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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.

13. Der Zusammenhang der psychischen Vorgänge, der
das Wesen des Bewusstseins ausmacht, hat nun nothwendig
seine letzte Quelle in Verbindungsprocessen, die fort-
während zwischen den Elementen der einzelnen Bewusst-
seinsinhalte stattfinden. Wie solche Processe schon bei der
Entstehung der einzelnen psychischen Gebilde wirksam sind,
so muss auch aus ihnen sowohl die simultane Einheit des
in einem gegebenen Moment vorhandenen Bewusstseinszu-
standes wie die Continuität der successiven Bewusstseinszu-
stände hervorgehen. Diese Verbindungsprocesse selbst aber
sind zwar von außerordentlich mannigfaltiger Beschaffenheit:
jeder einzelne hat seine individuelle, in keinem zweiten Fall
sich ganz unverändert wiederholende Färbung. Dennoch
lassen sich ihre allgemeinsten Unterschiede jenen Eigen-
thümlichkeiten unterordnen, welche die Aufmerksamkeit auf
der einen Seite bei der passiven Aufnahme von Eindrücken,
auf der andern Seite bei der activen Apperception derselben
darbietet. Um kurze Ausdrücke für diese Unterschiede zur
Verfügung zu haben, bezeichnen wir diejenigen Verbin-
dungen, die sich bei passivem Zustand der Aufmerksamkeit
zu bilden pflegen, als Associationen, diejenigen hin-
gegen, die einen activen Zustand derselben voraussetzen,
als Apperceptionsverbindungen.

§ 16. Die Associationen.

1. Der Begriff der Association ist in der neueren Ent-
wicklung der Psychologie einem nothwendigen und sehr
eingreifenden Bedeutungswandel unterworfen worden, der
freilich noch nicht überall durchgedrungen ist, da die ur-
sprüngliche Bedeutung des Begriffs namentlich von den-
jenigen Psychologen festgehalten wird, die auch heute noch
den Grundanschauungen, aus denen die Associationspsycho-

III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.

13. Der Zusammenhang der psychischen Vorgänge, der
das Wesen des Bewusstseins ausmacht, hat nun nothwendig
seine letzte Quelle in Verbindungsprocessen, die fort-
während zwischen den Elementen der einzelnen Bewusst-
seinsinhalte stattfinden. Wie solche Processe schon bei der
Entstehung der einzelnen psychischen Gebilde wirksam sind,
so muss auch aus ihnen sowohl die simultane Einheit des
in einem gegebenen Moment vorhandenen Bewusstseinszu-
standes wie die Continuität der successiven Bewusstseinszu-
stände hervorgehen. Diese Verbindungsprocesse selbst aber
sind zwar von außerordentlich mannigfaltiger Beschaffenheit:
jeder einzelne hat seine individuelle, in keinem zweiten Fall
sich ganz unverändert wiederholende Färbung. Dennoch
lassen sich ihre allgemeinsten Unterschiede jenen Eigen-
thümlichkeiten unterordnen, welche die Aufmerksamkeit auf
der einen Seite bei der passiven Aufnahme von Eindrücken,
auf der andern Seite bei der activen Apperception derselben
darbietet. Um kurze Ausdrücke für diese Unterschiede zur
Verfügung zu haben, bezeichnen wir diejenigen Verbin-
dungen, die sich bei passivem Zustand der Aufmerksamkeit
zu bilden pflegen, als Associationen, diejenigen hin-
gegen, die einen activen Zustand derselben voraussetzen,
als Apperceptionsverbindungen.

§ 16. Die Associationen.

1. Der Begriff der Association ist in der neueren Ent-
wicklung der Psychologie einem nothwendigen und sehr
eingreifenden Bedeutungswandel unterworfen worden, der
freilich noch nicht überall durchgedrungen ist, da die ur-
sprüngliche Bedeutung des Begriffs namentlich von den-
jenigen Psychologen festgehalten wird, die auch heute noch
den Grundanschauungen, aus denen die Associationspsycho-

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[262/0278] III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde. 13. Der Zusammenhang der psychischen Vorgänge, der das Wesen des Bewusstseins ausmacht, hat nun nothwendig seine letzte Quelle in Verbindungsprocessen, die fort- während zwischen den Elementen der einzelnen Bewusst- seinsinhalte stattfinden. Wie solche Processe schon bei der Entstehung der einzelnen psychischen Gebilde wirksam sind, so muss auch aus ihnen sowohl die simultane Einheit des in einem gegebenen Moment vorhandenen Bewusstseinszu- standes wie die Continuität der successiven Bewusstseinszu- stände hervorgehen. Diese Verbindungsprocesse selbst aber sind zwar von außerordentlich mannigfaltiger Beschaffenheit: jeder einzelne hat seine individuelle, in keinem zweiten Fall sich ganz unverändert wiederholende Färbung. Dennoch lassen sich ihre allgemeinsten Unterschiede jenen Eigen- thümlichkeiten unterordnen, welche die Aufmerksamkeit auf der einen Seite bei der passiven Aufnahme von Eindrücken, auf der andern Seite bei der activen Apperception derselben darbietet. Um kurze Ausdrücke für diese Unterschiede zur Verfügung zu haben, bezeichnen wir diejenigen Verbin- dungen, die sich bei passivem Zustand der Aufmerksamkeit zu bilden pflegen, als Associationen, diejenigen hin- gegen, die einen activen Zustand derselben voraussetzen, als Apperceptionsverbindungen. § 16. Die Associationen. 1. Der Begriff der Association ist in der neueren Ent- wicklung der Psychologie einem nothwendigen und sehr eingreifenden Bedeutungswandel unterworfen worden, der freilich noch nicht überall durchgedrungen ist, da die ur- sprüngliche Bedeutung des Begriffs namentlich von den- jenigen Psychologen festgehalten wird, die auch heute noch den Grundanschauungen, aus denen die Associationspsycho-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/278>, abgerufen am 12.05.2024.