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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von dem Ursprung der Wärme und der Theorie der Wärmeerscheinungen.
Thierkörper zur Wärmebildung verwandt werden soll, erweist sich un-
haltbar derjenigen Anschauung gegenüber, welche wir uns auf dem
Boden der mechanischen Wärmetheorie von dem Kräftewechsel im
Thierkörper bilden müssen. Die vorwiegende Richtung der chemi-
schen Processe in diesem geht auf die Oxydation der kohlen- und
wasserstoffreichen, dagegen sauerstoffarmen Verbindungen der Eiweiss-
körper, Kohlenhydrate und Fette. Die sauerstoffreichen Endproducte,
in welche diese sehr zusammengesetzten Stoffe übergehen, sind Koh-
lensäure und Wasser, als deren Nebenproduct das bloss stickstoff-
und wasserstoffhaltige Ammoniak erscheint. Alle Leistungen des Thier-
körpers, mögen sie in vergrösserter Wärmebildung oder in Muskel-
arbeit bestehen, steigern die Aufnahme des zur Verbrennung dienenden
Sauerstoffs und die Ausscheidung von Kohlensäure und Wasser, wäh-
rend die Menge des stickstoffhaltigen Zersetzungsproducts, des Am-
moniak, entweder gleich bleibt oder sich wenig verändert. Der thie-
rische Organismus hat somit schon in Bezug auf die chemischen Pro-
cesse, die in ihm stattfinden, eine gewisse Aehnlichkeit mit einer
Dampfmaschine: hier wie dort besteht der Process wesentlich in einer
Verbrennung. Während der Maschine der Kohlen- und Wasserstoff
in der rohen Form von Holz oder Coaks als Nahrung dient, verbraucht
ihn der Thierkörper in der Form jener mannigfaltigen Verbindungen
des Pflanzen- und Thierleibes, die seine Nahrungsmittel zusammen-
setzen. Dagegen sind Kohlensäure und Wasser hier wie dort die
Endproducte der Verbrennung. Als Zersetzungsproduct des Thierleibes
tritt dann aber noch das Ammoniak hinzu, welches ohne Zweifel in
der besonderen Beschaffenheit des im Thierkörper stattfindenden Ver-
brennungsprocesses seinen eigentlichen Ursprung hat. Denken wir
uns nämlich, wir wollten eine Dampfmaschine statt mit Holz oder
Coaks mit den kohlen- und wasserstoffreichen Nahrungsmitteln des
Thierleibes heizen, so würden diese, einmal entzündet, nicht von selbst
fortbrennen, sondern wir würden fortwährend eine eigene Feuerung
zu ihrer Verbrennung unterhalten müssen. Aehnliches findet nun im
Thierleibe statt, mit dem Unterschied dass es sich in ihm um einen
langsamen und darum nach seiner chemischen Natur wesentlich
abweichenden Verbrennungsprocess handelt. Die Bestandtheile und
assimilirten Nahrungsstoffe des Thierleibes sind zu einer raschen und
unmittelbaren Verbrennung in Sauerstoffgas nicht geeignet, dagegen
vermögen sie unter der fortwährenden chemischen Einwirkung bestimm-
ter Körper einen langsamen Verbrennungsprocess einzugehen. Diese
eine langsame Oxydation unterhaltenden Körper sind die Eiweisskörper.
Die Oxydation im Thierleibe bildet nur einen besonderen Fall jener
unter der Einwirkung von Eiweisskörpern zu Stande kommenden lang-
samen Verbrennungen, von denen wir andere Fälle in der Gährung,
Verwesung und Fäulniss der organischen Substanzen kennen. Bei

Von dem Ursprung der Wärme und der Theorie der Wärmeerscheinungen.
Thierkörper zur Wärmebildung verwandt werden soll, erweist sich un-
haltbar derjenigen Anschauung gegenüber, welche wir uns auf dem
Boden der mechanischen Wärmetheorie von dem Kräftewechsel im
Thierkörper bilden müssen. Die vorwiegende Richtung der chemi-
schen Processe in diesem geht auf die Oxydation der kohlen- und
wasserstoffreichen, dagegen sauerstoffarmen Verbindungen der Eiweiss-
körper, Kohlenhydrate und Fette. Die sauerstoffreichen Endproducte,
in welche diese sehr zusammengesetzten Stoffe übergehen, sind Koh-
lensäure und Wasser, als deren Nebenproduct das bloss stickstoff-
und wasserstoffhaltige Ammoniak erscheint. Alle Leistungen des Thier-
körpers, mögen sie in vergrösserter Wärmebildung oder in Muskel-
arbeit bestehen, steigern die Aufnahme des zur Verbrennung dienenden
Sauerstoffs und die Ausscheidung von Kohlensäure und Wasser, wäh-
rend die Menge des stickstoffhaltigen Zersetzungsproducts, des Am-
moniak, entweder gleich bleibt oder sich wenig verändert. Der thie-
rische Organismus hat somit schon in Bezug auf die chemischen Pro-
cesse, die in ihm stattfinden, eine gewisse Aehnlichkeit mit einer
Dampfmaschine: hier wie dort besteht der Process wesentlich in einer
Verbrennung. Während der Maschine der Kohlen- und Wasserstoff
in der rohen Form von Holz oder Coaks als Nahrung dient, verbraucht
ihn der Thierkörper in der Form jener mannigfaltigen Verbindungen
des Pflanzen- und Thierleibes, die seine Nahrungsmittel zusammen-
setzen. Dagegen sind Kohlensäure und Wasser hier wie dort die
Endproducte der Verbrennung. Als Zersetzungsproduct des Thierleibes
tritt dann aber noch das Ammoniak hinzu, welches ohne Zweifel in
der besonderen Beschaffenheit des im Thierkörper stattfindenden Ver-
brennungsprocesses seinen eigentlichen Ursprung hat. Denken wir
uns nämlich, wir wollten eine Dampfmaschine statt mit Holz oder
Coaks mit den kohlen- und wasserstoffreichen Nahrungsmitteln des
Thierleibes heizen, so würden diese, einmal entzündet, nicht von selbst
fortbrennen, sondern wir würden fortwährend eine eigene Feuerung
zu ihrer Verbrennung unterhalten müssen. Aehnliches findet nun im
Thierleibe statt, mit dem Unterschied dass es sich in ihm um einen
langsamen und darum nach seiner chemischen Natur wesentlich
abweichenden Verbrennungsprocess handelt. Die Bestandtheile und
assimilirten Nahrungsstoffe des Thierleibes sind zu einer raschen und
unmittelbaren Verbrennung in Sauerstoffgas nicht geeignet, dagegen
vermögen sie unter der fortwährenden chemischen Einwirkung bestimm-
ter Körper einen langsamen Verbrennungsprocess einzugehen. Diese
eine langsame Oxydation unterhaltenden Körper sind die Eiweisskörper.
Die Oxydation im Thierleibe bildet nur einen besonderen Fall jener
unter der Einwirkung von Eiweisskörpern zu Stande kommenden lang-
samen Verbrennungen, von denen wir andere Fälle in der Gährung,
Verwesung und Fäulniss der organischen Substanzen kennen. Bei

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[427/0449] Von dem Ursprung der Wärme und der Theorie der Wärmeerscheinungen. Thierkörper zur Wärmebildung verwandt werden soll, erweist sich un- haltbar derjenigen Anschauung gegenüber, welche wir uns auf dem Boden der mechanischen Wärmetheorie von dem Kräftewechsel im Thierkörper bilden müssen. Die vorwiegende Richtung der chemi- schen Processe in diesem geht auf die Oxydation der kohlen- und wasserstoffreichen, dagegen sauerstoffarmen Verbindungen der Eiweiss- körper, Kohlenhydrate und Fette. Die sauerstoffreichen Endproducte, in welche diese sehr zusammengesetzten Stoffe übergehen, sind Koh- lensäure und Wasser, als deren Nebenproduct das bloss stickstoff- und wasserstoffhaltige Ammoniak erscheint. Alle Leistungen des Thier- körpers, mögen sie in vergrösserter Wärmebildung oder in Muskel- arbeit bestehen, steigern die Aufnahme des zur Verbrennung dienenden Sauerstoffs und die Ausscheidung von Kohlensäure und Wasser, wäh- rend die Menge des stickstoffhaltigen Zersetzungsproducts, des Am- moniak, entweder gleich bleibt oder sich wenig verändert. Der thie- rische Organismus hat somit schon in Bezug auf die chemischen Pro- cesse, die in ihm stattfinden, eine gewisse Aehnlichkeit mit einer Dampfmaschine: hier wie dort besteht der Process wesentlich in einer Verbrennung. Während der Maschine der Kohlen- und Wasserstoff in der rohen Form von Holz oder Coaks als Nahrung dient, verbraucht ihn der Thierkörper in der Form jener mannigfaltigen Verbindungen des Pflanzen- und Thierleibes, die seine Nahrungsmittel zusammen- setzen. Dagegen sind Kohlensäure und Wasser hier wie dort die Endproducte der Verbrennung. Als Zersetzungsproduct des Thierleibes tritt dann aber noch das Ammoniak hinzu, welches ohne Zweifel in der besonderen Beschaffenheit des im Thierkörper stattfindenden Ver- brennungsprocesses seinen eigentlichen Ursprung hat. Denken wir uns nämlich, wir wollten eine Dampfmaschine statt mit Holz oder Coaks mit den kohlen- und wasserstoffreichen Nahrungsmitteln des Thierleibes heizen, so würden diese, einmal entzündet, nicht von selbst fortbrennen, sondern wir würden fortwährend eine eigene Feuerung zu ihrer Verbrennung unterhalten müssen. Aehnliches findet nun im Thierleibe statt, mit dem Unterschied dass es sich in ihm um einen langsamen und darum nach seiner chemischen Natur wesentlich abweichenden Verbrennungsprocess handelt. Die Bestandtheile und assimilirten Nahrungsstoffe des Thierleibes sind zu einer raschen und unmittelbaren Verbrennung in Sauerstoffgas nicht geeignet, dagegen vermögen sie unter der fortwährenden chemischen Einwirkung bestimm- ter Körper einen langsamen Verbrennungsprocess einzugehen. Diese eine langsame Oxydation unterhaltenden Körper sind die Eiweisskörper. Die Oxydation im Thierleibe bildet nur einen besonderen Fall jener unter der Einwirkung von Eiweisskörpern zu Stande kommenden lang- samen Verbrennungen, von denen wir andere Fälle in der Gährung, Verwesung und Fäulniss der organischen Substanzen kennen. Bei

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/449>, abgerufen am 23.12.2024.