Die chemische Zersetzung bei der Elektrolyse findet zwar aus-325 Wanderung der Ionen. Elektri- sche Endosmose. schliesslich in der unmittelbaren Nähe der Elektroden statt. Aber da die Elektrolyse nicht aufhört, bis die gesammte Menge der Flüssig- keit, durch welche der Strom geht, zersetzt ist, so müssen wir zugleich annehmen, dass eine fortwährende Wanderung der Ionen nach den beiden Polen hin stattfindet. Die positive Elektrode wird die ne- gativen und die negative die positiven Bestandtheile anziehen. Man sollte nun erwarten, dass für je 1 Aequivalent des Kation, das zur Anode wandert, 1 Aequivalent des Anion zur Kathode gehe. Dies findet sich jedoch nicht bestätigt, sondern man beobachtet in der Re- gel, dass mehr von dem elektro-negativen Bestandtheil des Elektro- lyten zur positiven als von dem elektropositiven Bestandtheil zur ne- gativen Elektrode geführt wird. Setzt man z. B. Kupferlösung zwi- schen Kupferelektroden der Elektrolyse aus, so kommt für je 1 Aeq. SO3 + O, das an der positiven Elektrode geliefert wird, 1 Aeq. Cu an der negativen zum Vorschein. Wäre nun die Bewegung nach bei- den Richtungen gleichmässig, so würde der Kupfergehalt auf der po- sitiven Seite unverändert bleiben, indem 1 Aeq. ausgeschiedene Schwe- felsäure 1 Aeq. Cu auflöst, d. h. ebenso viel als nach der negativen Elektrode gewandert ist. An der letztern würde aber der Kupferge- halt um dieses eine Aeq. zugenommen haben, denn die Lösung wäre ebenso concentrirt wie vorher, und ausserdem hätte sich 1 Aeq. Cu niedergeschlagen. Statt dessen findet man, dass die Zunahme der gesammten Kupfermenge an der negativen Elektrode nur ungefähr 1/3 Aeq. beträgt; es muss sich daher hier die Lösung verdünnt haben, wie man auch an der Farbenveränderung derselben wahrnimmt, wäh- rend die Lösung an der positiven Elektrode um 2/3 Aeq. ihres Ge- halts an schwefelsaurem Kupferoxyd zugenommen hat und daher eine dunklere Färbung zeigt. Beträgt allgemein der nach der Elektrolyse vorhandene Ueberschuss des elektronegativen Bestandtheils an der positiven Elektrode
[Formel 1]
Aeq., so ist der Ueberschuss des elektropo- sitiven Bestandtheils an der negativen Elektrode =
[Formel 2]
Aeq. Wäh- rend somit die Ausscheidung der Ionen an beiden Elektroden stets in Aequivalentverhältnissen vor sich geht, erfolgt die Wanderung der Ionen im Verhältniss von Bruchtheilen der Aequivalentzahlen, und zwar geht relativ mehr Kation nach der Anode als Anion nach der Kathode. Dabei variiren indess die gefundenen Werthe etwas mit der Concentration der Lösung.
Wir geben im folgenden einige der von Hittorf gewonnenen Zahlen.
[Tabelle]
Wirkungen des elektrischen Stroms.
Die chemische Zersetzung bei der Elektrolyse findet zwar aus-325 Wanderung der Ionen. Elektri- sche Endosmose. schliesslich in der unmittelbaren Nähe der Elektroden statt. Aber da die Elektrolyse nicht aufhört, bis die gesammte Menge der Flüssig- keit, durch welche der Strom geht, zersetzt ist, so müssen wir zugleich annehmen, dass eine fortwährende Wanderung der Ionen nach den beiden Polen hin stattfindet. Die positive Elektrode wird die ne- gativen und die negative die positiven Bestandtheile anziehen. Man sollte nun erwarten, dass für je 1 Aequivalent des Kation, das zur Anode wandert, 1 Aequivalent des Anion zur Kathode gehe. Dies findet sich jedoch nicht bestätigt, sondern man beobachtet in der Re- gel, dass mehr von dem elektro-negativen Bestandtheil des Elektro- lyten zur positiven als von dem elektropositiven Bestandtheil zur ne- gativen Elektrode geführt wird. Setzt man z. B. Kupferlösung zwi- schen Kupferelektroden der Elektrolyse aus, so kommt für je 1 Aeq. SO3 + O, das an der positiven Elektrode geliefert wird, 1 Aeq. Cu an der negativen zum Vorschein. Wäre nun die Bewegung nach bei- den Richtungen gleichmässig, so würde der Kupfergehalt auf der po- sitiven Seite unverändert bleiben, indem 1 Aeq. ausgeschiedene Schwe- felsäure 1 Aeq. Cu auflöst, d. h. ebenso viel als nach der negativen Elektrode gewandert ist. An der letztern würde aber der Kupferge- halt um dieses eine Aeq. zugenommen haben, denn die Lösung wäre ebenso concentrirt wie vorher, und ausserdem hätte sich 1 Aeq. Cu niedergeschlagen. Statt dessen findet man, dass die Zunahme der gesammten Kupfermenge an der negativen Elektrode nur ungefähr ⅓ Aeq. beträgt; es muss sich daher hier die Lösung verdünnt haben, wie man auch an der Farbenveränderung derselben wahrnimmt, wäh- rend die Lösung an der positiven Elektrode um ⅔ Aeq. ihres Ge- halts an schwefelsaurem Kupferoxyd zugenommen hat und daher eine dunklere Färbung zeigt. Beträgt allgemein der nach der Elektrolyse vorhandene Ueberschuss des elektronegativen Bestandtheils an der positiven Elektrode
[Formel 1]
Aeq., so ist der Ueberschuss des elektropo- sitiven Bestandtheils an der negativen Elektrode =
[Formel 2]
Aeq. Wäh- rend somit die Ausscheidung der Ionen an beiden Elektroden stets in Aequivalentverhältnissen vor sich geht, erfolgt die Wanderung der Ionen im Verhältniss von Bruchtheilen der Aequivalentzahlen, und zwar geht relativ mehr Kation nach der Anode als Anion nach der Kathode. Dabei variiren indess die gefundenen Werthe etwas mit der Concentration der Lösung.
Wir geben im folgenden einige der von Hittorf gewonnenen Zahlen.
[Tabelle]
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Wirkungen des elektrischen Stroms.
Die chemische Zersetzung bei der Elektrolyse findet zwar aus-
schliesslich in der unmittelbaren Nähe der Elektroden statt. Aber da
die Elektrolyse nicht aufhört, bis die gesammte Menge der Flüssig-
keit, durch welche der Strom geht, zersetzt ist, so müssen wir zugleich
annehmen, dass eine fortwährende Wanderung der Ionen nach
den beiden Polen hin stattfindet. Die positive Elektrode wird die ne-
gativen und die negative die positiven Bestandtheile anziehen. Man
sollte nun erwarten, dass für je 1 Aequivalent des Kation, das zur
Anode wandert, 1 Aequivalent des Anion zur Kathode gehe. Dies
findet sich jedoch nicht bestätigt, sondern man beobachtet in der Re-
gel, dass mehr von dem elektro-negativen Bestandtheil des Elektro-
lyten zur positiven als von dem elektropositiven Bestandtheil zur ne-
gativen Elektrode geführt wird. Setzt man z. B. Kupferlösung zwi-
schen Kupferelektroden der Elektrolyse aus, so kommt für je 1 Aeq.
SO3 + O, das an der positiven Elektrode geliefert wird, 1 Aeq. Cu
an der negativen zum Vorschein. Wäre nun die Bewegung nach bei-
den Richtungen gleichmässig, so würde der Kupfergehalt auf der po-
sitiven Seite unverändert bleiben, indem 1 Aeq. ausgeschiedene Schwe-
felsäure 1 Aeq. Cu auflöst, d. h. ebenso viel als nach der negativen
Elektrode gewandert ist. An der letztern würde aber der Kupferge-
halt um dieses eine Aeq. zugenommen haben, denn die Lösung wäre
ebenso concentrirt wie vorher, und ausserdem hätte sich 1 Aeq. Cu
niedergeschlagen. Statt dessen findet man, dass die Zunahme der
gesammten Kupfermenge an der negativen Elektrode nur ungefähr ⅓
Aeq. beträgt; es muss sich daher hier die Lösung verdünnt haben,
wie man auch an der Farbenveränderung derselben wahrnimmt, wäh-
rend die Lösung an der positiven Elektrode um ⅔ Aeq. ihres Ge-
halts an schwefelsaurem Kupferoxyd zugenommen hat und daher eine
dunklere Färbung zeigt. Beträgt allgemein der nach der Elektrolyse
vorhandene Ueberschuss des elektronegativen Bestandtheils an der
positiven Elektrode [FORMEL] Aeq., so ist der Ueberschuss des elektropo-
sitiven Bestandtheils an der negativen Elektrode = [FORMEL] Aeq. Wäh-
rend somit die Ausscheidung der Ionen an beiden Elektroden stets in
Aequivalentverhältnissen vor sich geht, erfolgt die Wanderung der
Ionen im Verhältniss von Bruchtheilen der Aequivalentzahlen, und
zwar geht relativ mehr Kation nach der Anode als Anion nach der
Kathode. Dabei variiren indess die gefundenen Werthe etwas mit der
Concentration der Lösung.
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Wanderung der
Ionen. Elektri-
sche Endosmose.
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/515>, abgerufen am 23.12.2024.
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