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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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IV. Die psychischen Entwicklungen.
und selbstthätig theilnimmt. Bei den meisten Thieren fehlt
eine solche Gemeinschaft völlig; in den Thierehen, Thier-
staaten und Thierschwärmen sind nur unvollkommene, auf
einzelne Zwecke beschränkte Vorstufen derselben zu finden.
Die dauernderen derselben, die Thierehen und die fälschlich
so genannten Thierstaaten (S. 327), besitzen die Bedeutung
von Geschlechtsgemeinschaften, die vorübergehenderen, die
Thierschwärme, wie z. B. die Schwärme der Wandervögel,
die von Schutzgemeinschaften. In allen diesen Fällen sind
es bestimmte, durch Vererbung befestigte Instincte, die den
Zusammenhalt der Individuen bewirken, und dieser zeigt
daher die nämliche, nur äußerst wenig durch individuelle
Einflüsse abzuändernde Constanz, die dem Instinct über-
haupt zukommt.

Sind auf diese Weise die Vereinigungen der Thiere
stets nur auf bestimmte physische Lebenszwecke ausgehende
Ergänzungen des individuellen Daseins, so ist dagegen die
menschliche Entwicklung von Anfang an darauf gerichtet,
dass sich der Einzelne mit seiner geistigen Umgebung zu
einem Ganzen verbindet, das, der Entwicklung fähig, eben-
sowohl der Befriedigung der physischen Lebensbedürfnisse
wie der Verfolgung der verschiedensten geistigen Zwecke
dient und in diesen Zwecken die mannigfaltigsten Ver-
änderungen zulässt. In Folge dessen sind die Formen
menschlicher Gemeinschaft ungemein veränderlich, während
zugleich die vollkommeneren Formen in eine Continuität
geschichtlicher Entwicklung treten, die das geistige Zu-
sammenleben der Einzelnen über die Grenzen des unmittel-
baren räumlichen und zeitlichen Zusammenseins hinaus fast
ins Unbegrenzte erweitert. Das Resultat dieser Entwicklung
ist daher schließlich die mit Bewusstsein erfasste Idee der
Menschheit als der allgemeinen geistigen Gemeinschaft,
die sich nach den besonderen Bedingungen ihres Daseins in

IV. Die psychischen Entwicklungen.
und selbstthätig theilnimmt. Bei den meisten Thieren fehlt
eine solche Gemeinschaft völlig; in den Thierehen, Thier-
staaten und Thierschwärmen sind nur unvollkommene, auf
einzelne Zwecke beschränkte Vorstufen derselben zu finden.
Die dauernderen derselben, die Thierehen und die fälschlich
so genannten Thierstaaten (S. 327), besitzen die Bedeutung
von Geschlechtsgemeinschaften, die vorübergehenderen, die
Thierschwärme, wie z. B. die Schwärme der Wandervögel,
die von Schutzgemeinschaften. In allen diesen Fällen sind
es bestimmte, durch Vererbung befestigte Instincte, die den
Zusammenhalt der Individuen bewirken, und dieser zeigt
daher die nämliche, nur äußerst wenig durch individuelle
Einflüsse abzuändernde Constanz, die dem Instinct über-
haupt zukommt.

Sind auf diese Weise die Vereinigungen der Thiere
stets nur auf bestimmte physische Lebenszwecke ausgehende
Ergänzungen des individuellen Daseins, so ist dagegen die
menschliche Entwicklung von Anfang an darauf gerichtet,
dass sich der Einzelne mit seiner geistigen Umgebung zu
einem Ganzen verbindet, das, der Entwicklung fähig, eben-
sowohl der Befriedigung der physischen Lebensbedürfnisse
wie der Verfolgung der verschiedensten geistigen Zwecke
dient und in diesen Zwecken die mannigfaltigsten Ver-
änderungen zulässt. In Folge dessen sind die Formen
menschlicher Gemeinschaft ungemein veränderlich, während
zugleich die vollkommeneren Formen in eine Continuität
geschichtlicher Entwicklung treten, die das geistige Zu-
sammenleben der Einzelnen über die Grenzen des unmittel-
baren räumlichen und zeitlichen Zusammenseins hinaus fast
ins Unbegrenzte erweitert. Das Resultat dieser Entwicklung
ist daher schließlich die mit Bewusstsein erfasste Idee der
Menschheit als der allgemeinen geistigen Gemeinschaft,
die sich nach den besonderen Bedingungen ihres Daseins in

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[348/0364] IV. Die psychischen Entwicklungen. und selbstthätig theilnimmt. Bei den meisten Thieren fehlt eine solche Gemeinschaft völlig; in den Thierehen, Thier- staaten und Thierschwärmen sind nur unvollkommene, auf einzelne Zwecke beschränkte Vorstufen derselben zu finden. Die dauernderen derselben, die Thierehen und die fälschlich so genannten Thierstaaten (S. 327), besitzen die Bedeutung von Geschlechtsgemeinschaften, die vorübergehenderen, die Thierschwärme, wie z. B. die Schwärme der Wandervögel, die von Schutzgemeinschaften. In allen diesen Fällen sind es bestimmte, durch Vererbung befestigte Instincte, die den Zusammenhalt der Individuen bewirken, und dieser zeigt daher die nämliche, nur äußerst wenig durch individuelle Einflüsse abzuändernde Constanz, die dem Instinct über- haupt zukommt. Sind auf diese Weise die Vereinigungen der Thiere stets nur auf bestimmte physische Lebenszwecke ausgehende Ergänzungen des individuellen Daseins, so ist dagegen die menschliche Entwicklung von Anfang an darauf gerichtet, dass sich der Einzelne mit seiner geistigen Umgebung zu einem Ganzen verbindet, das, der Entwicklung fähig, eben- sowohl der Befriedigung der physischen Lebensbedürfnisse wie der Verfolgung der verschiedensten geistigen Zwecke dient und in diesen Zwecken die mannigfaltigsten Ver- änderungen zulässt. In Folge dessen sind die Formen menschlicher Gemeinschaft ungemein veränderlich, während zugleich die vollkommeneren Formen in eine Continuität geschichtlicher Entwicklung treten, die das geistige Zu- sammenleben der Einzelnen über die Grenzen des unmittel- baren räumlichen und zeitlichen Zusammenseins hinaus fast ins Unbegrenzte erweitert. Das Resultat dieser Entwicklung ist daher schließlich die mit Bewusstsein erfasste Idee der Menschheit als der allgemeinen geistigen Gemeinschaft, die sich nach den besonderen Bedingungen ihres Daseins in

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/364>, abgerufen am 24.11.2024.