Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_042.001 Wenn statt der Erhabenheit schon stellenweise die Schönheit gepriesen pwo_042.002 pwo_042.011 § 29. pwo_042.012 pwo_042.013Heldenhafte Vorstellungen in der Poesie. Wiederum bestätigt sich der Grundsatz, daß dem menschlichen pwo_042.014 Die durchgreifende Wirksamkeit dieses geistigen Erbes läßt sich pwo_042.021 Jn diesem Zusammenhang erscheint es nicht mehr als "Eigentümlichkeit", pwo_042.023 "Mein Herz ergab sich pwo_042.031 pwo_042.032Ganz unbedingt an meines Herrn Beruf"; sie verwendet ebenso gegen den Vater die Vorstellung: pwo_042.033"Jhr seid Herrscher meiner Pflicht." pwo_042.034Boileau schreibt eine "Apologie der Wahrheit" in Ausdrücken wie: pwo_042.035 pwo_042.001 Wenn statt der Erhabenheit schon stellenweise die Schönheit gepriesen pwo_042.002 pwo_042.011 § 29. pwo_042.012 pwo_042.013Heldenhafte Vorstellungen in der Poesie. Wiederum bestätigt sich der Grundsatz, daß dem menschlichen pwo_042.014 Die durchgreifende Wirksamkeit dieses geistigen Erbes läßt sich pwo_042.021 Jn diesem Zusammenhang erscheint es nicht mehr als „Eigentümlichkeit“, pwo_042.023 „Mein Herz ergab sich pwo_042.031 pwo_042.032Ganz unbedingt an meines Herrn Beruf“; sie verwendet ebenso gegen den Vater die Vorstellung: pwo_042.033„Jhr seid Herrscher meiner Pflicht.“ pwo_042.034Boileau schreibt eine „Apologie der Wahrheit“ in Ausdrücken wie: pwo_042.035 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0056" n="42"/> <lb n="pwo_042.001"/> <p> Wenn statt der Erhabenheit schon stellenweise die Schönheit gepriesen <lb n="pwo_042.002"/> und erstrebt wird, so offenbart sich damit nur eine neue Erscheinungsform <lb n="pwo_042.003"/> desselben Prinzipes: Der Dichter sucht mit seinem <lb n="pwo_042.004"/> Ausdruck die ungewöhnliche Größe seines Helden zu erreichen. <hi rendition="#g">Ragt</hi> <lb n="pwo_042.005"/> dieser über Menschliches völlig <hi rendition="#g">hinaus,</hi> so kann der dichterische <lb n="pwo_042.006"/> Ausdruck sich ihm nur annähern, ihn nicht erreichen, – wird danach <lb n="pwo_042.007"/> <hi rendition="#g">erhaben.</hi> Jn dem Maße aber, wie der Held in die menschliche <lb n="pwo_042.008"/> Sphäre <hi rendition="#g">hineinragt,</hi> vermag das Wort des Dichters ihn konform <lb n="pwo_042.009"/> zu erreichen; und die geschlossene Harmonie zwischen Form und Jnhalt <lb n="pwo_042.010"/> nennen wir <hi rendition="#g">Schönheit.</hi></p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_042.011"/> <head> <hi rendition="#c">§ 29. <lb n="pwo_042.012"/> Heldenhafte Vorstellungen in der Poesie.</hi> </head> <lb n="pwo_042.013"/> <p> Wiederum bestätigt sich der Grundsatz, daß dem menschlichen <lb n="pwo_042.014"/> Geiste nichts verloren geht, was er einmal errungen hat: ein Ausfluß <lb n="pwo_042.015"/> des Theismus der ältesten bekannten Poesie war der Theomorphismus, <lb n="pwo_042.016"/> als Ausfluß des Heroismus der zweiten großen Epoche darf <lb n="pwo_042.017"/> man eine Art von poetischem <hi rendition="#g">Heroomorphismus</hi> ansetzen, das <lb n="pwo_042.018"/> Fortleben heldenhafter Vorstellungen in aller künftigen, wie immer <lb n="pwo_042.019"/> sonst gearteten Poesie.</p> <lb n="pwo_042.020"/> <p> Die durchgreifende Wirksamkeit dieses geistigen Erbes läßt sich <lb n="pwo_042.021"/> ebenfalls auf fast jeder Seite der Weltlitteratur nachweisen.</p> <lb n="pwo_042.022"/> <p> Jn diesem Zusammenhang erscheint es nicht mehr als „Eigentümlichkeit“, <lb n="pwo_042.023"/> sondern als Gesetzmäßigkeit, wenn die Minnepoesie des <lb n="pwo_042.024"/> Mittelalters die Liebe gern als Lehnsverhältnis faßt. Kein Zufall <lb n="pwo_042.025"/> darf uns gelten, daß die poetische Auffassung von den Beziehungen <lb n="pwo_042.026"/> beider Geschlechter noch heute einen Nachklang dieser Auffassung bietet. <lb n="pwo_042.027"/> Auch andere Vorstellungen solcher Art blieben noch der neueren Dichtung <lb n="pwo_042.028"/> erhalten. Shakespeares Desdemona spricht von dem Geliebten <lb n="pwo_042.029"/> nicht nur in Wendungen wie:</p> <lb n="pwo_042.030"/> <lg> <l> „Mein Herz ergab sich</l> <lb n="pwo_042.031"/> <l>Ganz unbedingt an meines <hi rendition="#g">Herrn</hi> Beruf“;</l> </lg> <lb n="pwo_042.032"/> <p>sie verwendet ebenso gegen den Vater die Vorstellung:</p> <lb n="pwo_042.033"/> <lg> <l>„Jhr seid <hi rendition="#g">Herrscher</hi> meiner Pflicht.“</l> </lg> <lb n="pwo_042.034"/> <p>Boileau schreibt eine „Apologie der Wahrheit“ in Ausdrücken wie: <lb n="pwo_042.035"/> „sie muß regieren, glänzen, siegen“ u. s. f., alles doch Vorstellungen, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0056]
pwo_042.001
Wenn statt der Erhabenheit schon stellenweise die Schönheit gepriesen pwo_042.002
und erstrebt wird, so offenbart sich damit nur eine neue Erscheinungsform pwo_042.003
desselben Prinzipes: Der Dichter sucht mit seinem pwo_042.004
Ausdruck die ungewöhnliche Größe seines Helden zu erreichen. Ragt pwo_042.005
dieser über Menschliches völlig hinaus, so kann der dichterische pwo_042.006
Ausdruck sich ihm nur annähern, ihn nicht erreichen, – wird danach pwo_042.007
erhaben. Jn dem Maße aber, wie der Held in die menschliche pwo_042.008
Sphäre hineinragt, vermag das Wort des Dichters ihn konform pwo_042.009
zu erreichen; und die geschlossene Harmonie zwischen Form und Jnhalt pwo_042.010
nennen wir Schönheit.
pwo_042.011
§ 29. pwo_042.012
Heldenhafte Vorstellungen in der Poesie. pwo_042.013
Wiederum bestätigt sich der Grundsatz, daß dem menschlichen pwo_042.014
Geiste nichts verloren geht, was er einmal errungen hat: ein Ausfluß pwo_042.015
des Theismus der ältesten bekannten Poesie war der Theomorphismus, pwo_042.016
als Ausfluß des Heroismus der zweiten großen Epoche darf pwo_042.017
man eine Art von poetischem Heroomorphismus ansetzen, das pwo_042.018
Fortleben heldenhafter Vorstellungen in aller künftigen, wie immer pwo_042.019
sonst gearteten Poesie.
pwo_042.020
Die durchgreifende Wirksamkeit dieses geistigen Erbes läßt sich pwo_042.021
ebenfalls auf fast jeder Seite der Weltlitteratur nachweisen.
pwo_042.022
Jn diesem Zusammenhang erscheint es nicht mehr als „Eigentümlichkeit“, pwo_042.023
sondern als Gesetzmäßigkeit, wenn die Minnepoesie des pwo_042.024
Mittelalters die Liebe gern als Lehnsverhältnis faßt. Kein Zufall pwo_042.025
darf uns gelten, daß die poetische Auffassung von den Beziehungen pwo_042.026
beider Geschlechter noch heute einen Nachklang dieser Auffassung bietet. pwo_042.027
Auch andere Vorstellungen solcher Art blieben noch der neueren Dichtung pwo_042.028
erhalten. Shakespeares Desdemona spricht von dem Geliebten pwo_042.029
nicht nur in Wendungen wie:
pwo_042.030
„Mein Herz ergab sich pwo_042.031
Ganz unbedingt an meines Herrn Beruf“;
pwo_042.032
sie verwendet ebenso gegen den Vater die Vorstellung:
pwo_042.033
„Jhr seid Herrscher meiner Pflicht.“
pwo_042.034
Boileau schreibt eine „Apologie der Wahrheit“ in Ausdrücken wie: pwo_042.035
„sie muß regieren, glänzen, siegen“ u. s. f., alles doch Vorstellungen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |