Alle diese verschiedne Vortheile der ein- samen und gemeinschaftlichen Andacht, sind mit unsern geistlichen Bedürfnißen so genau übereinstimmend, daß wir weder der einen, noch der andern überhoben seyn können; daß wir vielmehr so viel stär- kere Hülfsmittel unsrer christlichen Recht- schaffenheit gewinnen, je genauer wir sie mit einander zu verbinden, je weiser wir unter denselben abzuwechseln wißen.
Sich dem öffentlichen Gottesdienst, ohne dringende Abhaltungen, zu oft und zu lange entziehn, um sich in der Einsam- keit mit sich selbst zu beschäftigen, ist oft Stolz, oft Gleißnerei, oft eine Frucht des Menschenhaßes; das verführt uns zu leicht, unsrer Andacht einen zu hohen Werth bei- zulegen, sie für die Tugend selbst anzu- sehn, da sie doch Ermunterung und Stär- kung zu derselben werden soll; uns für frömmer, als wir in der That sind, zu halten, und manche andre, die uns vielleicht an gu-
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Alle dieſe verſchiedne Vortheile der ein- ſamen und gemeinſchaftlichen Andacht, ſind mit unſern geiſtlichen Bedürfnißen ſo genau übereinſtimmend, daß wir weder der einen, noch der andern überhoben ſeyn können; daß wir vielmehr ſo viel ſtär- kere Hülfsmittel unſrer chriſtlichen Recht- ſchaffenheit gewinnen, je genauer wir ſie mit einander zu verbinden, je weiſer wir unter denſelben abzuwechſeln wißen.
Sich dem öffentlichen Gottesdienſt, ohne dringende Abhaltungen, zu oft und zu lange entziehn, um ſich in der Einſam- keit mit ſich ſelbſt zu beſchäftigen, iſt oft Stolz, oft Gleißnerei, oft eine Frucht des Menſchenhaßes; das verführt uns zu leicht, unſrer Andacht einen zu hohen Werth bei- zulegen, ſie für die Tugend ſelbſt anzu- ſehn, da ſie doch Ermunterung und Stär- kung zu derſelben werden ſoll; uns für frömmer, als wir in der That ſind, zu halten, und manche andre, die uns vielleicht an gu-
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[XXIX/0033]
Alle dieſe verſchiedne Vortheile der ein-
ſamen und gemeinſchaftlichen Andacht,
ſind mit unſern geiſtlichen Bedürfnißen
ſo genau übereinſtimmend, daß wir weder
der einen, noch der andern überhoben
ſeyn können; daß wir vielmehr ſo viel ſtär-
kere Hülfsmittel unſrer chriſtlichen Recht-
ſchaffenheit gewinnen, je genauer wir ſie
mit einander zu verbinden, je weiſer wir
unter denſelben abzuwechſeln wißen.
Sich dem öffentlichen Gottesdienſt,
ohne dringende Abhaltungen, zu oft und
zu lange entziehn, um ſich in der Einſam-
keit mit ſich ſelbſt zu beſchäftigen, iſt oft
Stolz, oft Gleißnerei, oft eine Frucht des
Menſchenhaßes; das verführt uns zu leicht,
unſrer Andacht einen zu hohen Werth bei-
zulegen, ſie für die Tugend ſelbſt anzu-
ſehn, da ſie doch Ermunterung und Stär-
kung zu derſelben werden ſoll; uns für
frömmer, als wir in der That ſind, zu halten,
und manche andre, die uns vielleicht an gu-
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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. XXIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/33>, abgerufen am 21.11.2024.
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