Feyerlich, rührend, und ehrenvoll war seine Bestattung im Grabe: Sein erblaßter Leich- nam, nicht mehr den mörderischen Händen seiner Feinde ausgesetzt, von keinen Nägelmalen mehr durchbohrt, von keinem Speer mehr durchsto- chen, ruhte sanft in den Armen seiner Freunde, ward mit allen Ehrenbezeugungen, welche die Freundschaft Versto[r]benen erweisen kann, in die Ruhestätte eines angesehnen Mannes eingesenkt: kein Feind schaute mehr mit gierigen Blicken nach sei- ner Quaal, kein lärmendes Getöse des Hohngeläch- ters erschallte mehrum seine stille Gruft; selbst die Wache an seinem Grabe, dient nur zur Sicherheit seines kurzen Schlummers, und zur Bestättigung seiner nahen Auferstehung; seine Freunde weinen ihm eine schweigende Thräne nach: er schlummert im Frieden! -- Welch ein ehrenvolles Zeug- niß für seine Unschuld! Ein Mitglied jenes Raths des jüdischen Volkes, der Jesum als einen Auf- rührer verklagte, und mit wildem Ungestüm auf seine Verurtheilung drang, trägt kein Bedenken, sich öffentlich vor dem heidnischen Richter für ei- nen Freund des Gekreuzigten zu bekennen, ihn vom Todeshügel der Mißethäter in sein Grab aufzunehmen, und ihn mit dem festlichsten Ge- pränge zu bestatten: zu ihm gesellt sich noch ei-
ner
Feyerlich, rührend, und ehrenvoll war ſeine Beſtattung im Grabe: Sein erblaßter Leich- nam, nicht mehr den mörderiſchen Händen ſeiner Feinde ausgeſetzt, von keinen Nägelmalen mehr durchbohrt, von keinem Speer mehr durchſto- chen, ruhte ſanft in den Armen ſeiner Freunde, ward mit allen Ehrenbezeugungen, welche die Freundſchaft Verſto[r]benen erweiſen kann, in die Ruheſtätte eines angeſehnen Mannes eingeſenkt: kein Feind ſchaute mehr mit gierigen Blicken nach ſei- ner Quaal, kein lärmendes Getöſe des Hohngeläch- ters erſchallte mehrum ſeine ſtille Gruft; ſelbſt die Wache an ſeinem Grabe, dient nur zur Sicherheit ſeines kurzen Schlummers, und zur Beſtättigung ſeiner nahen Auferſtehung; ſeine Freunde weinen ihm eine ſchweigende Thräne nach: er ſchlummert im Frieden! — Welch ein ehrenvolles Zeug- niß für ſeine Unſchuld! Ein Mitglied jenes Raths des jüdiſchen Volkes, der Jeſum als einen Auf- rührer verklagte, und mit wildem Ungeſtüm auf ſeine Verurtheilung drang, trägt kein Bedenken, ſich öffentlich vor dem heidniſchen Richter für ei- nen Freund des Gekreuzigten zu bekennen, ihn vom Todeshügel der Mißethäter in ſein Grab aufzunehmen, und ihn mit dem feſtlichſten Ge- pränge zu beſtatten: zu ihm geſellt ſich noch ei-
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Feyerlich, rührend, und ehrenvoll war
ſeine Beſtattung im Grabe: Sein erblaßter Leich-
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Feinde ausgeſetzt, von keinen Nägelmalen mehr
durchbohrt, von keinem Speer mehr durchſto-
chen, ruhte ſanft in den Armen ſeiner Freunde,
ward mit allen Ehrenbezeugungen, welche die
Freundſchaft Verſtorbenen erweiſen kann, in die
Ruheſtätte eines angeſehnen Mannes eingeſenkt:
kein Feind ſchaute mehr mit gierigen Blicken nach ſei-
ner Quaal, kein lärmendes Getöſe des Hohngeläch-
ters erſchallte mehrum ſeine ſtille Gruft; ſelbſt die
Wache an ſeinem Grabe, dient nur zur Sicherheit
ſeines kurzen Schlummers, und zur Beſtättigung
ſeiner nahen Auferſtehung; ſeine Freunde weinen
ihm eine ſchweigende Thräne nach: er ſchlummert
im Frieden! — Welch ein ehrenvolles Zeug-
niß für ſeine Unſchuld! Ein Mitglied jenes Raths
des jüdiſchen Volkes, der Jeſum als einen Auf-
rührer verklagte, und mit wildem Ungeſtüm auf
ſeine Verurtheilung drang, trägt kein Bedenken,
ſich öffentlich vor dem heidniſchen Richter für ei-
nen Freund des Gekreuzigten zu bekennen, ihn
vom Todeshügel der Mißethäter in ſein Grab
aufzunehmen, und ihn mit dem feſtlichſten Ge-
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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/360>, abgerufen am 24.11.2024.
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