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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von dem Lichte.
Strahl m o vollständig, es wird gar kein Licht mehr von c d reflec-
tirt. Die beiden Spiegel verhalten sich also ähnlich zu einander wie
zwei Turmalinplatten: und in der That können wir auch jeden dieser
Spiegel durch eine Turmalinplatte ersetzen. Lassen wir den reflectir-
ten Strahl m o, statt ihn auf einen zweiten Spiegel zu leiten, bei t t
durch eine Turmalinplatte treten, so kommt der Strahl m o für ein
oberhalb t t befindliches Auge bald zum Vorschein, bald zum Ver-
schwinden, je nach der Stellung die wir der Platte zum Strahl m o
geben. Ist t t die Richtung der Hauptaxe des Turmalins, befindet
sich dieselbe also in der Reflexionsebene des Strahls, so verschwindet
das Licht beim Hindurchtritt; ist dagegen die Hauptaxe des Turma-
lins um 90° gegen diese Ebene gedreht, so geht der Strahl m o nahezu
ungestört durch die Turmalinplatte. Da nun (nach §. 211) die Pola-
risationsebene desjenigen Lichtes, das der Turmalin zum Verschwin-
den bringt, die durch den Strahl und die Hauptaxe des Turmalins
gelegte Ebene ist, so folgt, dass das von dem Spiegel a b reflectirte
Licht in derselben Ebene, also in der Einfallsebene l m o, polarisirt
ist. Die Schwingungen in dem Strahl m o erfolgen daher, wie dies
durch die Punkte in Fig. 156 angedeutet wurde, in einer auf jener
Ebene senkrechten Richtung. Für das hieraus abstrahirte Gesetz,
dass bei der Reflexion eine Polarisation erfolgt, für welche die Pola-
risationsebene mit der Einfallsebene zusammenfällt, liefert nun der
Erfolg der Reflexion an der zweiten Glasplatte c d die unmittelbare
Bestätigung. Wie ein Turmalin polarisirte Strahlen nur bei einer sol-
chen Stellung durchlässt, bei welcher er selbst in unpolarisirtem Licht
die gleiche Polarisation erzeugen würde, so muss auch der Spiegel
c d den polarisirten Strahl m o nur dann in normaler Weise reflec-
tiren, wenn er die nämliche Lage zu demselben besitzt, wie der Spie-
gel a b zu dem Strahl l m, wenn also die Polarisationsebene des auf
c d fallenden Strahls mit der Einfallsebene, d. h. mit der durch m o
und das Einfallsloth gelegten Ebene, zusammenfällt. Dagegen kann
der Strahl m o gar nicht reflectirt werden, wenn die Einfallsebene
senkrecht auf seiner Polarisationsebene steht.

Man erhält dieselben Erscheinungen, wenn man statt der Spiegel
aus Glas andere ebene Flächen durchsichtiger Substanzen anwendet:
nur wird hierbei der Winkel, unter welchem man das Licht auf die
spiegelnde Fläche fallen lassen muss, um eine vollständige Polarisa-
tion nach der Einfallsebene zu erhalten, ein anderer als 55°. Man
bezeichnet diesen, jeder durchsichtigen Substanz eigenthümlichen Win-
kel als den Polarisationswinkel. Nach einem von Brewster
entdeckten Gesetze steht der Polarisationswinkel in directer Beziehung
zu dem Brechungsvermögen, indem derjenige Einfallswinkel, welcher
den Brechungswinkel des betreffenden Mediums zu einem rechten er-
gänzt, der Polarisationswinkel ist. Hieraus kann man leicht den Po-

Von dem Lichte.
Strahl m o vollständig, es wird gar kein Licht mehr von c d reflec-
tirt. Die beiden Spiegel verhalten sich also ähnlich zu einander wie
zwei Turmalinplatten: und in der That können wir auch jeden dieser
Spiegel durch eine Turmalinplatte ersetzen. Lassen wir den reflectir-
ten Strahl m o, statt ihn auf einen zweiten Spiegel zu leiten, bei t t
durch eine Turmalinplatte treten, so kommt der Strahl m o für ein
oberhalb t t befindliches Auge bald zum Vorschein, bald zum Ver-
schwinden, je nach der Stellung die wir der Platte zum Strahl m o
geben. Ist t t die Richtung der Hauptaxe des Turmalins, befindet
sich dieselbe also in der Reflexionsebene des Strahls, so verschwindet
das Licht beim Hindurchtritt; ist dagegen die Hauptaxe des Turma-
lins um 90° gegen diese Ebene gedreht, so geht der Strahl m o nahezu
ungestört durch die Turmalinplatte. Da nun (nach §. 211) die Pola-
risationsebene desjenigen Lichtes, das der Turmalin zum Verschwin-
den bringt, die durch den Strahl und die Hauptaxe des Turmalins
gelegte Ebene ist, so folgt, dass das von dem Spiegel a b reflectirte
Licht in derselben Ebene, also in der Einfallsebene l m o, polarisirt
ist. Die Schwingungen in dem Strahl m o erfolgen daher, wie dies
durch die Punkte in Fig. 156 angedeutet wurde, in einer auf jener
Ebene senkrechten Richtung. Für das hieraus abstrahirte Gesetz,
dass bei der Reflexion eine Polarisation erfolgt, für welche die Pola-
risationsebene mit der Einfallsebene zusammenfällt, liefert nun der
Erfolg der Reflexion an der zweiten Glasplatte c d die unmittelbare
Bestätigung. Wie ein Turmalin polarisirte Strahlen nur bei einer sol-
chen Stellung durchlässt, bei welcher er selbst in unpolarisirtem Licht
die gleiche Polarisation erzeugen würde, so muss auch der Spiegel
c d den polarisirten Strahl m o nur dann in normaler Weise reflec-
tiren, wenn er die nämliche Lage zu demselben besitzt, wie der Spie-
gel a b zu dem Strahl l m, wenn also die Polarisationsebene des auf
c d fallenden Strahls mit der Einfallsebene, d. h. mit der durch m o
und das Einfallsloth gelegten Ebene, zusammenfällt. Dagegen kann
der Strahl m o gar nicht reflectirt werden, wenn die Einfallsebene
senkrecht auf seiner Polarisationsebene steht.

Man erhält dieselben Erscheinungen, wenn man statt der Spiegel
aus Glas andere ebene Flächen durchsichtiger Substanzen anwendet:
nur wird hierbei der Winkel, unter welchem man das Licht auf die
spiegelnde Fläche fallen lassen muss, um eine vollständige Polarisa-
tion nach der Einfallsebene zu erhalten, ein anderer als 55°. Man
bezeichnet diesen, jeder durchsichtigen Substanz eigenthümlichen Win-
kel als den Polarisationswinkel. Nach einem von Brewster
entdeckten Gesetze steht der Polarisationswinkel in directer Beziehung
zu dem Brechungsvermögen, indem derjenige Einfallswinkel, welcher
den Brechungswinkel des betreffenden Mediums zu einem rechten er-
gänzt, der Polarisationswinkel ist. Hieraus kann man leicht den Po-

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[322/0344] Von dem Lichte. Strahl m o vollständig, es wird gar kein Licht mehr von c d reflec- tirt. Die beiden Spiegel verhalten sich also ähnlich zu einander wie zwei Turmalinplatten: und in der That können wir auch jeden dieser Spiegel durch eine Turmalinplatte ersetzen. Lassen wir den reflectir- ten Strahl m o, statt ihn auf einen zweiten Spiegel zu leiten, bei t t durch eine Turmalinplatte treten, so kommt der Strahl m o für ein oberhalb t t befindliches Auge bald zum Vorschein, bald zum Ver- schwinden, je nach der Stellung die wir der Platte zum Strahl m o geben. Ist t t die Richtung der Hauptaxe des Turmalins, befindet sich dieselbe also in der Reflexionsebene des Strahls, so verschwindet das Licht beim Hindurchtritt; ist dagegen die Hauptaxe des Turma- lins um 90° gegen diese Ebene gedreht, so geht der Strahl m o nahezu ungestört durch die Turmalinplatte. Da nun (nach §. 211) die Pola- risationsebene desjenigen Lichtes, das der Turmalin zum Verschwin- den bringt, die durch den Strahl und die Hauptaxe des Turmalins gelegte Ebene ist, so folgt, dass das von dem Spiegel a b reflectirte Licht in derselben Ebene, also in der Einfallsebene l m o, polarisirt ist. Die Schwingungen in dem Strahl m o erfolgen daher, wie dies durch die Punkte in Fig. 156 angedeutet wurde, in einer auf jener Ebene senkrechten Richtung. Für das hieraus abstrahirte Gesetz, dass bei der Reflexion eine Polarisation erfolgt, für welche die Pola- risationsebene mit der Einfallsebene zusammenfällt, liefert nun der Erfolg der Reflexion an der zweiten Glasplatte c d die unmittelbare Bestätigung. Wie ein Turmalin polarisirte Strahlen nur bei einer sol- chen Stellung durchlässt, bei welcher er selbst in unpolarisirtem Licht die gleiche Polarisation erzeugen würde, so muss auch der Spiegel c d den polarisirten Strahl m o nur dann in normaler Weise reflec- tiren, wenn er die nämliche Lage zu demselben besitzt, wie der Spie- gel a b zu dem Strahl l m, wenn also die Polarisationsebene des auf c d fallenden Strahls mit der Einfallsebene, d. h. mit der durch m o und das Einfallsloth gelegten Ebene, zusammenfällt. Dagegen kann der Strahl m o gar nicht reflectirt werden, wenn die Einfallsebene senkrecht auf seiner Polarisationsebene steht. Man erhält dieselben Erscheinungen, wenn man statt der Spiegel aus Glas andere ebene Flächen durchsichtiger Substanzen anwendet: nur wird hierbei der Winkel, unter welchem man das Licht auf die spiegelnde Fläche fallen lassen muss, um eine vollständige Polarisa- tion nach der Einfallsebene zu erhalten, ein anderer als 55°. Man bezeichnet diesen, jeder durchsichtigen Substanz eigenthümlichen Win- kel als den Polarisationswinkel. Nach einem von Brewster entdeckten Gesetze steht der Polarisationswinkel in directer Beziehung zu dem Brechungsvermögen, indem derjenige Einfallswinkel, welcher den Brechungswinkel des betreffenden Mediums zu einem rechten er- gänzt, der Polarisationswinkel ist. Hieraus kann man leicht den Po-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/344>, abgerufen am 06.05.2024.