Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 16. Die Associationen.
logie erwuchs, zugethan sind. (Vgl. § 2, S. 15 f.) Indem näm-
lich diese Psychologie, ihrer vorherrschend intellectualisti-
schen Richtung gemäß, nur den Vorstellungsinhalt des
Bewusstseins berücksichtigte, beschränkte sie zunächst den
Begriff der Association auf die Verbindungen zwischen Vor-
stellungen. In diesem Sinne führten Hartley und Hume,
die beiden Begründer der Associationspsychologie, denselben
sogleich in der speciellen Bedeutung der "Ideenassociation"
ein, wobei nach englischem Sprachgebrauch das Wort "Idee"
unserem Begriff der "Vorstellung" entspricht. Indem man
ferner die Vorstellungen als Objecte oder doch als Vorgänge
betrachtete, die in derselben Beschaffenheit, in der sie zum
ersten Male in dem Bewusstsein entstanden sind, auch in
diesem sich wiedererneuern können (S. 16, 8), sah man in
der Association das Erklärungsprincip für die so genannte
"Reproduction" der Vorstellungen. Und indem man es end-
lich nicht für nöthig hielt über die Entstehungsweise der
zusammengesetzten Vorstellungen mit Hülfe einer psycho-
logischen Analyse Rechenschaft zu geben, da man annahm,
die physische Verbindung der Eindrücke bei der Sinnes-
wahrnehmung erkläre auch ohne weiteres deren psychische
Zusammensetzung, so beschränkte man den Associations-
begriff überdies auf diejenigen Formen so genannter Repro-
duction, bei denen die associirten Vorstellungen zeitlich auf
einander folgen. In der Unterscheidung der Hauptformen
dieser successiven Associationen folgte man einem schon von
Aristoteles für die Erinnerungsvorgänge aufgestellten
logischen Schema, indem man nach dem Princip der Zwei-
theilung nach Gegensätzen einerseits die Associationen nach
Aehnlichkeit und Contrast und anderseits die nach Gleich-
zeitigkeit und Succession unterschied. Diese durch eine
einfache logische Dichotomie gewonnenen Gattungsbegriffe
schmückte man mit dem Namen der "Associationsgesetze".

§ 16. Die Associationen.
logie erwuchs, zugethan sind. (Vgl. § 2, S. 15 f.) Indem näm-
lich diese Psychologie, ihrer vorherrschend intellectualisti-
schen Richtung gemäß, nur den Vorstellungsinhalt des
Bewusstseins berücksichtigte, beschränkte sie zunächst den
Begriff der Association auf die Verbindungen zwischen Vor-
stellungen. In diesem Sinne führten Hartley und Hume,
die beiden Begründer der Associationspsychologie, denselben
sogleich in der speciellen Bedeutung der »Ideenassociation«
ein, wobei nach englischem Sprachgebrauch das Wort »Idee«
unserem Begriff der »Vorstellung« entspricht. Indem man
ferner die Vorstellungen als Objecte oder doch als Vorgänge
betrachtete, die in derselben Beschaffenheit, in der sie zum
ersten Male in dem Bewusstsein entstanden sind, auch in
diesem sich wiedererneuern können (S. 16, 8), sah man in
der Association das Erklärungsprincip für die so genannte
»Reproduction« der Vorstellungen. Und indem man es end-
lich nicht für nöthig hielt über die Entstehungsweise der
zusammengesetzten Vorstellungen mit Hülfe einer psycho-
logischen Analyse Rechenschaft zu geben, da man annahm,
die physische Verbindung der Eindrücke bei der Sinnes-
wahrnehmung erkläre auch ohne weiteres deren psychische
Zusammensetzung, so beschränkte man den Associations-
begriff überdies auf diejenigen Formen so genannter Repro-
duction, bei denen die associirten Vorstellungen zeitlich auf
einander folgen. In der Unterscheidung der Hauptformen
dieser successiven Associationen folgte man einem schon von
Aristoteles für die Erinnerungsvorgänge aufgestellten
logischen Schema, indem man nach dem Princip der Zwei-
theilung nach Gegensätzen einerseits die Associationen nach
Aehnlichkeit und Contrast und anderseits die nach Gleich-
zeitigkeit und Succession unterschied. Diese durch eine
einfache logische Dichotomie gewonnenen Gattungsbegriffe
schmückte man mit dem Namen der »Associationsgesetze«.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0279" n="263"/><fw place="top" type="header">§ 16. Die Associationen.</fw><lb/>
logie erwuchs, zugethan sind. (Vgl. § 2, S. 15 f.) Indem näm-<lb/>
lich diese Psychologie, ihrer vorherrschend intellectualisti-<lb/>
schen Richtung gemäß, nur den <hi rendition="#g">Vorstellungsinhalt</hi> des<lb/>
Bewusstseins berücksichtigte, beschränkte sie zunächst den<lb/>
Begriff der Association auf die Verbindungen zwischen Vor-<lb/>
stellungen. In diesem Sinne führten <hi rendition="#g">Hartley</hi> und <hi rendition="#g">Hume</hi>,<lb/>
die beiden Begründer der Associationspsychologie, denselben<lb/>
sogleich in der speciellen Bedeutung der »Ideenassociation«<lb/>
ein, wobei nach englischem Sprachgebrauch das Wort »Idee«<lb/>
unserem Begriff der »Vorstellung« entspricht. Indem man<lb/>
ferner die Vorstellungen als Objecte oder doch als Vorgänge<lb/>
betrachtete, die in derselben Beschaffenheit, in der sie zum<lb/>
ersten Male in dem Bewusstsein entstanden sind, auch in<lb/>
diesem sich wiedererneuern können (S. 16, 8), sah man in<lb/>
der Association das Erklärungsprincip für die so genannte<lb/>
»Reproduction« der Vorstellungen. Und indem man es end-<lb/>
lich nicht für nöthig hielt über die Entstehungsweise der<lb/>
zusammengesetzten Vorstellungen mit Hülfe einer psycho-<lb/>
logischen Analyse Rechenschaft zu geben, da man annahm,<lb/>
die physische Verbindung der Eindrücke bei der Sinnes-<lb/>
wahrnehmung erkläre auch ohne weiteres deren psychische<lb/>
Zusammensetzung, so beschränkte man den Associations-<lb/>
begriff überdies auf diejenigen Formen so genannter Repro-<lb/>
duction, bei denen die associirten Vorstellungen zeitlich auf<lb/>
einander folgen. In der Unterscheidung der Hauptformen<lb/>
dieser successiven Associationen folgte man einem schon von<lb/><hi rendition="#g">Aristoteles</hi> für die Erinnerungsvorgänge aufgestellten<lb/>
logischen Schema, indem man nach dem Princip der Zwei-<lb/>
theilung nach Gegensätzen einerseits die Associationen nach<lb/>
Aehnlichkeit und Contrast und anderseits die nach Gleich-<lb/>
zeitigkeit und Succession unterschied. Diese durch eine<lb/>
einfache logische Dichotomie gewonnenen Gattungsbegriffe<lb/>
schmückte man mit dem Namen der »Associationsgesetze«.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0279] § 16. Die Associationen. logie erwuchs, zugethan sind. (Vgl. § 2, S. 15 f.) Indem näm- lich diese Psychologie, ihrer vorherrschend intellectualisti- schen Richtung gemäß, nur den Vorstellungsinhalt des Bewusstseins berücksichtigte, beschränkte sie zunächst den Begriff der Association auf die Verbindungen zwischen Vor- stellungen. In diesem Sinne führten Hartley und Hume, die beiden Begründer der Associationspsychologie, denselben sogleich in der speciellen Bedeutung der »Ideenassociation« ein, wobei nach englischem Sprachgebrauch das Wort »Idee« unserem Begriff der »Vorstellung« entspricht. Indem man ferner die Vorstellungen als Objecte oder doch als Vorgänge betrachtete, die in derselben Beschaffenheit, in der sie zum ersten Male in dem Bewusstsein entstanden sind, auch in diesem sich wiedererneuern können (S. 16, 8), sah man in der Association das Erklärungsprincip für die so genannte »Reproduction« der Vorstellungen. Und indem man es end- lich nicht für nöthig hielt über die Entstehungsweise der zusammengesetzten Vorstellungen mit Hülfe einer psycho- logischen Analyse Rechenschaft zu geben, da man annahm, die physische Verbindung der Eindrücke bei der Sinnes- wahrnehmung erkläre auch ohne weiteres deren psychische Zusammensetzung, so beschränkte man den Associations- begriff überdies auf diejenigen Formen so genannter Repro- duction, bei denen die associirten Vorstellungen zeitlich auf einander folgen. In der Unterscheidung der Hauptformen dieser successiven Associationen folgte man einem schon von Aristoteles für die Erinnerungsvorgänge aufgestellten logischen Schema, indem man nach dem Princip der Zwei- theilung nach Gegensätzen einerseits die Associationen nach Aehnlichkeit und Contrast und anderseits die nach Gleich- zeitigkeit und Succession unterschied. Diese durch eine einfache logische Dichotomie gewonnenen Gattungsbegriffe schmückte man mit dem Namen der »Associationsgesetze«.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/279
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/279>, abgerufen am 22.11.2024.