Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Elektricität.

Die ausgeschiedenen Ionen können nun theils auf die Elektro-
den, theils auf den Elektrolyten selbst wirken und dadurch secundäre
Zersetzungen hervorrufen. Die häufigste dieser Zersetzungen besteht
darin, dass der an der Anode frei gewordene Sauerstoff dieselbe,
falls sie aus einem oxydirbaren Metall besteht, oxydirt, worauf sich
das Oxyd in der frei gewordenen Säure auflöst. Ist z. B. der Elek-
trolyt ein schwefelsaures Salz, so löst sich die Anode, wenn sie aus
Kupfer, Zink u. dgl. besteht, in demselben als Kupfervitriol, Zink-
vitriol u. s. w. auf. Denn jedes an der Anode frei werdende Aequi-
valent SO4 verbindet sich mit 1 Aeq. Kupfer oder Zink zu CuO.SO3
oder ZnO.SO3, u. s. w. Man wendet daher oxydirbare Anoden theils
an, um die Zusammensetzung des Elektrolyten constant zu erhalten;
dies geschieht, wenn man die Elektrode aus demselben Metall nimmt,
welches der Elektrolyt enthält. Theils gebraucht man dieselben, um
die Ausscheidung gasförmigen Sauerstoffs zu verhüten. Auf die se-
cundären Zersetzungen, welche die Ionen in dem Elektrolyten selber
bewirken, haben wir schon aufmerksam gemacht. Neben der häufig-
sten derselben, der oben berührten Zersetzung des Wassers durch
ausgeschiedenes Metall, gibt es noch mannichfache andere. So ver-
wandelt bei der Elektrolyse von Zinnchlorür das an der Anode frei
werdende Chlor die Lösung in Zinnchlorid, welches dampfförmig ent-
weicht; bei der Elektrolyse von Kupferchlorid entsteht an der Ka-
thode, durch Verbindung des Kupferchlorids mit dem ausgeschiedenen
Kupfer, Kupferchlorür, u. s. w.

Bemerkenswerth sind die secundären chemischen Processe, welche im Voltameter
entstehen, wenn man das Wasser desselben allzu stark ansäuert. Dieselben geben sich
zunächst daran zu erkennen, dass die Menge des ausgeschiedenen Sauerstoffs beträcht-
lich abnimmt, indem sich der Sauerstoff zum Theil in Ozon verwandelt, welches letz-
tere nur einen verschwindenden Raum einnimmt, und ausserdem noch Wasserstoffsu-
peroxyd an der positiven Elektrode auftritt.

Die Thatsache, dass in concentrirten Lösungen nur der gelöste Körper, nicht
aber das Wasser zersetzt wird, erklärt sich am einfachsten, wenn man annimmt, der
Strom theile sich zwischen den Bestandtheilen des Elektrolyten nach den Gesetzen der
Stromverzweigung. Damit stimmt überein, dass bei sehr bedeutender Stromstärke in
solchen Fällen auch das Wasser zerlegt wird. Uebrigens verhalten sich Lösungsge-
menge ähnlich wie einfache Lösungen. Hat man z. B. schwefelsaures Kupfer und
schwefelsaures Zink gleichzeitig in Lösung, so wird bei einem gewissen Verhältniss
der gelösten Salze und bei einer gewissen Stromstärke nur Kupfer ausgeschieden.
Will man bewirken, dass auch Zink sich ausscheidet, so muss man entweder mehr
Zinksalz lösen oder die Stromstärke vergrössern. Da die Leitungsfähigkeit dieser
beiden Salze nahehin übereinstimmt, so kann diese Erscheinung nicht mehr aus den
Gesetzen der Stromverzweigung abgeleitet werden. Hittorf erklärt sie folgender-
massen. Zunächst werden beide Metalle an der Kathode ausgeschieden. Das Zink
geht aber alsbald wieder in Lösung, indem es Kupfer ausfüllt. Erst indem man die
Menge des Zinks so vermehrt, dass es nicht mehr die genügende Menge von Kupfer
in seiner Umgebung findet, wird auch von dem Zink ausgeschieden.


Von der Elektricität.

Die ausgeschiedenen Ionen können nun theils auf die Elektro-
den, theils auf den Elektrolyten selbst wirken und dadurch secundäre
Zersetzungen hervorrufen. Die häufigste dieser Zersetzungen besteht
darin, dass der an der Anode frei gewordene Sauerstoff dieselbe,
falls sie aus einem oxydirbaren Metall besteht, oxydirt, worauf sich
das Oxyd in der frei gewordenen Säure auflöst. Ist z. B. der Elek-
trolyt ein schwefelsaures Salz, so löst sich die Anode, wenn sie aus
Kupfer, Zink u. dgl. besteht, in demselben als Kupfervitriol, Zink-
vitriol u. s. w. auf. Denn jedes an der Anode frei werdende Aequi-
valent SO4 verbindet sich mit 1 Aeq. Kupfer oder Zink zu CuO.SO3
oder ZnO.SO3, u. s. w. Man wendet daher oxydirbare Anoden theils
an, um die Zusammensetzung des Elektrolyten constant zu erhalten;
dies geschieht, wenn man die Elektrode aus demselben Metall nimmt,
welches der Elektrolyt enthält. Theils gebraucht man dieselben, um
die Ausscheidung gasförmigen Sauerstoffs zu verhüten. Auf die se-
cundären Zersetzungen, welche die Ionen in dem Elektrolyten selber
bewirken, haben wir schon aufmerksam gemacht. Neben der häufig-
sten derselben, der oben berührten Zersetzung des Wassers durch
ausgeschiedenes Metall, gibt es noch mannichfache andere. So ver-
wandelt bei der Elektrolyse von Zinnchlorür das an der Anode frei
werdende Chlor die Lösung in Zinnchlorid, welches dampfförmig ent-
weicht; bei der Elektrolyse von Kupferchlorid entsteht an der Ka-
thode, durch Verbindung des Kupferchlorids mit dem ausgeschiedenen
Kupfer, Kupferchlorür, u. s. w.

Bemerkenswerth sind die secundären chemischen Processe, welche im Voltameter
entstehen, wenn man das Wasser desselben allzu stark ansäuert. Dieselben geben sich
zunächst daran zu erkennen, dass die Menge des ausgeschiedenen Sauerstoffs beträcht-
lich abnimmt, indem sich der Sauerstoff zum Theil in Ozon verwandelt, welches letz-
tere nur einen verschwindenden Raum einnimmt, und ausserdem noch Wasserstoffsu-
peroxyd an der positiven Elektrode auftritt.

Die Thatsache, dass in concentrirten Lösungen nur der gelöste Körper, nicht
aber das Wasser zersetzt wird, erklärt sich am einfachsten, wenn man annimmt, der
Strom theile sich zwischen den Bestandtheilen des Elektrolyten nach den Gesetzen der
Stromverzweigung. Damit stimmt überein, dass bei sehr bedeutender Stromstärke in
solchen Fällen auch das Wasser zerlegt wird. Uebrigens verhalten sich Lösungsge-
menge ähnlich wie einfache Lösungen. Hat man z. B. schwefelsaures Kupfer und
schwefelsaures Zink gleichzeitig in Lösung, so wird bei einem gewissen Verhältniss
der gelösten Salze und bei einer gewissen Stromstärke nur Kupfer ausgeschieden.
Will man bewirken, dass auch Zink sich ausscheidet, so muss man entweder mehr
Zinksalz lösen oder die Stromstärke vergrössern. Da die Leitungsfähigkeit dieser
beiden Salze nahehin übereinstimmt, so kann diese Erscheinung nicht mehr aus den
Gesetzen der Stromverzweigung abgeleitet werden. Hittorf erklärt sie folgender-
massen. Zunächst werden beide Metalle an der Kathode ausgeschieden. Das Zink
geht aber alsbald wieder in Lösung, indem es Kupfer ausfüllt. Erst indem man die
Menge des Zinks so vermehrt, dass es nicht mehr die genügende Menge von Kupfer
in seiner Umgebung findet, wird auch von dem Zink ausgeschieden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0514" n="492"/>
          <fw place="top" type="header">Von der Elektricität.</fw><lb/>
          <p>Die ausgeschiedenen Ionen können nun theils auf die Elektro-<lb/>
den, theils auf den Elektrolyten selbst wirken und dadurch secundäre<lb/>
Zersetzungen hervorrufen. Die häufigste dieser Zersetzungen besteht<lb/>
darin, dass der an der Anode frei gewordene Sauerstoff dieselbe,<lb/>
falls sie aus einem oxydirbaren Metall besteht, oxydirt, worauf sich<lb/>
das Oxyd in der frei gewordenen Säure auflöst. Ist z. B. der Elek-<lb/>
trolyt ein schwefelsaures Salz, so löst sich die Anode, wenn sie aus<lb/>
Kupfer, Zink u. dgl. besteht, in demselben als Kupfervitriol, Zink-<lb/>
vitriol u. s. w. auf. Denn jedes an der Anode frei werdende Aequi-<lb/>
valent SO<hi rendition="#sub">4</hi> verbindet sich mit 1 Aeq. Kupfer oder Zink zu CuO.SO<hi rendition="#sub">3</hi><lb/>
oder ZnO.SO<hi rendition="#sub">3</hi>, u. s. w. Man wendet daher oxydirbare Anoden theils<lb/>
an, um die Zusammensetzung des Elektrolyten constant zu erhalten;<lb/>
dies geschieht, wenn man die Elektrode aus demselben Metall nimmt,<lb/>
welches der Elektrolyt enthält. Theils gebraucht man dieselben, um<lb/>
die Ausscheidung gasförmigen Sauerstoffs zu verhüten. Auf die se-<lb/>
cundären Zersetzungen, welche die Ionen in dem Elektrolyten selber<lb/>
bewirken, haben wir schon aufmerksam gemacht. Neben der häufig-<lb/>
sten derselben, der oben berührten Zersetzung des Wassers durch<lb/>
ausgeschiedenes Metall, gibt es noch mannichfache andere. So ver-<lb/>
wandelt bei der Elektrolyse von Zinnchlorür das an der Anode frei<lb/>
werdende Chlor die Lösung in Zinnchlorid, welches dampfförmig ent-<lb/>
weicht; bei der Elektrolyse von Kupferchlorid entsteht an der Ka-<lb/>
thode, durch Verbindung des Kupferchlorids mit dem ausgeschiedenen<lb/>
Kupfer, Kupferchlorür, u. s. w.</p><lb/>
          <p>Bemerkenswerth sind die secundären chemischen Processe, welche im Voltameter<lb/>
entstehen, wenn man das Wasser desselben allzu stark ansäuert. Dieselben geben sich<lb/>
zunächst daran zu erkennen, dass die Menge des ausgeschiedenen Sauerstoffs beträcht-<lb/>
lich abnimmt, indem sich der Sauerstoff zum Theil in Ozon verwandelt, welches letz-<lb/>
tere nur einen verschwindenden Raum einnimmt, und ausserdem noch Wasserstoffsu-<lb/>
peroxyd an der positiven Elektrode auftritt.</p><lb/>
          <p>Die Thatsache, dass in concentrirten Lösungen nur der gelöste Körper, nicht<lb/>
aber das Wasser zersetzt wird, erklärt sich am einfachsten, wenn man annimmt, der<lb/>
Strom theile sich zwischen den Bestandtheilen des Elektrolyten nach den Gesetzen der<lb/>
Stromverzweigung. Damit stimmt überein, dass bei sehr bedeutender Stromstärke in<lb/>
solchen Fällen auch das Wasser zerlegt wird. Uebrigens verhalten sich Lösungsge-<lb/>
menge ähnlich wie einfache Lösungen. Hat man z. B. schwefelsaures Kupfer und<lb/>
schwefelsaures Zink gleichzeitig in Lösung, so wird bei einem gewissen Verhältniss<lb/>
der gelösten Salze und bei einer gewissen Stromstärke nur Kupfer ausgeschieden.<lb/>
Will man bewirken, dass auch Zink sich ausscheidet, so muss man entweder mehr<lb/>
Zinksalz lösen oder die Stromstärke vergrössern. Da die Leitungsfähigkeit dieser<lb/>
beiden Salze nahehin übereinstimmt, so kann diese Erscheinung nicht mehr aus den<lb/>
Gesetzen der Stromverzweigung abgeleitet werden. <hi rendition="#g">Hittorf</hi> erklärt sie folgender-<lb/>
massen. Zunächst werden beide Metalle an der Kathode ausgeschieden. Das Zink<lb/>
geht aber alsbald wieder in Lösung, indem es Kupfer ausfüllt. Erst indem man die<lb/>
Menge des Zinks so vermehrt, dass es nicht mehr die genügende Menge von Kupfer<lb/>
in seiner Umgebung findet, wird auch von dem Zink ausgeschieden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[492/0514] Von der Elektricität. Die ausgeschiedenen Ionen können nun theils auf die Elektro- den, theils auf den Elektrolyten selbst wirken und dadurch secundäre Zersetzungen hervorrufen. Die häufigste dieser Zersetzungen besteht darin, dass der an der Anode frei gewordene Sauerstoff dieselbe, falls sie aus einem oxydirbaren Metall besteht, oxydirt, worauf sich das Oxyd in der frei gewordenen Säure auflöst. Ist z. B. der Elek- trolyt ein schwefelsaures Salz, so löst sich die Anode, wenn sie aus Kupfer, Zink u. dgl. besteht, in demselben als Kupfervitriol, Zink- vitriol u. s. w. auf. Denn jedes an der Anode frei werdende Aequi- valent SO4 verbindet sich mit 1 Aeq. Kupfer oder Zink zu CuO.SO3 oder ZnO.SO3, u. s. w. Man wendet daher oxydirbare Anoden theils an, um die Zusammensetzung des Elektrolyten constant zu erhalten; dies geschieht, wenn man die Elektrode aus demselben Metall nimmt, welches der Elektrolyt enthält. Theils gebraucht man dieselben, um die Ausscheidung gasförmigen Sauerstoffs zu verhüten. Auf die se- cundären Zersetzungen, welche die Ionen in dem Elektrolyten selber bewirken, haben wir schon aufmerksam gemacht. Neben der häufig- sten derselben, der oben berührten Zersetzung des Wassers durch ausgeschiedenes Metall, gibt es noch mannichfache andere. So ver- wandelt bei der Elektrolyse von Zinnchlorür das an der Anode frei werdende Chlor die Lösung in Zinnchlorid, welches dampfförmig ent- weicht; bei der Elektrolyse von Kupferchlorid entsteht an der Ka- thode, durch Verbindung des Kupferchlorids mit dem ausgeschiedenen Kupfer, Kupferchlorür, u. s. w. Bemerkenswerth sind die secundären chemischen Processe, welche im Voltameter entstehen, wenn man das Wasser desselben allzu stark ansäuert. Dieselben geben sich zunächst daran zu erkennen, dass die Menge des ausgeschiedenen Sauerstoffs beträcht- lich abnimmt, indem sich der Sauerstoff zum Theil in Ozon verwandelt, welches letz- tere nur einen verschwindenden Raum einnimmt, und ausserdem noch Wasserstoffsu- peroxyd an der positiven Elektrode auftritt. Die Thatsache, dass in concentrirten Lösungen nur der gelöste Körper, nicht aber das Wasser zersetzt wird, erklärt sich am einfachsten, wenn man annimmt, der Strom theile sich zwischen den Bestandtheilen des Elektrolyten nach den Gesetzen der Stromverzweigung. Damit stimmt überein, dass bei sehr bedeutender Stromstärke in solchen Fällen auch das Wasser zerlegt wird. Uebrigens verhalten sich Lösungsge- menge ähnlich wie einfache Lösungen. Hat man z. B. schwefelsaures Kupfer und schwefelsaures Zink gleichzeitig in Lösung, so wird bei einem gewissen Verhältniss der gelösten Salze und bei einer gewissen Stromstärke nur Kupfer ausgeschieden. Will man bewirken, dass auch Zink sich ausscheidet, so muss man entweder mehr Zinksalz lösen oder die Stromstärke vergrössern. Da die Leitungsfähigkeit dieser beiden Salze nahehin übereinstimmt, so kann diese Erscheinung nicht mehr aus den Gesetzen der Stromverzweigung abgeleitet werden. Hittorf erklärt sie folgender- massen. Zunächst werden beide Metalle an der Kathode ausgeschieden. Das Zink geht aber alsbald wieder in Lösung, indem es Kupfer ausfüllt. Erst indem man die Menge des Zinks so vermehrt, dass es nicht mehr die genügende Menge von Kupfer in seiner Umgebung findet, wird auch von dem Zink ausgeschieden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/514
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/514>, abgerufen am 23.12.2024.