Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Wärme.
allen diesen langsamen Verbrennungen zersetzen sich nun auch, wenn
gleich in geringerem Maasse, die Verbrennungserreger, die Eiweiss-
körper; als das hauptsächlichste Product solcher Zersetzung ist das
Ammoniak zu betrachten.

In der Dampfmaschine entsteht aus der Verbrennung der Kohle
Wärme und mechanische Arbeit. In Wärmebildung und mechanischer
Arbeit bestehen auch die wesentlichsten Leistungen des Thierleibes. Auch
hier werden wir daher zu erwarten haben, dass die in einer gegebenen
Zeit gebildete Wärme und geleistete Arbeit zusammengenommen der
stattgehabten Verbrennung äquivalent sind. Es ist bis jetzt noch nicht
möglich gewesen diese Folgerung durch messende Versuche zu be-
stätigen: weder ist die Verbrennungswärme der thierischen Nahrungs-
stoffe bekannt noch existiren hinreichend zuverlässige Beobachtungen
über die von den Thieren entwickelte Wärmemenge. Doch finden
sich die bekannten Thatsachen sämmtlich mit jener Folgerung in
Uebereinstimmung. Sowohl in Folge mechanischer Arbeit wie erlitte-
ner Wärmeverluste tritt immer eine erhebliche Steigerung des Ver-
brennungsprocesses im Thierleibe ein, wie sich an dem erhöhten Ver-
brauch kohlenstoffhaltiger Nahrungsmittel und der vermehrten Bildung
der Kohlensäure zu erkennen giebt. Bei gesteigerter mechanischer
Arbeit wird in der Regel auch die Wärmebildung gesteigert, doch so
dass sie im Verhältniss zum verbrauchten Sauerstoff geringer ist als
bei ruhendem Körper. Wir werden hiernach den Thierkörper als eine
Maschine zu betrachten haben, welche durch fortwährende Heizung
sich stets auf einer gewissen Temperatur erhält, um jeden Augenblick
die gebildete Wärme in mechanische Arbeit umsetzen zu können,
ähnlich einem geheitzten, aber noch still stehenden Dampfwagen. Den-
ken wir uns, an dem letzteren befände sich eine Vorrichtung, mittelst
deren er durch seine eigene Dampfkraft fortwährend die Feuerung
unterhielte, so würde das Bild der Maschine des Thierleibes noch
näher kommen. Auch diese arbeitet fortwährend, um ihren eigenen
Verbrennungsprocess zu fristen. Die Athmungs- und Herzbewegungen
bilden hier die Mechanik zur Erhaltung der Feuerung. Von diesen
Bewegungen wird nichts nach aussen abgegeben, die durch sie ge-
leistete Arbeit verschwindet im Körper selber, sie geht in Folge der
Reibung des Blutes an den Gefässwänden und der Muskeln an ihrer
Umgebung wieder in Wärme über. Alle solche innere Arbeit einer
Maschine kann man daher unmittelbar unter der freiwerdenden Wärme
in Rechnung bringen. Jede nach aussen übertragene Arbeit dagegen
geschieht auf Kosten der Wärmebildung: wenn also trotzdem der
Körper auf der gleichen Temperatur erhalten bleibt, so muss der Ver-
brennungsprocess gesteigert werden. Erfahrungsgemäss geschieht dies
in der Regel in stärkerem Maasse, als für die Erhaltung der Tempe-
ratur erforderlich wäre: die Wärme des arbeitenden Thierkörpers

Von der Wärme.
allen diesen langsamen Verbrennungen zersetzen sich nun auch, wenn
gleich in geringerem Maasse, die Verbrennungserreger, die Eiweiss-
körper; als das hauptsächlichste Product solcher Zersetzung ist das
Ammoniak zu betrachten.

In der Dampfmaschine entsteht aus der Verbrennung der Kohle
Wärme und mechanische Arbeit. In Wärmebildung und mechanischer
Arbeit bestehen auch die wesentlichsten Leistungen des Thierleibes. Auch
hier werden wir daher zu erwarten haben, dass die in einer gegebenen
Zeit gebildete Wärme und geleistete Arbeit zusammengenommen der
stattgehabten Verbrennung äquivalent sind. Es ist bis jetzt noch nicht
möglich gewesen diese Folgerung durch messende Versuche zu be-
stätigen: weder ist die Verbrennungswärme der thierischen Nahrungs-
stoffe bekannt noch existiren hinreichend zuverlässige Beobachtungen
über die von den Thieren entwickelte Wärmemenge. Doch finden
sich die bekannten Thatsachen sämmtlich mit jener Folgerung in
Uebereinstimmung. Sowohl in Folge mechanischer Arbeit wie erlitte-
ner Wärmeverluste tritt immer eine erhebliche Steigerung des Ver-
brennungsprocesses im Thierleibe ein, wie sich an dem erhöhten Ver-
brauch kohlenstoffhaltiger Nahrungsmittel und der vermehrten Bildung
der Kohlensäure zu erkennen giebt. Bei gesteigerter mechanischer
Arbeit wird in der Regel auch die Wärmebildung gesteigert, doch so
dass sie im Verhältniss zum verbrauchten Sauerstoff geringer ist als
bei ruhendem Körper. Wir werden hiernach den Thierkörper als eine
Maschine zu betrachten haben, welche durch fortwährende Heizung
sich stets auf einer gewissen Temperatur erhält, um jeden Augenblick
die gebildete Wärme in mechanische Arbeit umsetzen zu können,
ähnlich einem geheitzten, aber noch still stehenden Dampfwagen. Den-
ken wir uns, an dem letzteren befände sich eine Vorrichtung, mittelst
deren er durch seine eigene Dampfkraft fortwährend die Feuerung
unterhielte, so würde das Bild der Maschine des Thierleibes noch
näher kommen. Auch diese arbeitet fortwährend, um ihren eigenen
Verbrennungsprocess zu fristen. Die Athmungs- und Herzbewegungen
bilden hier die Mechanik zur Erhaltung der Feuerung. Von diesen
Bewegungen wird nichts nach aussen abgegeben, die durch sie ge-
leistete Arbeit verschwindet im Körper selber, sie geht in Folge der
Reibung des Blutes an den Gefässwänden und der Muskeln an ihrer
Umgebung wieder in Wärme über. Alle solche innere Arbeit einer
Maschine kann man daher unmittelbar unter der freiwerdenden Wärme
in Rechnung bringen. Jede nach aussen übertragene Arbeit dagegen
geschieht auf Kosten der Wärmebildung: wenn also trotzdem der
Körper auf der gleichen Temperatur erhalten bleibt, so muss der Ver-
brennungsprocess gesteigert werden. Erfahrungsgemäss geschieht dies
in der Regel in stärkerem Maasse, als für die Erhaltung der Tempe-
ratur erforderlich wäre: die Wärme des arbeitenden Thierkörpers

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0450" n="428"/><fw place="top" type="header">Von der Wärme.</fw><lb/>
allen diesen langsamen Verbrennungen zersetzen sich nun auch, wenn<lb/>
gleich in geringerem Maasse, die Verbrennungserreger, die Eiweiss-<lb/>
körper; als das hauptsächlichste Product solcher Zersetzung ist das<lb/>
Ammoniak zu betrachten.</p><lb/>
          <p>In der Dampfmaschine entsteht aus der Verbrennung der Kohle<lb/>
Wärme und mechanische Arbeit. In Wärmebildung und mechanischer<lb/>
Arbeit bestehen auch die wesentlichsten Leistungen des Thierleibes. Auch<lb/>
hier werden wir daher zu erwarten haben, dass die in einer gegebenen<lb/>
Zeit gebildete Wärme und geleistete Arbeit zusammengenommen der<lb/>
stattgehabten Verbrennung äquivalent sind. Es ist bis jetzt noch nicht<lb/>
möglich gewesen diese Folgerung durch messende Versuche zu be-<lb/>
stätigen: weder ist die Verbrennungswärme der thierischen Nahrungs-<lb/>
stoffe bekannt noch existiren hinreichend zuverlässige Beobachtungen<lb/>
über die von den Thieren entwickelte Wärmemenge. Doch finden<lb/>
sich die bekannten Thatsachen sämmtlich mit jener Folgerung in<lb/>
Uebereinstimmung. Sowohl in Folge mechanischer Arbeit wie erlitte-<lb/>
ner Wärmeverluste tritt immer eine erhebliche Steigerung des Ver-<lb/>
brennungsprocesses im Thierleibe ein, wie sich an dem erhöhten Ver-<lb/>
brauch kohlenstoffhaltiger Nahrungsmittel und der vermehrten Bildung<lb/>
der Kohlensäure zu erkennen giebt. Bei gesteigerter mechanischer<lb/>
Arbeit wird in der Regel auch die Wärmebildung gesteigert, doch so<lb/>
dass sie im Verhältniss zum verbrauchten Sauerstoff geringer ist als<lb/>
bei ruhendem Körper. Wir werden hiernach den Thierkörper als eine<lb/>
Maschine zu betrachten haben, welche durch fortwährende Heizung<lb/>
sich stets auf einer gewissen Temperatur erhält, um jeden Augenblick<lb/>
die gebildete Wärme in mechanische Arbeit umsetzen zu können,<lb/>
ähnlich einem geheitzten, aber noch still stehenden Dampfwagen. Den-<lb/>
ken wir uns, an dem letzteren befände sich eine Vorrichtung, mittelst<lb/>
deren er durch seine eigene Dampfkraft fortwährend die Feuerung<lb/>
unterhielte, so würde das Bild der Maschine des Thierleibes noch<lb/>
näher kommen. Auch diese arbeitet fortwährend, um ihren eigenen<lb/>
Verbrennungsprocess zu fristen. Die Athmungs- und Herzbewegungen<lb/>
bilden hier die Mechanik zur Erhaltung der Feuerung. Von diesen<lb/>
Bewegungen wird nichts nach aussen abgegeben, die durch sie ge-<lb/>
leistete Arbeit verschwindet im Körper selber, sie geht in Folge der<lb/>
Reibung des Blutes an den Gefässwänden und der Muskeln an ihrer<lb/>
Umgebung wieder in Wärme über. Alle solche innere Arbeit einer<lb/>
Maschine kann man daher unmittelbar unter der freiwerdenden Wärme<lb/>
in Rechnung bringen. Jede nach aussen übertragene Arbeit dagegen<lb/>
geschieht auf Kosten der Wärmebildung: wenn also trotzdem der<lb/>
Körper auf der gleichen Temperatur erhalten bleibt, so muss der Ver-<lb/>
brennungsprocess gesteigert werden. Erfahrungsgemäss geschieht dies<lb/>
in der Regel in stärkerem Maasse, als für die Erhaltung der Tempe-<lb/>
ratur erforderlich wäre: die Wärme des arbeitenden Thierkörpers<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[428/0450] Von der Wärme. allen diesen langsamen Verbrennungen zersetzen sich nun auch, wenn gleich in geringerem Maasse, die Verbrennungserreger, die Eiweiss- körper; als das hauptsächlichste Product solcher Zersetzung ist das Ammoniak zu betrachten. In der Dampfmaschine entsteht aus der Verbrennung der Kohle Wärme und mechanische Arbeit. In Wärmebildung und mechanischer Arbeit bestehen auch die wesentlichsten Leistungen des Thierleibes. Auch hier werden wir daher zu erwarten haben, dass die in einer gegebenen Zeit gebildete Wärme und geleistete Arbeit zusammengenommen der stattgehabten Verbrennung äquivalent sind. Es ist bis jetzt noch nicht möglich gewesen diese Folgerung durch messende Versuche zu be- stätigen: weder ist die Verbrennungswärme der thierischen Nahrungs- stoffe bekannt noch existiren hinreichend zuverlässige Beobachtungen über die von den Thieren entwickelte Wärmemenge. Doch finden sich die bekannten Thatsachen sämmtlich mit jener Folgerung in Uebereinstimmung. Sowohl in Folge mechanischer Arbeit wie erlitte- ner Wärmeverluste tritt immer eine erhebliche Steigerung des Ver- brennungsprocesses im Thierleibe ein, wie sich an dem erhöhten Ver- brauch kohlenstoffhaltiger Nahrungsmittel und der vermehrten Bildung der Kohlensäure zu erkennen giebt. Bei gesteigerter mechanischer Arbeit wird in der Regel auch die Wärmebildung gesteigert, doch so dass sie im Verhältniss zum verbrauchten Sauerstoff geringer ist als bei ruhendem Körper. Wir werden hiernach den Thierkörper als eine Maschine zu betrachten haben, welche durch fortwährende Heizung sich stets auf einer gewissen Temperatur erhält, um jeden Augenblick die gebildete Wärme in mechanische Arbeit umsetzen zu können, ähnlich einem geheitzten, aber noch still stehenden Dampfwagen. Den- ken wir uns, an dem letzteren befände sich eine Vorrichtung, mittelst deren er durch seine eigene Dampfkraft fortwährend die Feuerung unterhielte, so würde das Bild der Maschine des Thierleibes noch näher kommen. Auch diese arbeitet fortwährend, um ihren eigenen Verbrennungsprocess zu fristen. Die Athmungs- und Herzbewegungen bilden hier die Mechanik zur Erhaltung der Feuerung. Von diesen Bewegungen wird nichts nach aussen abgegeben, die durch sie ge- leistete Arbeit verschwindet im Körper selber, sie geht in Folge der Reibung des Blutes an den Gefässwänden und der Muskeln an ihrer Umgebung wieder in Wärme über. Alle solche innere Arbeit einer Maschine kann man daher unmittelbar unter der freiwerdenden Wärme in Rechnung bringen. Jede nach aussen übertragene Arbeit dagegen geschieht auf Kosten der Wärmebildung: wenn also trotzdem der Körper auf der gleichen Temperatur erhalten bleibt, so muss der Ver- brennungsprocess gesteigert werden. Erfahrungsgemäss geschieht dies in der Regel in stärkerem Maasse, als für die Erhaltung der Tempe- ratur erforderlich wäre: die Wärme des arbeitenden Thierkörpers

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/450
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/450>, abgerufen am 04.05.2024.