Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.IV. Die psychischen Entwicklungen. zu begleiten, verräth sich schon in den ersten Lebens-monaten die Fähigkeit der Bildung regelmäßiger zeitlicher Vorstellungen und das Wohlgefallen an solchen. Auch können manche Kinder noch ehe sie sprechen die Rhythmen gehörter Melodien in Lauten und Betonungen richtig wieder- geben. Dagegen bleiben die Vorstellungen größerer Zeiten bis über die ersten Lebensjahre hinaus äußerst unvoll- kommen, so dass das Kind nicht nur über die Dauer ver- schiedener Zeiten, sondern auch über die Zeitfolgen äußerst schwankende Urtheile abgibt. 5. Mit der Entwicklung der räumlichen und zeitlichen Entsprechend verhält sich die Aufmerksamkeit. An- IV. Die psychischen Entwicklungen. zu begleiten, verräth sich schon in den ersten Lebens-monaten die Fähigkeit der Bildung regelmäßiger zeitlicher Vorstellungen und das Wohlgefallen an solchen. Auch können manche Kinder noch ehe sie sprechen die Rhythmen gehörter Melodien in Lauten und Betonungen richtig wieder- geben. Dagegen bleiben die Vorstellungen größerer Zeiten bis über die ersten Lebensjahre hinaus äußerst unvoll- kommen, so dass das Kind nicht nur über die Dauer ver- schiedener Zeiten, sondern auch über die Zeitfolgen äußerst schwankende Urtheile abgibt. 5. Mit der Entwicklung der räumlichen und zeitlichen Entsprechend verhält sich die Aufmerksamkeit. An- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0352" n="336"/><fw place="top" type="header">IV. Die psychischen Entwicklungen.</fw><lb/> zu begleiten, verräth sich schon in den ersten Lebens-<lb/> monaten die Fähigkeit der Bildung regelmäßiger zeitlicher<lb/> Vorstellungen und das Wohlgefallen an solchen. Auch<lb/> können manche Kinder noch ehe sie sprechen die Rhythmen<lb/> gehörter Melodien in Lauten und Betonungen richtig wieder-<lb/> geben. Dagegen bleiben die Vorstellungen größerer Zeiten<lb/> bis über die ersten Lebensjahre hinaus äußerst unvoll-<lb/> kommen, so dass das Kind nicht nur über die Dauer ver-<lb/> schiedener Zeiten, sondern auch über die Zeitfolgen äußerst<lb/> schwankende Urtheile abgibt.</p><lb/> <p>5. Mit der Entwicklung der räumlichen und zeitlichen<lb/> Vorstellungen geht die der <hi rendition="#g">Associationen</hi> und der <hi rendition="#g">ein-<lb/> facheren Apperceptionsverbindungen</hi> Hand in Hand.<lb/> Symptome des sinnlichen Wiedererkennens (S. 278) sind von<lb/> den ersten Lebenstagen an zu beobachten: so an der raschen<lb/> Uebung in dem Auffinden der Mutterbrust, an der sichtbaren<lb/> Angewöhnung an die Gegenstände und Personen der Um-<lb/> gebung u. dgl. Aber noch während längerer Zeit erstrecken<lb/> sich die Associationen nur über sehr kurze Zeitstrecken,<lb/> zuerst nur über Stunden, dann über Tage; und noch im<lb/> 3. und 4. Lebensjahr werden Personen nach der Abwesen-<lb/> heit von einigen Wochen entweder vollständig vergessen<lb/> oder zunächst nur unvollkommen wiedererkannt.</p><lb/> <p>Entsprechend verhält sich die <hi rendition="#g">Aufmerksamkeit</hi>. An-<lb/> fänglich vermag sie nur während ganz kurzer Zeit einen<lb/> und denselben Gegenstand festzuhalten, und sichtlich func-<lb/> tionirt sie zugleich nur in der Form der <hi rendition="#g">passiven</hi>, stets<lb/> dem vorwaltenden, namentlich gefühlsstärkeren Reize fol-<lb/> genden Apperception (S. 255). Aber schon in den ersten<lb/> Lebenswochen beginnt sich in der Art, wie das Kind wäh-<lb/> rend längerer Zeit Objecte, besonders bewegte Objecte, fixirt<lb/> und verfolgt, eine dauerndere Aufmerksamkeit zu verrathen,<lb/> und gleichzeitig tritt die Fähigkeit hervor, zwischen ver-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [336/0352]
IV. Die psychischen Entwicklungen.
zu begleiten, verräth sich schon in den ersten Lebens-
monaten die Fähigkeit der Bildung regelmäßiger zeitlicher
Vorstellungen und das Wohlgefallen an solchen. Auch
können manche Kinder noch ehe sie sprechen die Rhythmen
gehörter Melodien in Lauten und Betonungen richtig wieder-
geben. Dagegen bleiben die Vorstellungen größerer Zeiten
bis über die ersten Lebensjahre hinaus äußerst unvoll-
kommen, so dass das Kind nicht nur über die Dauer ver-
schiedener Zeiten, sondern auch über die Zeitfolgen äußerst
schwankende Urtheile abgibt.
5. Mit der Entwicklung der räumlichen und zeitlichen
Vorstellungen geht die der Associationen und der ein-
facheren Apperceptionsverbindungen Hand in Hand.
Symptome des sinnlichen Wiedererkennens (S. 278) sind von
den ersten Lebenstagen an zu beobachten: so an der raschen
Uebung in dem Auffinden der Mutterbrust, an der sichtbaren
Angewöhnung an die Gegenstände und Personen der Um-
gebung u. dgl. Aber noch während längerer Zeit erstrecken
sich die Associationen nur über sehr kurze Zeitstrecken,
zuerst nur über Stunden, dann über Tage; und noch im
3. und 4. Lebensjahr werden Personen nach der Abwesen-
heit von einigen Wochen entweder vollständig vergessen
oder zunächst nur unvollkommen wiedererkannt.
Entsprechend verhält sich die Aufmerksamkeit. An-
fänglich vermag sie nur während ganz kurzer Zeit einen
und denselben Gegenstand festzuhalten, und sichtlich func-
tionirt sie zugleich nur in der Form der passiven, stets
dem vorwaltenden, namentlich gefühlsstärkeren Reize fol-
genden Apperception (S. 255). Aber schon in den ersten
Lebenswochen beginnt sich in der Art, wie das Kind wäh-
rend längerer Zeit Objecte, besonders bewegte Objecte, fixirt
und verfolgt, eine dauerndere Aufmerksamkeit zu verrathen,
und gleichzeitig tritt die Fähigkeit hervor, zwischen ver-
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