Man erhält dieselben latenten Wärmemengen, wenn die Aende- rungen des Aggregatzustandes nicht durch Zufuhr oder Entziehung von Wärme sondern auf irgend einem anderen Wege zu Stande kom- men. Wenn man z. B Wasserdampf durch erhöhten Druck unter der Compressionspumpe (§. 100) in den flüssigen Zustand überführt, so werden gerade so 550 Wärmeeinheiten frei, als wenn dies durch Abkühlung geschieht. Ebenso wird Wärme gebunden, wenn man Salze in Wasser löst. Nach den Versuchen von Person nimmt die Menge der zur Lösung eines bestimmten Gewichtstheiles Salz verbrauch- ten Wärme mit der Concentration ab. Man erklärt sich dies daraus, dass der Vorgang der Lösung in zwei Acte zerfällt, erstens in die Ueberführung des Salzes in den flüssigen Zustand und zweitens in die Vertheilung des gelösten Salzes im Wasser. Die latent werdende Wärme bei dem ersten dieser Acte ist natürlich der Menge des ge- lösten Salzes proportional, diejenige bei dem zweiten aber nimmt zu mit der Menge überschüssiger Flüssigkeit, die nicht zur Lösung erfor- derlich ist. Dass in der That schon die blosse Vertheilung bereits ge- lösten Salzes in Wasser Wärme latent macht, ergiebt sich aus der Temperaturabnahme, die jedesmal eintritt, wenn man die concentrirte Lösung eines Salzes verdünnt.
Die auf anderem Weg als demjenigen des Schmelzens oder Verdampfens durch Wärmezufuhr hervorgerufene Latentmachung der Wärme benützt man zur Herstellung bedeutender Kältegrade. Die Kohlensäure wird bei 0° unter einem Druck von etwa 38 Atmosphären flüssig. Bringt man solche flüssige Kohlensäure an die Luft, so ver- dampft ein Theil derselben sehr rasch; durch die bedeutende Erkältung, die hierbei eintritt, geht dann der Rest der flüssigen Kohlensäure in den festen Zustand über. Bringt man nun solche feste Kohlensäure, die selbst schon eine Temperatur von -- 70° hat, mit Aether zusammen, und befördert man die rasche Verdampfung dadurch, dass man das Gemisch unter die Luftpumpe setzt, so lassen sich Temperaturen herstellen, die unter -- 100°C. hinabreichen. Die niedrigen Temperaturgrade, die so bei der Verdampfung der festen Kohlensäure entstehen, haben es Faraday möglich gemacht noch andere Gase, die schwerer zu condensiren sind, wie Ammoniak, schweflige Säure, Stickoxydul u. s. w., in den flüssigen und festen Zustand überzuführen. Bei gewöhn- lichem Atmosphärendruck waren folgendes die Schmelzpunkte der wichtigeren dieser bis jetzt condensirten Gase:
Kohlensäure -- 58°
Schweflige Säure -- 76°
Ammoniak -- 75°
Schwefelwasserstoff -- 86°
Stickoxydul -- 105°
Bei der Annäherung an die Temperatur, bei der sie in den flüssigen Zustand übergehen, zeigen diese Gase, und ebenso einige andere, die bis jetzt wohl in den flüssigen, aber nicht in den festen Zustand übergeführt werden konnten (wie ölbilden- des Gas, Chlorwasserstoff), genau dieselben Erscheinungen wie die Dämpfe, namentlich im nämlichen Sinne Abweichungen vom Mariotte'schen und Gay-Lussac'schen Gesetz.
Von der Wärme.
Latente Wärme von Dämpfen:
Wasserdampf
550
Aetherdampf
89,96
Alkoholdampf
210
Terpentinöldampf
74,04
Man erhält dieselben latenten Wärmemengen, wenn die Aende- rungen des Aggregatzustandes nicht durch Zufuhr oder Entziehung von Wärme sondern auf irgend einem anderen Wege zu Stande kom- men. Wenn man z. B Wasserdampf durch erhöhten Druck unter der Compressionspumpe (§. 100) in den flüssigen Zustand überführt, so werden gerade so 550 Wärmeeinheiten frei, als wenn dies durch Abkühlung geschieht. Ebenso wird Wärme gebunden, wenn man Salze in Wasser löst. Nach den Versuchen von Person nimmt die Menge der zur Lösung eines bestimmten Gewichtstheiles Salz verbrauch- ten Wärme mit der Concentration ab. Man erklärt sich dies daraus, dass der Vorgang der Lösung in zwei Acte zerfällt, erstens in die Ueberführung des Salzes in den flüssigen Zustand und zweitens in die Vertheilung des gelösten Salzes im Wasser. Die latent werdende Wärme bei dem ersten dieser Acte ist natürlich der Menge des ge- lösten Salzes proportional, diejenige bei dem zweiten aber nimmt zu mit der Menge überschüssiger Flüssigkeit, die nicht zur Lösung erfor- derlich ist. Dass in der That schon die blosse Vertheilung bereits ge- lösten Salzes in Wasser Wärme latent macht, ergiebt sich aus der Temperaturabnahme, die jedesmal eintritt, wenn man die concentrirte Lösung eines Salzes verdünnt.
Die auf anderem Weg als demjenigen des Schmelzens oder Verdampfens durch Wärmezufuhr hervorgerufene Latentmachung der Wärme benützt man zur Herstellung bedeutender Kältegrade. Die Kohlensäure wird bei 0° unter einem Druck von etwa 38 Atmosphären flüssig. Bringt man solche flüssige Kohlensäure an die Luft, so ver- dampft ein Theil derselben sehr rasch; durch die bedeutende Erkältung, die hierbei eintritt, geht dann der Rest der flüssigen Kohlensäure in den festen Zustand über. Bringt man nun solche feste Kohlensäure, die selbst schon eine Temperatur von — 70° hat, mit Aether zusammen, und befördert man die rasche Verdampfung dadurch, dass man das Gemisch unter die Luftpumpe setzt, so lassen sich Temperaturen herstellen, die unter — 100°C. hinabreichen. Die niedrigen Temperaturgrade, die so bei der Verdampfung der festen Kohlensäure entstehen, haben es Faraday möglich gemacht noch andere Gase, die schwerer zu condensiren sind, wie Ammoniak, schweflige Säure, Stickoxydul u. s. w., in den flüssigen und festen Zustand überzuführen. Bei gewöhn- lichem Atmosphärendruck waren folgendes die Schmelzpunkte der wichtigeren dieser bis jetzt condensirten Gase:
Kohlensäure — 58°
Schweflige Säure — 76°
Ammoniak — 75°
Schwefelwasserstoff — 86°
Stickoxydul — 105°
Bei der Annäherung an die Temperatur, bei der sie in den flüssigen Zustand übergehen, zeigen diese Gase, und ebenso einige andere, die bis jetzt wohl in den flüssigen, aber nicht in den festen Zustand übergeführt werden konnten (wie ölbilden- des Gas, Chlorwasserstoff), genau dieselben Erscheinungen wie die Dämpfe, namentlich im nämlichen Sinne Abweichungen vom Mariotte’schen und Gay-Lussac’schen Gesetz.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0416"n="394"/><fwplace="top"type="header">Von der Wärme.</fw><lb/><p>Latente Wärme von Dämpfen:</p><lb/><table><row><cell>Wasserdampf</cell><cell>550</cell><cell>Aetherdampf</cell><cell>89,96<lb/></cell></row><row><cell>Alkoholdampf</cell><cell>210</cell><cell>Terpentinöldampf</cell><cell>74,04<lb/></cell></row></table><lb/><p>Man erhält dieselben latenten Wärmemengen, wenn die Aende-<lb/>
rungen des Aggregatzustandes nicht durch Zufuhr oder Entziehung<lb/>
von Wärme sondern auf irgend einem anderen Wege zu Stande kom-<lb/>
men. Wenn man z. B Wasserdampf durch erhöhten Druck unter der<lb/>
Compressionspumpe (§. 100) in den flüssigen Zustand überführt, so<lb/>
werden gerade so 550 Wärmeeinheiten frei, als wenn dies durch<lb/>
Abkühlung geschieht. Ebenso wird Wärme gebunden, wenn man<lb/>
Salze in Wasser löst. Nach den Versuchen von <hirendition="#g">Person</hi> nimmt die<lb/>
Menge der zur Lösung eines bestimmten Gewichtstheiles Salz verbrauch-<lb/>
ten Wärme mit der Concentration ab. Man erklärt sich dies daraus,<lb/>
dass der Vorgang der Lösung in zwei Acte zerfällt, erstens in die<lb/>
Ueberführung des Salzes in den flüssigen Zustand und zweitens in<lb/>
die Vertheilung des gelösten Salzes im Wasser. Die latent werdende<lb/>
Wärme bei dem ersten dieser Acte ist natürlich der Menge des ge-<lb/>
lösten Salzes proportional, diejenige bei dem zweiten <choice><sic>aher</sic><corr>aber</corr></choice> nimmt zu<lb/>
mit der Menge überschüssiger Flüssigkeit, die nicht zur Lösung erfor-<lb/>
derlich ist. Dass in der That schon die blosse Vertheilung bereits ge-<lb/>
lösten Salzes in Wasser Wärme latent macht, ergiebt sich aus der<lb/>
Temperaturabnahme, die jedesmal eintritt, wenn man die concentrirte<lb/>
Lösung eines Salzes verdünnt.</p><lb/><p>Die auf anderem Weg als demjenigen des Schmelzens oder Verdampfens durch<lb/>
Wärmezufuhr hervorgerufene Latentmachung der Wärme benützt man zur Herstellung<lb/>
bedeutender Kältegrade. Die Kohlensäure wird bei 0° unter einem Druck von etwa<lb/>
38 Atmosphären flüssig. Bringt man solche flüssige Kohlensäure an die Luft, so ver-<lb/>
dampft ein Theil derselben sehr rasch; durch die bedeutende Erkältung, die hierbei<lb/>
eintritt, geht dann der Rest der flüssigen Kohlensäure in den festen Zustand über.<lb/>
Bringt man nun solche feste Kohlensäure, die selbst schon eine Temperatur von — 70°<lb/>
hat, mit Aether zusammen, und befördert man die rasche Verdampfung dadurch, dass<lb/>
man das Gemisch unter die Luftpumpe setzt, so lassen sich Temperaturen herstellen,<lb/>
die unter — 100°C. hinabreichen. Die niedrigen Temperaturgrade, die so bei der<lb/>
Verdampfung der festen Kohlensäure entstehen, haben es <hirendition="#g">Faraday</hi> möglich gemacht<lb/>
noch andere Gase, die schwerer zu condensiren sind, wie Ammoniak, schweflige Säure,<lb/>
Stickoxydul u. s. w., in den flüssigen und festen Zustand überzuführen. Bei gewöhn-<lb/>
lichem Atmosphärendruck waren folgendes die Schmelzpunkte der wichtigeren dieser<lb/>
bis jetzt condensirten Gase:</p><lb/><table><row><cell>Kohlensäure — 58°</cell><cell>Schweflige Säure — 76°<lb/></cell></row><row><cell>Ammoniak — 75°</cell><cell>Schwefelwasserstoff — 86°<lb/></cell></row><row><cellcols="2">Stickoxydul — 105°</cell></row></table><lb/><p>Bei der Annäherung an die Temperatur, bei der sie in den flüssigen Zustand<lb/>
übergehen, zeigen diese Gase, und ebenso einige andere, die bis jetzt wohl in den<lb/>
flüssigen, aber nicht in den festen Zustand übergeführt werden konnten (wie ölbilden-<lb/>
des Gas, Chlorwasserstoff), genau dieselben Erscheinungen wie die Dämpfe, namentlich<lb/>
im nämlichen Sinne Abweichungen vom <hirendition="#g">Mariotte</hi>’schen und <hirendition="#g">Gay-Lussac</hi>’schen Gesetz.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[394/0416]
Von der Wärme.
Latente Wärme von Dämpfen:
Wasserdampf 550 Aetherdampf 89,96
Alkoholdampf 210 Terpentinöldampf 74,04
Man erhält dieselben latenten Wärmemengen, wenn die Aende-
rungen des Aggregatzustandes nicht durch Zufuhr oder Entziehung
von Wärme sondern auf irgend einem anderen Wege zu Stande kom-
men. Wenn man z. B Wasserdampf durch erhöhten Druck unter der
Compressionspumpe (§. 100) in den flüssigen Zustand überführt, so
werden gerade so 550 Wärmeeinheiten frei, als wenn dies durch
Abkühlung geschieht. Ebenso wird Wärme gebunden, wenn man
Salze in Wasser löst. Nach den Versuchen von Person nimmt die
Menge der zur Lösung eines bestimmten Gewichtstheiles Salz verbrauch-
ten Wärme mit der Concentration ab. Man erklärt sich dies daraus,
dass der Vorgang der Lösung in zwei Acte zerfällt, erstens in die
Ueberführung des Salzes in den flüssigen Zustand und zweitens in
die Vertheilung des gelösten Salzes im Wasser. Die latent werdende
Wärme bei dem ersten dieser Acte ist natürlich der Menge des ge-
lösten Salzes proportional, diejenige bei dem zweiten aber nimmt zu
mit der Menge überschüssiger Flüssigkeit, die nicht zur Lösung erfor-
derlich ist. Dass in der That schon die blosse Vertheilung bereits ge-
lösten Salzes in Wasser Wärme latent macht, ergiebt sich aus der
Temperaturabnahme, die jedesmal eintritt, wenn man die concentrirte
Lösung eines Salzes verdünnt.
Die auf anderem Weg als demjenigen des Schmelzens oder Verdampfens durch
Wärmezufuhr hervorgerufene Latentmachung der Wärme benützt man zur Herstellung
bedeutender Kältegrade. Die Kohlensäure wird bei 0° unter einem Druck von etwa
38 Atmosphären flüssig. Bringt man solche flüssige Kohlensäure an die Luft, so ver-
dampft ein Theil derselben sehr rasch; durch die bedeutende Erkältung, die hierbei
eintritt, geht dann der Rest der flüssigen Kohlensäure in den festen Zustand über.
Bringt man nun solche feste Kohlensäure, die selbst schon eine Temperatur von — 70°
hat, mit Aether zusammen, und befördert man die rasche Verdampfung dadurch, dass
man das Gemisch unter die Luftpumpe setzt, so lassen sich Temperaturen herstellen,
die unter — 100°C. hinabreichen. Die niedrigen Temperaturgrade, die so bei der
Verdampfung der festen Kohlensäure entstehen, haben es Faraday möglich gemacht
noch andere Gase, die schwerer zu condensiren sind, wie Ammoniak, schweflige Säure,
Stickoxydul u. s. w., in den flüssigen und festen Zustand überzuführen. Bei gewöhn-
lichem Atmosphärendruck waren folgendes die Schmelzpunkte der wichtigeren dieser
bis jetzt condensirten Gase:
Kohlensäure — 58° Schweflige Säure — 76°
Ammoniak — 75° Schwefelwasserstoff — 86°
Stickoxydul — 105°
Bei der Annäherung an die Temperatur, bei der sie in den flüssigen Zustand
übergehen, zeigen diese Gase, und ebenso einige andere, die bis jetzt wohl in den
flüssigen, aber nicht in den festen Zustand übergeführt werden konnten (wie ölbilden-
des Gas, Chlorwasserstoff), genau dieselben Erscheinungen wie die Dämpfe, namentlich
im nämlichen Sinne Abweichungen vom Mariotte’schen und Gay-Lussac’schen Gesetz.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/416>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.