzter Richtung wie die Flüs- sigkeit, also in der Richtung des negativen Stromes fortgeführt. Bei schwachen Strö- men bewegen sich dagegen nach Quincke auch die festen Theilchen in der Richtung des positiven Stroms. Dies erklärt sich wohl daraus, dass deren Bewegung zum Theil durch die Bewegung der Flüssigkeit bestimmt ist. Nun ist die letztere vorwiegend stark in der Wandschichte, während in der Mitte zum Theil ein Rückfliessen stattfin- det; dort werden also die festen Theilchen in der ihrer eigenen Bewegung entgegenge- setzten Richtung fortgerissen, hier wird die eigene Bewegung durch das Rückströmen der Flüssigkeit unterstützt.
Ein physiologisches Phänomen, welches mit diesen mechanischen Wirkungen des galvanischen Stroms wahrscheinlich im Zusammenhang steht, ist die von mir
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Von der Elektricität.
Trennt man den Elektrolyten zwischen den Elektroden durch eine po-
röse Scheidewand, so zeigt sich, dass die Bewegung der Ionen von einer
Bewegung der gesammten Flüssigkeit begleitet ist, welche, wenn die
Scheidewand fehlt, offenbar nur desshalb nicht zur Erscheinung kommt,
weil in diesem Fall das hydrostatische Gleichgewicht daran hindert. Jene
von der Zersetzung unabhängige Bewegung der Flüssigkeitstheilchen ist in
überwiegender Stärke von der positiven nach der negativen Elektrode
gerichtet; auf der Seite der letzteren nimmt daher die Höhe der Flüs-
sigkeit zu. Man hat dieses Phänomen als elektrische Endosmose
bezeichnet. Nach den Versuchen von Wiedemann ist die Menge
der in gleichen Zeiten durch die Thonwand übergeführten Flüssigkeit
der Intensität des Stromes direct proportional und unter sonst gleichen
Bedingungen von der Oberfläche und Dicke der Thonwand unabhängig.
Uebrigens ist diese Bewegung des gesammten Elektrolyten auf die
Ueberführung der Ionen ohne jeden Einfluss.
Die hier beschriebene Bewegung des ganzen Elektrolyten, die bei schwächeren
Strömen nur sichtbar wird, wenn sich eine poröse Scheidewand in demselben befindet,
kann bei sehr starken galvanischen Strömen auch ohne solche zum Vorschein kommen.
Quincke fand, dass unter diesen Bedingungen die meisten Flüssigkeiten mit dem
positiven Strome fortgeführt werden. Bringt man daher den Elektrolyten in eine
U-förmig gebogene Röhre, so steigt die Flüssigkeit in demjenigen Schenkel, in wel-
chem sich die negative Elektrode befindet und sie sinkt in dem Schenkel der positiven
Elektrode. Auch hier ist, wie bei der elektrischen Endosmose, die Steighöhe der
Stromstärke proportional. Löst man ein gut leitendes Salz z. B. Kochsalz in Was-
ser auf, so wird die Bewegung des letztern vermindert. Bringt man fein suspendirte
Theilchen eines festen Körpers in Wasser oder wässerige Lösungen, so werden diese
nach den Beobachtungen von Jürgensen in entgegengesetzter Richtung wie die Flüs-
sigkeit, also in der Richtung des negativen Stromes fortgeführt. Bei schwachen Strö-
men bewegen sich dagegen nach Quincke auch die festen Theilchen in der Richtung
des positiven Stroms. Dies erklärt sich wohl daraus, dass deren Bewegung zum Theil
durch die Bewegung der Flüssigkeit bestimmt ist. Nun ist die letztere vorwiegend
stark in der Wandschichte, während in der Mitte zum Theil ein Rückfliessen stattfin-
det; dort werden also die festen Theilchen in der ihrer eigenen Bewegung entgegenge-
setzten Richtung fortgerissen, hier wird die eigene Bewegung durch das Rückströmen
der Flüssigkeit unterstützt.
Ein physiologisches Phänomen, welches mit diesen mechanischen Wirkungen
des galvanischen Stroms wahrscheinlich im Zusammenhang steht, ist die von mir
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/516>, abgerufen am 23.12.2024.
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