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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 21. Die Entwicklung geistiger Gemeinschaften.
dasselbe bezeichneten Vorstellung wird verändert, indem
eine von der ersten abweichende Vorstellung an deren Stelle
tritt, ein Process der sich im Laufe der Zeit an dem näm-
lichen Wort mehrmals wiederholen kann. Hiernach beruht
der Bedeutungswandel auf allmählich sich vollziehenden Ver-
änderungen in denjenigen Associationsbedingungen, welche
die bei dem Hören oder Sprechen des Wortes in den Blick-
punkt des Bewusstseins tretende Vorstellungscomplication
bestimmen. Er kann daher auch kurz als ein Process asso-
ciativer Verschiebung der mit der Lautvorstellung verbun-
denen Vorstellungscomponente der sprachlichen Compli-
cationen definirt werden (S. 275).

Laut- und Bedeutungswandel wirken nun in dem Sinne
zusammen, dass sie die ursprünglich vorauszusetzende Be-
ziehung zwischen Laut und Bedeutung immer mehr schwin-
den lassen, so dass das Wort schließlich nur noch als ein
äußeres Zeichen der Vorstellung aufgefasst wird. Dieser
Process ist ein so tiefgreifender, dass selbst diejenigen Laut-
zeichen, bei denen diese Beziehung noch erhalten zu sein
scheint, die onomatopoetischen Wortbildungen, zumeist ver-
hältnissmäßig späte Producte einer secundär eingetretenen
Assimilation zwischen Laut und Bedeutung zu sein scheinen,
eines Assimilationsprocesses durch den sich die verloren ge-
gangene ursprüngliche Affinität zwischen Laut und Bedeu-
tung wiederherzustellen strebt.

Eine weitere wichtige Folge jenes Zusammenwirkens
von Laut- und Bedeutungswandel besteht darin, dass zahl-
reiche Wörter allmählich ihre ursprüngliche concret sinnliche
Bedeutung ganz verlieren und in Zeichen für allgemeine
Begriffe und für den Ausdruck der apperceptiven Functionen
der Beziehung und Vergleichung und ihrer Producte über-
gehen. Auf diese Weise entwickelt sich das abstracte
Denken
, das, weil es ohne den zu Grunde liegenden

Wundt, Psychologie. 23

§ 21. Die Entwicklung geistiger Gemeinschaften.
dasselbe bezeichneten Vorstellung wird verändert, indem
eine von der ersten abweichende Vorstellung an deren Stelle
tritt, ein Process der sich im Laufe der Zeit an dem näm-
lichen Wort mehrmals wiederholen kann. Hiernach beruht
der Bedeutungswandel auf allmählich sich vollziehenden Ver-
änderungen in denjenigen Associationsbedingungen, welche
die bei dem Hören oder Sprechen des Wortes in den Blick-
punkt des Bewusstseins tretende Vorstellungscomplication
bestimmen. Er kann daher auch kurz als ein Process asso-
ciativer Verschiebung der mit der Lautvorstellung verbun-
denen Vorstellungscomponente der sprachlichen Compli-
cationen definirt werden (S. 275).

Laut- und Bedeutungswandel wirken nun in dem Sinne
zusammen, dass sie die ursprünglich vorauszusetzende Be-
ziehung zwischen Laut und Bedeutung immer mehr schwin-
den lassen, so dass das Wort schließlich nur noch als ein
äußeres Zeichen der Vorstellung aufgefasst wird. Dieser
Process ist ein so tiefgreifender, dass selbst diejenigen Laut-
zeichen, bei denen diese Beziehung noch erhalten zu sein
scheint, die onomatopoetischen Wortbildungen, zumeist ver-
hältnissmäßig späte Producte einer secundär eingetretenen
Assimilation zwischen Laut und Bedeutung zu sein scheinen,
eines Assimilationsprocesses durch den sich die verloren ge-
gangene ursprüngliche Affinität zwischen Laut und Bedeu-
tung wiederherzustellen strebt.

Eine weitere wichtige Folge jenes Zusammenwirkens
von Laut- und Bedeutungswandel besteht darin, dass zahl-
reiche Wörter allmählich ihre ursprüngliche concret sinnliche
Bedeutung ganz verlieren und in Zeichen für allgemeine
Begriffe und für den Ausdruck der apperceptiven Functionen
der Beziehung und Vergleichung und ihrer Producte über-
gehen. Auf diese Weise entwickelt sich das abstracte
Denken
, das, weil es ohne den zu Grunde liegenden

Wundt, Psychologie. 23
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[353/0369] § 21. Die Entwicklung geistiger Gemeinschaften. dasselbe bezeichneten Vorstellung wird verändert, indem eine von der ersten abweichende Vorstellung an deren Stelle tritt, ein Process der sich im Laufe der Zeit an dem näm- lichen Wort mehrmals wiederholen kann. Hiernach beruht der Bedeutungswandel auf allmählich sich vollziehenden Ver- änderungen in denjenigen Associationsbedingungen, welche die bei dem Hören oder Sprechen des Wortes in den Blick- punkt des Bewusstseins tretende Vorstellungscomplication bestimmen. Er kann daher auch kurz als ein Process asso- ciativer Verschiebung der mit der Lautvorstellung verbun- denen Vorstellungscomponente der sprachlichen Compli- cationen definirt werden (S. 275). Laut- und Bedeutungswandel wirken nun in dem Sinne zusammen, dass sie die ursprünglich vorauszusetzende Be- ziehung zwischen Laut und Bedeutung immer mehr schwin- den lassen, so dass das Wort schließlich nur noch als ein äußeres Zeichen der Vorstellung aufgefasst wird. Dieser Process ist ein so tiefgreifender, dass selbst diejenigen Laut- zeichen, bei denen diese Beziehung noch erhalten zu sein scheint, die onomatopoetischen Wortbildungen, zumeist ver- hältnissmäßig späte Producte einer secundär eingetretenen Assimilation zwischen Laut und Bedeutung zu sein scheinen, eines Assimilationsprocesses durch den sich die verloren ge- gangene ursprüngliche Affinität zwischen Laut und Bedeu- tung wiederherzustellen strebt. Eine weitere wichtige Folge jenes Zusammenwirkens von Laut- und Bedeutungswandel besteht darin, dass zahl- reiche Wörter allmählich ihre ursprüngliche concret sinnliche Bedeutung ganz verlieren und in Zeichen für allgemeine Begriffe und für den Ausdruck der apperceptiven Functionen der Beziehung und Vergleichung und ihrer Producte über- gehen. Auf diese Weise entwickelt sich das abstracte Denken, das, weil es ohne den zu Grunde liegenden Wundt, Psychologie. 23

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/369>, abgerufen am 24.11.2024.