Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
Zeugung die Auferziehung auf das aller-
genaueste, und leget deswegen den Eltern
ein gewisses Recht über die Handlungen
der Kinder bey. Und weil die Ehen die-
ses Endzwecks halber vollzogen werden,
so erlangt ein Ehegatte vermöge der Ein-
willigung ein gewisses Recht über die
Handlungen des andern. Weil auch die
Leistung beständiger Arbeiten für einen
beständigen Unterhalt, worinn natürli-
cher weise die Knechtschaft bestehet, mit
dem Recht der Natur übereinstimmt;
so tritt aus der Unterwerfung ein Recht
des Herrn über die Handlungen des
Knechts hervor. Derowegen weil das
Recht über die Handlungen des andern
die Herrschaft heißt; so erhellet nunmeh-
ro der Ursprung der Privatherrschaft,
worinn das Recht über die Personen, wie
man es gemeiniglich nennet, enthalten ist.
Da nun aber eintzelne ihre Rechte nicht
genug vertheidigen, auch dieselben von
andern, die dazu keine Lust bezeigen wür-
den, ohne Gewalt und sehr zweifelhaf-
ten Ausgange nicht erhalten, und nicht
füglich für dasjenige sorgen konten, was
zum hinlänglichen Unterhalt des Lebens

gehö-

Vorrede.
Zeugung die Auferziehung auf das aller-
genaueſte, und leget deswegen den Eltern
ein gewiſſes Recht uͤber die Handlungen
der Kinder bey. Und weil die Ehen die-
ſes Endzwecks halber vollzogen werden,
ſo erlangt ein Ehegatte vermoͤge der Ein-
willigung ein gewiſſes Recht uͤber die
Handlungen des andern. Weil auch die
Leiſtung beſtaͤndiger Arbeiten fuͤr einen
beſtaͤndigen Unterhalt, worinn natuͤrli-
cher weiſe die Knechtſchaft beſtehet, mit
dem Recht der Natur uͤbereinſtimmt;
ſo tritt aus der Unterwerfung ein Recht
des Herrn uͤber die Handlungen des
Knechts hervor. Derowegen weil das
Recht uͤber die Handlungen des andern
die Herrſchaft heißt; ſo erhellet nunmeh-
ro der Urſprung der Privatherrſchaft,
worinn das Recht uͤber die Perſonen, wie
man es gemeiniglich nennet, enthalten iſt.
Da nun aber eintzelne ihre Rechte nicht
genug vertheidigen, auch dieſelben von
andern, die dazu keine Luſt bezeigen wuͤr-
den, ohne Gewalt und ſehr zweifelhaf-
ten Ausgange nicht erhalten, und nicht
fuͤglich fuͤr dasjenige ſorgen konten, was
zum hinlaͤnglichen Unterhalt des Lebens

gehoͤ-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><pb facs="#f0028"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
Zeugung die Auferziehung auf das aller-<lb/>
genaue&#x017F;te, und leget deswegen den Eltern<lb/>
ein gewi&#x017F;&#x017F;es Recht u&#x0364;ber die Handlungen<lb/>
der Kinder bey. Und weil die Ehen die-<lb/>
&#x017F;es Endzwecks halber vollzogen werden,<lb/>
&#x017F;o erlangt ein Ehegatte vermo&#x0364;ge der Ein-<lb/>
willigung ein gewi&#x017F;&#x017F;es Recht u&#x0364;ber die<lb/>
Handlungen des andern. Weil auch die<lb/>
Lei&#x017F;tung be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Arbeiten fu&#x0364;r einen<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Unterhalt, worinn natu&#x0364;rli-<lb/>
cher wei&#x017F;e die Knecht&#x017F;chaft be&#x017F;tehet, mit<lb/>
dem Recht der Natur u&#x0364;berein&#x017F;timmt;<lb/>
&#x017F;o tritt aus der Unterwerfung ein Recht<lb/>
des Herrn u&#x0364;ber die Handlungen des<lb/>
Knechts hervor. Derowegen weil das<lb/>
Recht u&#x0364;ber die Handlungen des andern<lb/>
die Herr&#x017F;chaft heißt; &#x017F;o erhellet nunmeh-<lb/>
ro der Ur&#x017F;prung der Privatherr&#x017F;chaft,<lb/>
worinn das Recht u&#x0364;ber die Per&#x017F;onen, wie<lb/>
man es gemeiniglich nennet, enthalten i&#x017F;t.<lb/>
Da nun aber eintzelne ihre Rechte nicht<lb/>
genug vertheidigen, auch die&#x017F;elben von<lb/>
andern, die dazu keine Lu&#x017F;t bezeigen wu&#x0364;r-<lb/>
den, ohne Gewalt und &#x017F;ehr zweifelhaf-<lb/>
ten Ausgange nicht erhalten, und nicht<lb/>
fu&#x0364;glich fu&#x0364;r dasjenige &#x017F;orgen konten, was<lb/>
zum hinla&#x0364;nglichen Unterhalt des Lebens<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">geho&#x0364;-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0028] Vorrede. Zeugung die Auferziehung auf das aller- genaueſte, und leget deswegen den Eltern ein gewiſſes Recht uͤber die Handlungen der Kinder bey. Und weil die Ehen die- ſes Endzwecks halber vollzogen werden, ſo erlangt ein Ehegatte vermoͤge der Ein- willigung ein gewiſſes Recht uͤber die Handlungen des andern. Weil auch die Leiſtung beſtaͤndiger Arbeiten fuͤr einen beſtaͤndigen Unterhalt, worinn natuͤrli- cher weiſe die Knechtſchaft beſtehet, mit dem Recht der Natur uͤbereinſtimmt; ſo tritt aus der Unterwerfung ein Recht des Herrn uͤber die Handlungen des Knechts hervor. Derowegen weil das Recht uͤber die Handlungen des andern die Herrſchaft heißt; ſo erhellet nunmeh- ro der Urſprung der Privatherrſchaft, worinn das Recht uͤber die Perſonen, wie man es gemeiniglich nennet, enthalten iſt. Da nun aber eintzelne ihre Rechte nicht genug vertheidigen, auch dieſelben von andern, die dazu keine Luſt bezeigen wuͤr- den, ohne Gewalt und ſehr zweifelhaf- ten Ausgange nicht erhalten, und nicht fuͤglich fuͤr dasjenige ſorgen konten, was zum hinlaͤnglichen Unterhalt des Lebens gehoͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/28
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/28>, abgerufen am 23.11.2024.