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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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ihn weinen, so will ich mich, still und einsam,
seiner mit Thränen des Danks und des from-
men Gedächtnißes freun; will mich dahin erhe-
ben, wohin das thränende Auge jener Frommen
nicht sah, zu der Höhe der Herrlichkeit jenseit
der Gräber, wo Jesus Christus, der Entschlaf-
ne, aber nun Auferstandne, jezt ewig lebt, und
mir zuruft: Weine nicht!

An seinem Grabe erzählt kein kostbares
Denkmal von seinen Thaten; und dennoch ist
auf demselben ein Gedächtniß eingegraben, wel-
ches noch dann unvergänglich in die Ewigkeiten
reicht, wenn alle Denkmäler über den Schutt
ihrer Gräber zusammengefallen, und mit den
Todtengebeinen Staub geworden sind. Sein
Grab ist längst schon leer; aber eine unerschöpf-
liche Fülle des Segens, hat sich aus demsel-
ben, über die Erde und den Himmel ausgebrei-
tet. Einst schlummerte er auf wenig Stun-
den darin; der Heilige und Unschuldige, der
Menschenfreund, von der Welt verkannt, nur
in des Himmels Augen groß; wenig Tage im
Stillen beweint, Jahrhunderte von der Nachwelt
laut gepriesen, Ewigkeiten von Seligen und
Engeln mit würdigern Lobliedern besungen.

Fey-
U 2



ihn weinen, ſo will ich mich, ſtill und einſam,
ſeiner mit Thränen des Danks und des from-
men Gedächtnißes freun; will mich dahin erhe-
ben, wohin das thränende Auge jener Frommen
nicht ſah, zu der Höhe der Herrlichkeit jenſeit
der Gräber, wo Jeſus Chriſtus, der Entſchlaf-
ne, aber nun Auferſtandne, jezt ewig lebt, und
mir zuruft: Weine nicht!

An ſeinem Grabe erzählt kein koſtbares
Denkmal von ſeinen Thaten; und dennoch iſt
auf demſelben ein Gedächtniß eingegraben, wel-
ches noch dann unvergänglich in die Ewigkeiten
reicht, wenn alle Denkmäler über den Schutt
ihrer Gräber zuſammengefallen, und mit den
Todtengebeinen Staub geworden ſind. Sein
Grab iſt längſt ſchon leer; aber eine unerſchöpf-
liche Fülle des Segens, hat ſich aus demſel-
ben, über die Erde und den Himmel ausgebrei-
tet. Einſt ſchlummerte er auf wenig Stun-
den darin; der Heilige und Unſchuldige, der
Menſchenfreund, von der Welt verkannt, nur
in des Himmels Augen groß; wenig Tage im
Stillen beweint, Jahrhunderte von der Nachwelt
laut geprieſen, Ewigkeiten von Seligen und
Engeln mit würdigern Lobliedern beſungen.

Fey-
U 2
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[307/0359] ihn weinen, ſo will ich mich, ſtill und einſam, ſeiner mit Thränen des Danks und des from- men Gedächtnißes freun; will mich dahin erhe- ben, wohin das thränende Auge jener Frommen nicht ſah, zu der Höhe der Herrlichkeit jenſeit der Gräber, wo Jeſus Chriſtus, der Entſchlaf- ne, aber nun Auferſtandne, jezt ewig lebt, und mir zuruft: Weine nicht! An ſeinem Grabe erzählt kein koſtbares Denkmal von ſeinen Thaten; und dennoch iſt auf demſelben ein Gedächtniß eingegraben, wel- ches noch dann unvergänglich in die Ewigkeiten reicht, wenn alle Denkmäler über den Schutt ihrer Gräber zuſammengefallen, und mit den Todtengebeinen Staub geworden ſind. Sein Grab iſt längſt ſchon leer; aber eine unerſchöpf- liche Fülle des Segens, hat ſich aus demſel- ben, über die Erde und den Himmel ausgebrei- tet. Einſt ſchlummerte er auf wenig Stun- den darin; der Heilige und Unſchuldige, der Menſchenfreund, von der Welt verkannt, nur in des Himmels Augen groß; wenig Tage im Stillen beweint, Jahrhunderte von der Nachwelt laut geprieſen, Ewigkeiten von Seligen und Engeln mit würdigern Lobliedern beſungen. Fey- U 2

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/359>, abgerufen am 24.11.2024.