Zügel ergriffen hat. Dann erst eilt er den Rücksitz zu erklimmen und sich dort mit untergeschlagenen Armen niederzusetzen.
Improvisierte Rosselenker, die sich Kutscher nennen, that- sächlich aber nur in Livree gesteckte Fuhrknechte sind, pflegen sich auf derartigen Fahrten prächtig zu unterhalten. Sie thun so, als ob sie die ganze Fahrerei nichts anginge und sie nur zu ihrem Privatspass mitgenommen wären. Kommt ein Be- kannter des Weges, so entbieten sie ihm freundlichst ihren Gruss, nach hübschen Dienstmädchen sehen sie sich mit Kenner- miene möglichst lange um, was ihnen lustig erscheint wird un- geniert belacht, führt die Fahrt durch ödere Gegenden, riskieren sie ein Schläfchen u. s. w. Anders der korrekte Kutscher. Dieser verfolgt mit gespannter Aufmerksamkeit das Thun und Lassen seines Herrn und seiner Pferde. Alles andere ist für ihn nicht vorhanden. Gegrüsst wird niemand, nicht einmal diejenigen Herrschaften die dem Herrn das Geleite bis zur Schwelle ihres Hauses geben. Nur wenn sein Herr ihn anspricht, erhebt er sich und antwortet vorschriftsmässig salutierend. Beim ersten Anzeichen, dass der Herr anhalten will, springt er behend vom Wagen, um seinen für diesen Fall bestimmten Platz vor den Pferden einzunehmen. In einem Nu voltigiert er auch vom Rücksitz herunter, wenn er bemerkt, dass die Pferde aus irgend einem Anlass im Begriffe stehen Unheil anzustiften und wo es Not thut, weiss er durch warnenden Zuruf oder Handbewegung Kollisionsgefahren vorzubeugen.
Wir geben gerne zu, dass solches, zumeist während schneller Fahrt gefordetes Ab- und Hinaufvoltigieren nur dann glatt ab- laufen wird, wenn es gründlich geübt worden. Es ist uns aber auch nie in den Sinn gekommen, den Beruf eines herrschaft- lichen Kutschers als einen bequemen und leicht zu erlernenden hinzustellen.
Die Livreefrage haben wir bereits Seite 76--82 so ein- gehend erörtert, dass wir, was dieses Detail des Equipagenwesens anbelangt, hier nur einige praktische Winke für den Kutscher
Praktische Winke.
Zügel ergriffen hat. Dann erst eilt er den Rücksitz zu erklimmen und sich dort mit untergeschlagenen Armen niederzusetzen.
Improvisierte Rosselenker, die sich Kutscher nennen, that- sächlich aber nur in Livree gesteckte Fuhrknechte sind, pflegen sich auf derartigen Fahrten prächtig zu unterhalten. Sie thun so, als ob sie die ganze Fahrerei nichts anginge und sie nur zu ihrem Privatspass mitgenommen wären. Kommt ein Be- kannter des Weges, so entbieten sie ihm freundlichst ihren Gruss, nach hübschen Dienstmädchen sehen sie sich mit Kenner- miene möglichst lange um, was ihnen lustig erscheint wird un- geniert belacht, führt die Fahrt durch ödere Gegenden, riskieren sie ein Schläfchen u. s. w. Anders der korrekte Kutscher. Dieser verfolgt mit gespannter Aufmerksamkeit das Thun und Lassen seines Herrn und seiner Pferde. Alles andere ist für ihn nicht vorhanden. Gegrüsst wird niemand, nicht einmal diejenigen Herrschaften die dem Herrn das Geleite bis zur Schwelle ihres Hauses geben. Nur wenn sein Herr ihn anspricht, erhebt er sich und antwortet vorschriftsmässig salutierend. Beim ersten Anzeichen, dass der Herr anhalten will, springt er behend vom Wagen, um seinen für diesen Fall bestimmten Platz vor den Pferden einzunehmen. In einem Nu voltigiert er auch vom Rücksitz herunter, wenn er bemerkt, dass die Pferde aus irgend einem Anlass im Begriffe stehen Unheil anzustiften und wo es Not thut, weiss er durch warnenden Zuruf oder Handbewegung Kollisionsgefahren vorzubeugen.
Wir geben gerne zu, dass solches, zumeist während schneller Fahrt gefordetes Ab- und Hinaufvoltigieren nur dann glatt ab- laufen wird, wenn es gründlich geübt worden. Es ist uns aber auch nie in den Sinn gekommen, den Beruf eines herrschaft- lichen Kutschers als einen bequemen und leicht zu erlernenden hinzustellen.
Die Livreefrage haben wir bereits Seite 76—82 so ein- gehend erörtert, dass wir, was dieses Detail des Equipagenwesens anbelangt, hier nur einige praktische Winke für den Kutscher
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Praktische Winke.
Zügel ergriffen hat. Dann erst eilt er den Rücksitz zu erklimmen
und sich dort mit untergeschlagenen Armen niederzusetzen.
Improvisierte Rosselenker, die sich Kutscher nennen, that-
sächlich aber nur in Livree gesteckte Fuhrknechte sind, pflegen
sich auf derartigen Fahrten prächtig zu unterhalten. Sie thun
so, als ob sie die ganze Fahrerei nichts anginge und sie nur
zu ihrem Privatspass mitgenommen wären. Kommt ein Be-
kannter des Weges, so entbieten sie ihm freundlichst ihren
Gruss, nach hübschen Dienstmädchen sehen sie sich mit Kenner-
miene möglichst lange um, was ihnen lustig erscheint wird un-
geniert belacht, führt die Fahrt durch ödere Gegenden, riskieren
sie ein Schläfchen u. s. w. Anders der korrekte Kutscher.
Dieser verfolgt mit gespannter Aufmerksamkeit das Thun und
Lassen seines Herrn und seiner Pferde. Alles andere ist für ihn
nicht vorhanden. Gegrüsst wird niemand, nicht einmal diejenigen
Herrschaften die dem Herrn das Geleite bis zur Schwelle ihres
Hauses geben. Nur wenn sein Herr ihn anspricht, erhebt er
sich und antwortet vorschriftsmässig salutierend. Beim ersten
Anzeichen, dass der Herr anhalten will, springt er behend vom
Wagen, um seinen für diesen Fall bestimmten Platz vor den
Pferden einzunehmen. In einem Nu voltigiert er auch vom
Rücksitz herunter, wenn er bemerkt, dass die Pferde aus irgend
einem Anlass im Begriffe stehen Unheil anzustiften und wo es
Not thut, weiss er durch warnenden Zuruf oder Handbewegung
Kollisionsgefahren vorzubeugen.
Wir geben gerne zu, dass solches, zumeist während schneller
Fahrt gefordetes Ab- und Hinaufvoltigieren nur dann glatt ab-
laufen wird, wenn es gründlich geübt worden. Es ist uns aber
auch nie in den Sinn gekommen, den Beruf eines herrschaft-
lichen Kutschers als einen bequemen und leicht zu erlernenden
hinzustellen.
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Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wrangel_luxusfuhrwerk_1898/199>, abgerufen am 24.07.2024.
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