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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Das Mikroskop.
Auge fiel nunmehr ins linke und umgekehrt, man sieht also jetzt was
vorhin vertieft erschien, erhaben, was erhaben erschien, vertieft.

Ebenso wie auf dioptrischem Wege kann man auf katoptrischem die zur Her-
stellung des binocularen Mikroskops erforderliche Spaltung des Lichtbüschels bewir-
ken; man hat hierbei den Vortheil, keiner Vorrichtungen gegen die Farbenzerstreuung
zu bedürfen. Wir wollen nur einige der bisher benützten Methoden hervorheben. Man
nimmt drei gleiche dreiseitige Prismen, welchen die in Fig. 138 angegebene Stellung
gegeben wird. Das unterste derselben A bewirkt gleichzeitig die Theilung des Licht-
büschels und die Kreuzung der getheilten Büschel zur Aufhebung der Pseudoskopie.

[Abbildung] Fig. 138.
[Abbildung] Fig. 139.
Die beiden oberen Prismen bringen dann die Lichtbüschel in die für die Beobachtung
mit beiden Augen geeignete Richtung. Bringt man noch eine Vorrichtung an, wo-
durch der Abstand von B und C verändert werden kann, so lässt sich der Apparat
den Augendistanzen verschiedener Individuen accommodiren. Noch sinnreicher ist das
folgende, gleich dem vorigen von Nachet herrührende Verfahren (Fig. 139). Man
hat zwei Prismen A und B über dem Objectivsystem L. Das Prisma A ist horizontal
verschiebbar, so dass es die durch die punktirten Linien angedeutete Stellung A' an-
nehmen kann. Bei der Stellung A werden diejenigen Strahlen, welche durch die linke
Hälfte des Objectivs getreten sind, an der Fläche a b reflectirt, gelangen so nach B
und von hier durch eine zweite Reflexion in die Mikroskopröhre für das rechte Auge,
während der durch die rechte Hälfte des Objectivs getretene Theil des Strahlenbü-
schels durch A hindurchgeht und so direct in die Mikroskopröhre für das linke Auge
kommt. Es findet also Theilung und Kreuzung der Strahlenbüschel statt. Rückt man
dagegen das Prisma in die Stellung A', so geht der durch die linke Hälfte des Ob-
jectivs getretene Theil des Strahlenbüschels geraden Weges in das linke Mikroskop-
rohr, und der durch die rechte Hälfte getretene Theil wird bei a b reflectirt, um in
das rechte Mikroskoprohr zu kommen. Hier tritt also Theilung, aber keine Kreu-
zung des Strahlenbüschels ein: man sieht jetzt pseudoskopisch. Die beschriebene
Vorrichtung ist daher besonders instructiv, um den Unterschied des Stereoskopischen
und Psendoskopischen zu demonstriren. Nimmt man das Prisma A ganz heraus, so
ist das Mikroskop in ein monoculares verwandelt.

Die binocularen Mikroskope haben immer den Nachtheil, dass durch die Spal-
tung der Strahlenbüschel jedes einzelne Bild lichtschwächer wird als das Bild eines
monocularen Mikroskops. Sie haben zwar vor dem letzteren den Vortheil der Tiefenan-
schauung. Da aber auch beim monocularen Mikroskop sich sehr genau die Tiefenlage
der einzelnen Theile des Objectes durch successive Einstellung mittelst Auf- und Nie-
derschraubens des Rohrs ermitteln lässt, so wird für die Untersuchung das monocu-

Wundt, medicinische Physik. 19

Das Mikroskop.
Auge fiel nunmehr ins linke und umgekehrt, man sieht also jetzt was
vorhin vertieft erschien, erhaben, was erhaben erschien, vertieft.

Ebenso wie auf dioptrischem Wege kann man auf katoptrischem die zur Her-
stellung des binocularen Mikroskops erforderliche Spaltung des Lichtbüschels bewir-
ken; man hat hierbei den Vortheil, keiner Vorrichtungen gegen die Farbenzerstreuung
zu bedürfen. Wir wollen nur einige der bisher benützten Methoden hervorheben. Man
nimmt drei gleiche dreiseitige Prismen, welchen die in Fig. 138 angegebene Stellung
gegeben wird. Das unterste derselben A bewirkt gleichzeitig die Theilung des Licht-
büschels und die Kreuzung der getheilten Büschel zur Aufhebung der Pseudoskopie.

[Abbildung] Fig. 138.
[Abbildung] Fig. 139.
Die beiden oberen Prismen bringen dann die Lichtbüschel in die für die Beobachtung
mit beiden Augen geeignete Richtung. Bringt man noch eine Vorrichtung an, wo-
durch der Abstand von B und C verändert werden kann, so lässt sich der Apparat
den Augendistanzen verschiedener Individuen accommodiren. Noch sinnreicher ist das
folgende, gleich dem vorigen von Nachet herrührende Verfahren (Fig. 139). Man
hat zwei Prismen A und B über dem Objectivsystem L. Das Prisma A ist horizontal
verschiebbar, so dass es die durch die punktirten Linien angedeutete Stellung A' an-
nehmen kann. Bei der Stellung A werden diejenigen Strahlen, welche durch die linke
Hälfte des Objectivs getreten sind, an der Fläche a b reflectirt, gelangen so nach B
und von hier durch eine zweite Reflexion in die Mikroskopröhre für das rechte Auge,
während der durch die rechte Hälfte des Objectivs getretene Theil des Strahlenbü-
schels durch A hindurchgeht und so direct in die Mikroskopröhre für das linke Auge
kommt. Es findet also Theilung und Kreuzung der Strahlenbüschel statt. Rückt man
dagegen das Prisma in die Stellung A', so geht der durch die linke Hälfte des Ob-
jectivs getretene Theil des Strahlenbüschels geraden Weges in das linke Mikroskop-
rohr, und der durch die rechte Hälfte getretene Theil wird bei a b reflectirt, um in
das rechte Mikroskoprohr zu kommen. Hier tritt also Theilung, aber keine Kreu-
zung des Strahlenbüschels ein: man sieht jetzt pseudoskopisch. Die beschriebene
Vorrichtung ist daher besonders instructiv, um den Unterschied des Stereoskopischen
und Psendoskopischen zu demonstriren. Nimmt man das Prisma A ganz heraus, so
ist das Mikroskop in ein monoculares verwandelt.

Die binocularen Mikroskope haben immer den Nachtheil, dass durch die Spal-
tung der Strahlenbüschel jedes einzelne Bild lichtschwächer wird als das Bild eines
monocularen Mikroskops. Sie haben zwar vor dem letzteren den Vortheil der Tiefenan-
schauung. Da aber auch beim monocularen Mikroskop sich sehr genau die Tiefenlage
der einzelnen Theile des Objectes durch successive Einstellung mittelst Auf- und Nie-
derschraubens des Rohrs ermitteln lässt, so wird für die Untersuchung das monocu-

Wundt, medicinische Physik. 19
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[289/0311] Das Mikroskop. Auge fiel nunmehr ins linke und umgekehrt, man sieht also jetzt was vorhin vertieft erschien, erhaben, was erhaben erschien, vertieft. Ebenso wie auf dioptrischem Wege kann man auf katoptrischem die zur Her- stellung des binocularen Mikroskops erforderliche Spaltung des Lichtbüschels bewir- ken; man hat hierbei den Vortheil, keiner Vorrichtungen gegen die Farbenzerstreuung zu bedürfen. Wir wollen nur einige der bisher benützten Methoden hervorheben. Man nimmt drei gleiche dreiseitige Prismen, welchen die in Fig. 138 angegebene Stellung gegeben wird. Das unterste derselben A bewirkt gleichzeitig die Theilung des Licht- büschels und die Kreuzung der getheilten Büschel zur Aufhebung der Pseudoskopie. [Abbildung Fig. 138.] [Abbildung Fig. 139.] Die beiden oberen Prismen bringen dann die Lichtbüschel in die für die Beobachtung mit beiden Augen geeignete Richtung. Bringt man noch eine Vorrichtung an, wo- durch der Abstand von B und C verändert werden kann, so lässt sich der Apparat den Augendistanzen verschiedener Individuen accommodiren. Noch sinnreicher ist das folgende, gleich dem vorigen von Nachet herrührende Verfahren (Fig. 139). Man hat zwei Prismen A und B über dem Objectivsystem L. Das Prisma A ist horizontal verschiebbar, so dass es die durch die punktirten Linien angedeutete Stellung A' an- nehmen kann. Bei der Stellung A werden diejenigen Strahlen, welche durch die linke Hälfte des Objectivs getreten sind, an der Fläche a b reflectirt, gelangen so nach B und von hier durch eine zweite Reflexion in die Mikroskopröhre für das rechte Auge, während der durch die rechte Hälfte des Objectivs getretene Theil des Strahlenbü- schels durch A hindurchgeht und so direct in die Mikroskopröhre für das linke Auge kommt. Es findet also Theilung und Kreuzung der Strahlenbüschel statt. Rückt man dagegen das Prisma in die Stellung A', so geht der durch die linke Hälfte des Ob- jectivs getretene Theil des Strahlenbüschels geraden Weges in das linke Mikroskop- rohr, und der durch die rechte Hälfte getretene Theil wird bei a b reflectirt, um in das rechte Mikroskoprohr zu kommen. Hier tritt also Theilung, aber keine Kreu- zung des Strahlenbüschels ein: man sieht jetzt pseudoskopisch. Die beschriebene Vorrichtung ist daher besonders instructiv, um den Unterschied des Stereoskopischen und Psendoskopischen zu demonstriren. Nimmt man das Prisma A ganz heraus, so ist das Mikroskop in ein monoculares verwandelt. Die binocularen Mikroskope haben immer den Nachtheil, dass durch die Spal- tung der Strahlenbüschel jedes einzelne Bild lichtschwächer wird als das Bild eines monocularen Mikroskops. Sie haben zwar vor dem letzteren den Vortheil der Tiefenan- schauung. Da aber auch beim monocularen Mikroskop sich sehr genau die Tiefenlage der einzelnen Theile des Objectes durch successive Einstellung mittelst Auf- und Nie- derschraubens des Rohrs ermitteln lässt, so wird für die Untersuchung das monocu- Wundt, medicinische Physik. 19

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/311>, abgerufen am 23.12.2024.