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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Latente und specifische Wärme.
Uebergang aus dem einen in den andern Aggregatzustand binden oder
frei machen, mit einander vergleichen zu können, muss man ein Maass
für die einem Körper zugeführte oder entzogene Menge freier Wärme
besitzen. In der durch das Thermometer angegebenen Temperatur
eines Körpers ist natürlich ein solches Maass der Wärmemenge noch
nicht enthalten. Denn 1) ist offenbar eine um so grössere Wärme-
menge nothwendig, um einen Körper auf eine bestimmte Temperatur
zu erwärmen, je grösser die Masse des Körpers ist. Wenn ich ein-
mal 1 Pfund, ein anderesmal 2 Pfund Wasser um 1° erwärme, so zeigt
das Thermometer in beiden Fällen die nämliche Temperatur: nichts
destoweniger ist offenbar im zweiten Fall die doppelte Wärme erfor-
derlich. Ausserdem können 2) zwei verschiedene Körper von gleicher
Masse verschiedene Wärmemengen verbrauchen, damit ihre Tempera-
tur um eine bestimmte Anzahl von Graden sich steigere. Um die
Wärmemengen messen zu können, müssen wir sie daher auf diejenige
Temperaturerhöhung zurückbeziehen, die ein bestimmtes Gewicht eines
bestimmten Körpers durch dieselben erfahren würde. Man hat als
solchen Körper das Wasser gewählt und ist übereingekommen dieje-
nige Wärmemenge, die 1 Kilogr. Wasser von 0° in 1 Kilogr. Wasser
von 1° verwandelt, eine Wärmeeinheit oder eine Calorie zu
nennen. Auf diese Weise ist z. B. die Wärmemenge, die verbraucht
wird, um 1 Kilogr. Eis oder Schnee von 0° in 1 Kilogr. Wasser von
0° zu verwandeln, zu 79,2 Wärmeeinheiten bestimmt worden. Um 1 Ki-
logr. Eis von 0° in 1 Kilogr. Wasser von 0° umzuwandeln ist also
eine ebenso grosse Wärme erforderlich, als um 79,2 Kilogr. Wasser
von 0° um 1°C. zu erwärmen. Man sagt daher einfach, die latente
Wärme des Wassers sei = 79,2 Wärmeeinheiten. Hierin ist ausge-
drückt, dass, sobald Wasser gefriert, 79,2 Wärmeeinheiten frei wer-
den, und dass umgekehrt, sobald Eis schmilzt, 79,2 Wärmeeinheiten
gebunden werden. Die latente Wärme des Wasserdampfes hat man
dagegen = 550 Wärmeeinheiten gefunden, d. h. jedesmal wenn 1 Ki-
logr. Wasser verdampft, werden 550 Wärmeeinheiten latent, und wenn
1 Kilogr. Dampf zu Wasser wird, werden ebenso viel Wärmeeinhei-
ten frei.

Vergleicht man nun nach dem angegebenen Maasse die latente261
Latente Wärme
verschiedener
Flüssigkeiten
und Gase. Con-
densirte Gase.
Kältemischun-
gen.

Wärme verschiedener flüssiger und gasförmiger Körper, so zeigen sich
nicht unerhebliche Unterschiede. In der folgenden Tabelle sind einige
dieser Bestimmungen angeführt.

Latente Wärme von Flüssigkeiten:


Wasser79,25Blei5,37
Phosphor5,03Quecksilber2,83
Schwefel9,36Zink28,13
Zinn14,25Silber21,07

Latente und specifische Wärme.
Uebergang aus dem einen in den andern Aggregatzustand binden oder
frei machen, mit einander vergleichen zu können, muss man ein Maass
für die einem Körper zugeführte oder entzogene Menge freier Wärme
besitzen. In der durch das Thermometer angegebenen Temperatur
eines Körpers ist natürlich ein solches Maass der Wärmemenge noch
nicht enthalten. Denn 1) ist offenbar eine um so grössere Wärme-
menge nothwendig, um einen Körper auf eine bestimmte Temperatur
zu erwärmen, je grösser die Masse des Körpers ist. Wenn ich ein-
mal 1 Pfund, ein anderesmal 2 Pfund Wasser um 1° erwärme, so zeigt
das Thermometer in beiden Fällen die nämliche Temperatur: nichts
destoweniger ist offenbar im zweiten Fall die doppelte Wärme erfor-
derlich. Ausserdem können 2) zwei verschiedene Körper von gleicher
Masse verschiedene Wärmemengen verbrauchen, damit ihre Tempera-
tur um eine bestimmte Anzahl von Graden sich steigere. Um die
Wärmemengen messen zu können, müssen wir sie daher auf diejenige
Temperaturerhöhung zurückbeziehen, die ein bestimmtes Gewicht eines
bestimmten Körpers durch dieselben erfahren würde. Man hat als
solchen Körper das Wasser gewählt und ist übereingekommen dieje-
nige Wärmemenge, die 1 Kilogr. Wasser von 0° in 1 Kilogr. Wasser
von 1° verwandelt, eine Wärmeeinheit oder eine Calorie zu
nennen. Auf diese Weise ist z. B. die Wärmemenge, die verbraucht
wird, um 1 Kilogr. Eis oder Schnee von 0° in 1 Kilogr. Wasser von
0° zu verwandeln, zu 79,2 Wärmeeinheiten bestimmt worden. Um 1 Ki-
logr. Eis von 0° in 1 Kilogr. Wasser von 0° umzuwandeln ist also
eine ebenso grosse Wärme erforderlich, als um 79,2 Kilogr. Wasser
von 0° um 1°C. zu erwärmen. Man sagt daher einfach, die latente
Wärme des Wassers sei = 79,2 Wärmeeinheiten. Hierin ist ausge-
drückt, dass, sobald Wasser gefriert, 79,2 Wärmeeinheiten frei wer-
den, und dass umgekehrt, sobald Eis schmilzt, 79,2 Wärmeeinheiten
gebunden werden. Die latente Wärme des Wasserdampfes hat man
dagegen = 550 Wärmeeinheiten gefunden, d. h. jedesmal wenn 1 Ki-
logr. Wasser verdampft, werden 550 Wärmeeinheiten latent, und wenn
1 Kilogr. Dampf zu Wasser wird, werden ebenso viel Wärmeeinhei-
ten frei.

Vergleicht man nun nach dem angegebenen Maasse die latente261
Latente Wärme
verschiedener
Flüssigkeiten
und Gase. Con-
densirte Gase.
Kältemischun-
gen.

Wärme verschiedener flüssiger und gasförmiger Körper, so zeigen sich
nicht unerhebliche Unterschiede. In der folgenden Tabelle sind einige
dieser Bestimmungen angeführt.

Latente Wärme von Flüssigkeiten:


Wasser79,25Blei5,37
Phosphor5,03Quecksilber2,83
Schwefel9,36Zink28,13
Zinn14,25Silber21,07
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[393/0415] Latente und specifische Wärme. Uebergang aus dem einen in den andern Aggregatzustand binden oder frei machen, mit einander vergleichen zu können, muss man ein Maass für die einem Körper zugeführte oder entzogene Menge freier Wärme besitzen. In der durch das Thermometer angegebenen Temperatur eines Körpers ist natürlich ein solches Maass der Wärmemenge noch nicht enthalten. Denn 1) ist offenbar eine um so grössere Wärme- menge nothwendig, um einen Körper auf eine bestimmte Temperatur zu erwärmen, je grösser die Masse des Körpers ist. Wenn ich ein- mal 1 Pfund, ein anderesmal 2 Pfund Wasser um 1° erwärme, so zeigt das Thermometer in beiden Fällen die nämliche Temperatur: nichts destoweniger ist offenbar im zweiten Fall die doppelte Wärme erfor- derlich. Ausserdem können 2) zwei verschiedene Körper von gleicher Masse verschiedene Wärmemengen verbrauchen, damit ihre Tempera- tur um eine bestimmte Anzahl von Graden sich steigere. Um die Wärmemengen messen zu können, müssen wir sie daher auf diejenige Temperaturerhöhung zurückbeziehen, die ein bestimmtes Gewicht eines bestimmten Körpers durch dieselben erfahren würde. Man hat als solchen Körper das Wasser gewählt und ist übereingekommen dieje- nige Wärmemenge, die 1 Kilogr. Wasser von 0° in 1 Kilogr. Wasser von 1° verwandelt, eine Wärmeeinheit oder eine Calorie zu nennen. Auf diese Weise ist z. B. die Wärmemenge, die verbraucht wird, um 1 Kilogr. Eis oder Schnee von 0° in 1 Kilogr. Wasser von 0° zu verwandeln, zu 79,2 Wärmeeinheiten bestimmt worden. Um 1 Ki- logr. Eis von 0° in 1 Kilogr. Wasser von 0° umzuwandeln ist also eine ebenso grosse Wärme erforderlich, als um 79,2 Kilogr. Wasser von 0° um 1°C. zu erwärmen. Man sagt daher einfach, die latente Wärme des Wassers sei = 79,2 Wärmeeinheiten. Hierin ist ausge- drückt, dass, sobald Wasser gefriert, 79,2 Wärmeeinheiten frei wer- den, und dass umgekehrt, sobald Eis schmilzt, 79,2 Wärmeeinheiten gebunden werden. Die latente Wärme des Wasserdampfes hat man dagegen = 550 Wärmeeinheiten gefunden, d. h. jedesmal wenn 1 Ki- logr. Wasser verdampft, werden 550 Wärmeeinheiten latent, und wenn 1 Kilogr. Dampf zu Wasser wird, werden ebenso viel Wärmeeinhei- ten frei. Vergleicht man nun nach dem angegebenen Maasse die latente Wärme verschiedener flüssiger und gasförmiger Körper, so zeigen sich nicht unerhebliche Unterschiede. In der folgenden Tabelle sind einige dieser Bestimmungen angeführt. 261 Latente Wärme verschiedener Flüssigkeiten und Gase. Con- densirte Gase. Kältemischun- gen. Latente Wärme von Flüssigkeiten: Wasser 79,25 Blei 5,37 Phosphor 5,03 Quecksilber 2,83 Schwefel 9,36 Zink 28,13 Zinn 14,25 Silber 21,07

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/415>, abgerufen am 04.05.2024.