Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_041.001 Die Priester dort sind goldbediademt, pwo_041.002 pwo_041.003Die Großen tragen Gürtel goldverbrämt." Also selbst die Priester sind jetzt goldbediademt! Desgleichen die pwo_041.004 "Aus diademgeschmückter Sänger Reih'n pwo_041.006 pwo_041.007Erscholl Gesang." Der Held ist wiederum der Unvergleichliche: pwo_041.008"O - riefen alle Frau'n - der Kühnaufstrebende, pwo_041.009 pwo_041.012Der Kronenwerte, stolz sein Haupt Erhebende, pwo_041.010 Den andern Menschen gleicht er nun und nimmer; pwo_041.011 Es strahlt sein Geist aus ihm mit hellem Schimmer." Jst er schon ein Mensch, so gleicht er wenigstens nicht andern pwo_041.013 Kampf ist natürlich das eigentliche, ursprünglich wohl ausschließliche pwo_041.015 "Von küener recken streiten muget ir nu wunder hoeren sagen" - pwo_041.017lautet die Vorankündigung des Nibelungenliedes. pwo_041.018 Aber dieses Gedicht wie die übrigen vorgeführten Nationalepopöen pwo_041.019 Doch alle Zeugnisse aus der Heroenzeit beweisen gleichmäßig, pwo_041.030 pwo_041.001 Die Priester dort sind goldbediademt, pwo_041.002 pwo_041.003Die Großen tragen Gürtel goldverbrämt.“ Also selbst die Priester sind jetzt goldbediademt! Desgleichen die pwo_041.004 „Aus diademgeschmückter Sänger Reih'n pwo_041.006 pwo_041.007Erscholl Gesang.“ Der Held ist wiederum der Unvergleichliche: pwo_041.008„O – riefen alle Frau'n – der Kühnaufstrebende, pwo_041.009 pwo_041.012Der Kronenwerte, stolz sein Haupt Erhebende, pwo_041.010 Den andern Menschen gleicht er nun und nimmer; pwo_041.011 Es strahlt sein Geist aus ihm mit hellem Schimmer.“ Jst er schon ein Mensch, so gleicht er wenigstens nicht andern pwo_041.013 Kampf ist natürlich das eigentliche, ursprünglich wohl ausschließliche pwo_041.015 „Von küener recken strîten muget ir nu wunder hoeren sagen“ – pwo_041.017lautet die Vorankündigung des Nibelungenliedes. pwo_041.018 Aber dieses Gedicht wie die übrigen vorgeführten Nationalepopöen pwo_041.019 Doch alle Zeugnisse aus der Heroenzeit beweisen gleichmäßig, pwo_041.030 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0055" n="41"/> <lb n="pwo_041.001"/> <lg> <l>Die Priester dort sind <hi rendition="#g">goldbediademt,</hi></l> <lb n="pwo_041.002"/> <l>Die Großen tragen Gürtel <hi rendition="#g">goldverbrämt</hi>.“</l> </lg> <lb n="pwo_041.003"/> <p>Also selbst die Priester sind jetzt goldbediademt! 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Der <lb n="pwo_041.021"/> älteren Heldendichtung scheint Schönheit nur als Kraft begehrenswert <lb n="pwo_041.022"/> gewesen. Dieser Zusammenhang mit der alten Erhabenheit der Poesie <lb n="pwo_041.023"/> läßt sich gerade noch auf germanischem Gebiete verfolgen, wie überall <lb n="pwo_041.024"/> wo einige wenn auch noch so spärliche Reste von jenen heroischen <lb n="pwo_041.025"/> Einzelliedern erhalten sind, welche der ausgeführten litterarischen <lb n="pwo_041.026"/> Epopöe vorangehen. Das Hildebrandslied und die in die Edda aufgenommenen <lb n="pwo_041.027"/> Heldenlieder vermitteln uns die rauhe Kraft und furchtbar <lb n="pwo_041.028"/> tragische Gewalt des alten Heldentums.</p> <lb n="pwo_041.029"/> <p> Doch alle Zeugnisse aus der Heroenzeit beweisen gleichmäßig, <lb n="pwo_041.030"/> daß noch immer, trotz des Herabsteigens von den Göttern zu den <lb n="pwo_041.031"/> Heroen, eine Erhebung über die gewöhnlich menschliche Sphäre in <lb n="pwo_041.032"/> der Tendenz der poetischen Entwicklung liegt. Als außergewöhnlich, <lb n="pwo_041.033"/> einzig in ihrer Art erscheinen die Helden, ausgezeichnet durch Kraft, <lb n="pwo_041.034"/> Tapferkeit, Hoheit, Wohlgestalt, Beliebtheit bei Frauen, nicht minder <lb n="pwo_041.035"/> durch äußern Schmuck: Kronen, Gold, Geschmeide.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0055]
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Die Priester dort sind goldbediademt, pwo_041.002
Die Großen tragen Gürtel goldverbrämt.“
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Also selbst die Priester sind jetzt goldbediademt! Desgleichen die pwo_041.004
Dichter:
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„Aus diademgeschmückter Sänger Reih'n pwo_041.006
Erscholl Gesang.“
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Der Held ist wiederum der Unvergleichliche:
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„O – riefen alle Frau'n – der Kühnaufstrebende, pwo_041.009
Der Kronenwerte, stolz sein Haupt Erhebende, pwo_041.010
Den andern Menschen gleicht er nun und nimmer; pwo_041.011
Es strahlt sein Geist aus ihm mit hellem Schimmer.“
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Jst er schon ein Mensch, so gleicht er wenigstens nicht andern pwo_041.013
Menschen.
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Kampf ist natürlich das eigentliche, ursprünglich wohl ausschließliche pwo_041.015
Element dieser Heroendichtung.
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„Von küener recken strîten muget ir nu wunder hoeren sagen“ –
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lautet die Vorankündigung des Nibelungenliedes.
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Aber dieses Gedicht wie die übrigen vorgeführten Nationalepopöen pwo_041.019
gehören bereits einer weit vorgeschrittenen Periode der heroischen pwo_041.020
Epoche an, wo Glanz und Behagen errungen waren. Der pwo_041.021
älteren Heldendichtung scheint Schönheit nur als Kraft begehrenswert pwo_041.022
gewesen. Dieser Zusammenhang mit der alten Erhabenheit der Poesie pwo_041.023
läßt sich gerade noch auf germanischem Gebiete verfolgen, wie überall pwo_041.024
wo einige wenn auch noch so spärliche Reste von jenen heroischen pwo_041.025
Einzelliedern erhalten sind, welche der ausgeführten litterarischen pwo_041.026
Epopöe vorangehen. Das Hildebrandslied und die in die Edda aufgenommenen pwo_041.027
Heldenlieder vermitteln uns die rauhe Kraft und furchtbar pwo_041.028
tragische Gewalt des alten Heldentums.
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Doch alle Zeugnisse aus der Heroenzeit beweisen gleichmäßig, pwo_041.030
daß noch immer, trotz des Herabsteigens von den Göttern zu den pwo_041.031
Heroen, eine Erhebung über die gewöhnlich menschliche Sphäre in pwo_041.032
der Tendenz der poetischen Entwicklung liegt. Als außergewöhnlich, pwo_041.033
einzig in ihrer Art erscheinen die Helden, ausgezeichnet durch Kraft, pwo_041.034
Tapferkeit, Hoheit, Wohlgestalt, Beliebtheit bei Frauen, nicht minder pwo_041.035
durch äußern Schmuck: Kronen, Gold, Geschmeide.
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