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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

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Mein Reich ist nicht von dieser Welt:
sprach der angeklagte Erlöser. Nicht ein irdi-
sches
Reich: wollte er sagen: sondern ein himm-
lisches
Reich: nicht ein Reich, über einzelne
Staaten; sondern über alle Völker der Erde:
nicht ein Reich, das Zeit und Krieg, und Ver-
wüstung und Tod zerstören; sondern, welches die
Unvergänglichkeit der Ewigkeit aufrecht erhält:
nicht ein Reich, welches ich mit dem Blute zahl-
reicher Heere; sondern ein Reich, welches ich
mit meinem eignen Blute erkaufe, zu dessen
glorreichen Höhen ich mich durch einen furcht-
baren Tod emporschwinge: nicht ein Reich, dessen
Bürger sich auf Erden, durch äußres Gepränge
und zeitliche Vortheile unterscheiden; sondern
ein Reich, dessen folgsame Unterthanen, von
der Welt oft verkannt, mir ihrem Herrn allein
offenbar, nach den ewig unwandelbaren Tugend-
gesetzen meiner Lehre wandeln, und unter jeder
Veränderung wandelbarer Glücksumstände, innre
Zufriedenheit und stille Freuden der Seele genie-
ßen: nicht ein Reich, dessen Herrlichkeit und
Freuden hienieden sichtbar erscheinen, hienieden
völlig genoßen werden; sondern ein Reich, des-
sen glorreiche Wonne, sich jedem meiner treuen
Reichsgenoßen dann erst verklärt, wann ihn

der


Mein Reich iſt nicht von dieſer Welt:
ſprach der angeklagte Erlöſer. Nicht ein irdi-
ſches
Reich: wollte er ſagen: ſondern ein himm-
liſches
Reich: nicht ein Reich, über einzelne
Staaten; ſondern über alle Völker der Erde:
nicht ein Reich, das Zeit und Krieg, und Ver-
wüſtung und Tod zerſtören; ſondern, welches die
Unvergänglichkeit der Ewigkeit aufrecht erhält:
nicht ein Reich, welches ich mit dem Blute zahl-
reicher Heere; ſondern ein Reich, welches ich
mit meinem eignen Blute erkaufe, zu deſſen
glorreichen Höhen ich mich durch einen furcht-
baren Tod emporſchwinge: nicht ein Reich, deſſen
Bürger ſich auf Erden, durch äußres Gepränge
und zeitliche Vortheile unterſcheiden; ſondern
ein Reich, deſſen folgſame Unterthanen, von
der Welt oft verkannt, mir ihrem Herrn allein
offenbar, nach den ewig unwandelbaren Tugend-
geſetzen meiner Lehre wandeln, und unter jeder
Veränderung wandelbarer Glücksumſtände, innre
Zufriedenheit und ſtille Freuden der Seele genie-
ßen: nicht ein Reich, deſſen Herrlichkeit und
Freuden hienieden ſichtbar erſcheinen, hienieden
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[238/0290] Mein Reich iſt nicht von dieſer Welt: ſprach der angeklagte Erlöſer. Nicht ein irdi- ſches Reich: wollte er ſagen: ſondern ein himm- liſches Reich: nicht ein Reich, über einzelne Staaten; ſondern über alle Völker der Erde: nicht ein Reich, das Zeit und Krieg, und Ver- wüſtung und Tod zerſtören; ſondern, welches die Unvergänglichkeit der Ewigkeit aufrecht erhält: nicht ein Reich, welches ich mit dem Blute zahl- reicher Heere; ſondern ein Reich, welches ich mit meinem eignen Blute erkaufe, zu deſſen glorreichen Höhen ich mich durch einen furcht- baren Tod emporſchwinge: nicht ein Reich, deſſen Bürger ſich auf Erden, durch äußres Gepränge und zeitliche Vortheile unterſcheiden; ſondern ein Reich, deſſen folgſame Unterthanen, von der Welt oft verkannt, mir ihrem Herrn allein offenbar, nach den ewig unwandelbaren Tugend- geſetzen meiner Lehre wandeln, und unter jeder Veränderung wandelbarer Glücksumſtände, innre Zufriedenheit und ſtille Freuden der Seele genie- ßen: nicht ein Reich, deſſen Herrlichkeit und Freuden hienieden ſichtbar erſcheinen, hienieden völlig genoßen werden; ſondern ein Reich, deſ- ſen glorreiche Wonne, ſich jedem meiner treuen Reichsgenoßen dann erſt verklärt, wann ihn der

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Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/290>, abgerufen am 22.11.2024.