Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.I. Die psychischen Elemente. Reizungsvorgängen begleitet: so wirkt z. B. ein äußererLichteindruck als physikalischer Reiz auf das Auge; in diesem und in dem Sehnerven entsteht dann eine periphere physiologische Reizung, und endlich in den in gewissen Theilen des Mittelhirns (den Vierhügeln) und in der hinteren Region der Großhirnrinde (dem Occipitalhirn) gelegenen Opticusendigungen eine centrale physiologische Reizung. In vielen Fällen kann aber der physikalische Reiz fehlen, während der physiologische in seinen beiden Formen vor- handen ist: so z. B. wenn wir in Folge einer heftigen Be- wegung des Auges einen Lichtblitz wahrnehmen; und in andern Fällen kann sogar der centrale Reiz allein vor- handen sein: so z. B. wenn wir uns an irgend einen früher gehabten Lichteindruck erinnern. Demnach ist der centrale Reiz der einzige, der constant die Empfindung begleitet; der periphere muss sich aber mit dem centralen, und der physikalische muss sich sowohl mit dem peripheren wie mit dem centralen physiologischen Reiz verbinden, wenn Empfin- dung entstehen soll. 3. Die physiologische Entwicklungsgeschichte macht I. Die psychischen Elemente. Reizungsvorgängen begleitet: so wirkt z. B. ein äußererLichteindruck als physikalischer Reiz auf das Auge; in diesem und in dem Sehnerven entsteht dann eine periphere physiologische Reizung, und endlich in den in gewissen Theilen des Mittelhirns (den Vierhügeln) und in der hinteren Region der Großhirnrinde (dem Occipitalhirn) gelegenen Opticusendigungen eine centrale physiologische Reizung. In vielen Fällen kann aber der physikalische Reiz fehlen, während der physiologische in seinen beiden Formen vor- handen ist: so z. B. wenn wir in Folge einer heftigen Be- wegung des Auges einen Lichtblitz wahrnehmen; und in andern Fällen kann sogar der centrale Reiz allein vor- handen sein: so z. B. wenn wir uns an irgend einen früher gehabten Lichteindruck erinnern. Demnach ist der centrale Reiz der einzige, der constant die Empfindung begleitet; der periphere muss sich aber mit dem centralen, und der physikalische muss sich sowohl mit dem peripheren wie mit dem centralen physiologischen Reiz verbinden, wenn Empfin- dung entstehen soll. 3. Die physiologische Entwicklungsgeschichte macht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0062" n="46"/><fw place="top" type="header">I. Die psychischen Elemente.</fw><lb/> Reizungsvorgängen begleitet: so wirkt z. B. ein äußerer<lb/> Lichteindruck als physikalischer Reiz auf das Auge; in<lb/> diesem und in dem Sehnerven entsteht dann eine periphere<lb/> physiologische Reizung, und endlich in den in gewissen<lb/> Theilen des Mittelhirns (den Vierhügeln) und in der hinteren<lb/> Region der Großhirnrinde (dem Occipitalhirn) gelegenen<lb/> Opticusendigungen eine centrale physiologische Reizung.<lb/> In vielen Fällen kann aber der physikalische Reiz fehlen,<lb/> während der physiologische in seinen beiden Formen vor-<lb/> handen ist: so z. B. wenn wir in Folge einer heftigen Be-<lb/> wegung des Auges einen Lichtblitz wahrnehmen; und in<lb/> andern Fällen kann sogar der centrale Reiz allein vor-<lb/> handen sein: so z. B. wenn wir uns an irgend einen früher<lb/> gehabten Lichteindruck erinnern. Demnach ist der centrale<lb/> Reiz der einzige, der constant die Empfindung begleitet;<lb/> der periphere muss sich aber mit dem centralen, und der<lb/> physikalische muss sich sowohl mit dem peripheren wie mit<lb/> dem centralen physiologischen Reiz verbinden, wenn Empfin-<lb/> dung entstehen soll.</p><lb/> <p>3. Die physiologische Entwicklungsgeschichte macht<lb/> es wahrscheinlich, dass die Scheidung der verschiedenen<lb/> Empfindungssysteme zum Theil erst im Laufe der generellen<lb/> Entwicklung sich ausgebildet hat. Das ursprünglichste<lb/> Sinnesorgan ist nämlich die äußere Körperbedeckung mit<lb/> den ihr zugeordneten empfindungsfähigen inneren Organen.<lb/> Die Organe des Geschmacks, des Geruchs, des Gehörs, des<lb/> Gesichts dagegen entstehen erst später als Differenzirungen<lb/> der Körperbedeckung. Man darf daher vermuthen, dass<lb/> auch die jenen speciellen Sinnesorganen entsprechenden<lb/> Empfindungssysteme aus den Empfindungssystemen des all-<lb/> gemeinen Sinnes, den Druck-, Wärme- und Kälteempfin-<lb/> dungen, durch allmähliche Differenzirung entstanden sind,<lb/> und es ist denkbar, dass bei niederen Thieren einzelne der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0062]
I. Die psychischen Elemente.
Reizungsvorgängen begleitet: so wirkt z. B. ein äußerer
Lichteindruck als physikalischer Reiz auf das Auge; in
diesem und in dem Sehnerven entsteht dann eine periphere
physiologische Reizung, und endlich in den in gewissen
Theilen des Mittelhirns (den Vierhügeln) und in der hinteren
Region der Großhirnrinde (dem Occipitalhirn) gelegenen
Opticusendigungen eine centrale physiologische Reizung.
In vielen Fällen kann aber der physikalische Reiz fehlen,
während der physiologische in seinen beiden Formen vor-
handen ist: so z. B. wenn wir in Folge einer heftigen Be-
wegung des Auges einen Lichtblitz wahrnehmen; und in
andern Fällen kann sogar der centrale Reiz allein vor-
handen sein: so z. B. wenn wir uns an irgend einen früher
gehabten Lichteindruck erinnern. Demnach ist der centrale
Reiz der einzige, der constant die Empfindung begleitet;
der periphere muss sich aber mit dem centralen, und der
physikalische muss sich sowohl mit dem peripheren wie mit
dem centralen physiologischen Reiz verbinden, wenn Empfin-
dung entstehen soll.
3. Die physiologische Entwicklungsgeschichte macht
es wahrscheinlich, dass die Scheidung der verschiedenen
Empfindungssysteme zum Theil erst im Laufe der generellen
Entwicklung sich ausgebildet hat. Das ursprünglichste
Sinnesorgan ist nämlich die äußere Körperbedeckung mit
den ihr zugeordneten empfindungsfähigen inneren Organen.
Die Organe des Geschmacks, des Geruchs, des Gehörs, des
Gesichts dagegen entstehen erst später als Differenzirungen
der Körperbedeckung. Man darf daher vermuthen, dass
auch die jenen speciellen Sinnesorganen entsprechenden
Empfindungssysteme aus den Empfindungssystemen des all-
gemeinen Sinnes, den Druck-, Wärme- und Kälteempfin-
dungen, durch allmähliche Differenzirung entstanden sind,
und es ist denkbar, dass bei niederen Thieren einzelne der
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