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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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Wenn statt der Erhabenheit schon stellenweise die Schönheit gepriesen pwo_042.002
und erstrebt wird, so offenbart sich damit nur eine neue Erscheinungsform pwo_042.003
desselben Prinzipes: Der Dichter sucht mit seinem pwo_042.004
Ausdruck die ungewöhnliche Größe seines Helden zu erreichen. Ragt pwo_042.005
dieser über Menschliches völlig hinaus, so kann der dichterische pwo_042.006
Ausdruck sich ihm nur annähern, ihn nicht erreichen, - wird danach pwo_042.007
erhaben. Jn dem Maße aber, wie der Held in die menschliche pwo_042.008
Sphäre hineinragt, vermag das Wort des Dichters ihn konform pwo_042.009
zu erreichen; und die geschlossene Harmonie zwischen Form und Jnhalt pwo_042.010
nennen wir Schönheit.

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§ 29. pwo_042.012
Heldenhafte Vorstellungen in der Poesie.
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Wiederum bestätigt sich der Grundsatz, daß dem menschlichen pwo_042.014
Geiste nichts verloren geht, was er einmal errungen hat: ein Ausfluß pwo_042.015
des Theismus der ältesten bekannten Poesie war der Theomorphismus, pwo_042.016
als Ausfluß des Heroismus der zweiten großen Epoche darf pwo_042.017
man eine Art von poetischem Heroomorphismus ansetzen, das pwo_042.018
Fortleben heldenhafter Vorstellungen in aller künftigen, wie immer pwo_042.019
sonst gearteten Poesie.

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Die durchgreifende Wirksamkeit dieses geistigen Erbes läßt sich pwo_042.021
ebenfalls auf fast jeder Seite der Weltlitteratur nachweisen.

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Jn diesem Zusammenhang erscheint es nicht mehr als "Eigentümlichkeit", pwo_042.023
sondern als Gesetzmäßigkeit, wenn die Minnepoesie des pwo_042.024
Mittelalters die Liebe gern als Lehnsverhältnis faßt. Kein Zufall pwo_042.025
darf uns gelten, daß die poetische Auffassung von den Beziehungen pwo_042.026
beider Geschlechter noch heute einen Nachklang dieser Auffassung bietet. pwo_042.027
Auch andere Vorstellungen solcher Art blieben noch der neueren Dichtung pwo_042.028
erhalten. Shakespeares Desdemona spricht von dem Geliebten pwo_042.029
nicht nur in Wendungen wie:

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"Mein Herz ergab sich pwo_042.031
Ganz unbedingt an meines Herrn Beruf";
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sie verwendet ebenso gegen den Vater die Vorstellung:

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"Jhr seid Herrscher meiner Pflicht."
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Boileau schreibt eine "Apologie der Wahrheit" in Ausdrücken wie: pwo_042.035
"sie muß regieren, glänzen, siegen" u. s. f., alles doch Vorstellungen,

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„Jhr seid Herrscher meiner Pflicht.“
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Boileau schreibt eine „Apologie der Wahrheit“ in Ausdrücken wie: pwo_042.035
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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/56>, abgerufen am 23.11.2024.