Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

Bild:
<< vorherige Seite
pwo_030.001
Jm Weh'n ergreif' ich alles, was da lebet, pwo_030.002
Jenseit des Himmels, jenseit dieser Erde; pwo_030.003
So groß bin ich durch meine Macht und Größe."
pwo_030.004

An anderer Stelle unterrichten uns die Sänger selbst über ihre pwo_030.005
Mission:

pwo_030.006
"Den Jndra hat die Götterschaar pwo_030.007
Zur Vitratötung ausersehn; pwo_030.008
Jhm tönet zu der Sänger Chor pwo_030.009
Zu hoher Kraft. pwo_030.010
Den Großen preisen wir mit Macht; pwo_030.011
Mit Loblied den, der Ruf erhört, pwo_030.012
Erheben ihn mit Liederschall pwo_030.013
Zu hoher Kraft ... pwo_030.014
Dies Preislied bringt, o Jndra, dir pwo_030.015
Der Sänger dar mit frommem Sinn, pwo_030.016
Das schwesterlich den Schritten folgt pwo_030.017
Beim Opferfest."
pwo_030.018

Göttlichen Ursprungs rühmt sich demnach diese Poesie, und eine göttliche pwo_030.019
Mission glaubt sie zu erfüllen; die Götter erhebt sie und ragt pwo_030.020
selbst über Menschliches hinaus an den Himmel.

pwo_030.021

Religiös erhaben tritt uns auch die älteste bekannte Dichtung der pwo_030.022
Parsen entgegen. Jm Zend-Avesta fleht der Sänger zu Ormuzd:

pwo_030.023

"Mir, deinem Freund, der zu dir betet mit Reinigkeit ..., pwo_030.024
gieb eine Zunge der Weisheit! ... Jetzt gieb mir alles Großen pwo_030.025
Vollendung! Meines Herzens Sehnen und Regungen müssen pwo_030.026
erhaben sein! Durch dich werden sie groß und glänzend pwo_030.027
wie des Tages Licht!"

pwo_030.028

Den gleichen, durchaus religiösen Gehalt zeigt, wie zur Genüge bekannt, pwo_030.029
die ältere hebräische Poesie. Sehen wir zu, wie ein solcher pwo_030.030
Sänger das Anheben seines Liedes motiviert. Der Lobgesang pwo_030.031
Mose schallt:

pwo_030.032

"Singen will ich dem Herrn, denn er ist hoch erhaben; pwo_030.033
Roß und Reiter stürzt er ins Meer."

pwo_030.034

Aehnlich bezeichnet Hannah die Ursache ihres Dankliedes:

pwo_030.035

"Mein Herz frohlockt in dem Herrn! Erhoben ist meine pwo_030.036
Kraft
durch den Herrn! Es thut sich mein Mund auf gegen pwo_030.037
meine Feinde, denn ich erfreue mich deiner Hilfe."

pwo_030.001
Jm Weh'n ergreif' ich alles, was da lebet, pwo_030.002
Jenseit des Himmels, jenseit dieser Erde; pwo_030.003
So groß bin ich durch meine Macht und Größe.“
pwo_030.004

An anderer Stelle unterrichten uns die Sänger selbst über ihre pwo_030.005
Mission:

pwo_030.006
„Den Jndra hat die Götterschaar pwo_030.007
Zur Vitratötung ausersehn; pwo_030.008
Jhm tönet zu der Sänger Chor pwo_030.009
Zu hoher Kraft. pwo_030.010
Den Großen preisen wir mit Macht; pwo_030.011
Mit Loblied den, der Ruf erhört, pwo_030.012
Erheben ihn mit Liederschall pwo_030.013
Zu hoher Kraft ... pwo_030.014
Dies Preislied bringt, o Jndra, dir pwo_030.015
Der Sänger dar mit frommem Sinn, pwo_030.016
Das schwesterlich den Schritten folgt pwo_030.017
Beim Opferfest.“
pwo_030.018

Göttlichen Ursprungs rühmt sich demnach diese Poesie, und eine göttliche pwo_030.019
Mission glaubt sie zu erfüllen; die Götter erhebt sie und ragt pwo_030.020
selbst über Menschliches hinaus an den Himmel.

pwo_030.021

  Religiös erhaben tritt uns auch die älteste bekannte Dichtung der pwo_030.022
Parsen entgegen. Jm Zend-Avesta fleht der Sänger zu Ormuzd:

pwo_030.023

„Mir, deinem Freund, der zu dir betet mit Reinigkeit ..., pwo_030.024
gieb eine Zunge der Weisheit! ... Jetzt gieb mir alles Großen pwo_030.025
Vollendung! Meines Herzens Sehnen und Regungen müssen pwo_030.026
erhaben sein! Durch dich werden sie groß und glänzend pwo_030.027
wie des Tages Licht!“

pwo_030.028

Den gleichen, durchaus religiösen Gehalt zeigt, wie zur Genüge bekannt, pwo_030.029
die ältere hebräische Poesie. Sehen wir zu, wie ein solcher pwo_030.030
Sänger das Anheben seines Liedes motiviert. Der Lobgesang pwo_030.031
Mose schallt:

pwo_030.032

„Singen will ich dem Herrn, denn er ist hoch erhaben; pwo_030.033
Roß und Reiter stürzt er ins Meer.“

pwo_030.034

Aehnlich bezeichnet Hannah die Ursache ihres Dankliedes:

pwo_030.035

„Mein Herz frohlockt in dem Herrn! Erhoben ist meine pwo_030.036
Kraft
durch den Herrn! Es thut sich mein Mund auf gegen pwo_030.037
meine Feinde, denn ich erfreue mich deiner Hilfe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0044" n="30"/>
            <lb n="pwo_030.001"/>
            <lg>
              <l>Jm Weh'n ergreif' ich alles, was da lebet,</l>
              <lb n="pwo_030.002"/>
              <l>Jenseit des Himmels, jenseit dieser Erde;</l>
              <lb n="pwo_030.003"/>
              <l>So <hi rendition="#g">groß</hi> bin ich durch meine Macht und Größe.&#x201C;</l>
            </lg>
            <lb n="pwo_030.004"/>
            <p>An anderer Stelle unterrichten uns die Sänger selbst über ihre <lb n="pwo_030.005"/>
Mission:</p>
            <lb n="pwo_030.006"/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Den Jndra hat die Götterschaar</l>
              <lb n="pwo_030.007"/>
              <l>Zur Vitratötung ausersehn;</l>
              <lb n="pwo_030.008"/>
              <l>Jhm tönet zu der Sänger Chor</l>
              <lb n="pwo_030.009"/>
              <l> <hi rendition="#g">Zu hoher Kraft.</hi> </l>
              <lb n="pwo_030.010"/>
              <l>Den Großen preisen wir <hi rendition="#g">mit Macht;</hi></l>
              <lb n="pwo_030.011"/>
              <l>Mit Loblied den, der Ruf erhört,</l>
              <lb n="pwo_030.012"/>
              <l><hi rendition="#g">Erheben</hi> ihn mit Liederschall</l>
              <lb n="pwo_030.013"/>
              <l><hi rendition="#g">Zu hoher Kraft</hi> ...</l>
              <lb n="pwo_030.014"/>
              <l>Dies Preislied bringt, o Jndra, dir</l>
              <lb n="pwo_030.015"/>
              <l>Der Sänger dar mit frommem Sinn,</l>
              <lb n="pwo_030.016"/>
              <l>Das schwesterlich den Schritten folgt</l>
              <lb n="pwo_030.017"/>
              <l>Beim <hi rendition="#g">Opferfest</hi>.&#x201C;</l>
            </lg>
            <lb n="pwo_030.018"/>
            <p>Göttlichen Ursprungs rühmt sich demnach diese Poesie, und eine göttliche <lb n="pwo_030.019"/>
Mission glaubt sie zu erfüllen; die Götter erhebt sie und ragt <lb n="pwo_030.020"/>
selbst über Menschliches hinaus an den Himmel.</p>
            <lb n="pwo_030.021"/>
            <p>  Religiös erhaben tritt uns auch die älteste bekannte Dichtung der <lb n="pwo_030.022"/>
Parsen entgegen. Jm Zend-Avesta fleht der Sänger zu Ormuzd:</p>
            <lb n="pwo_030.023"/>
            <p> <hi rendition="#et">&#x201E;Mir, <hi rendition="#g">deinem Freund,</hi> der zu dir betet mit Reinigkeit ..., <lb n="pwo_030.024"/>
gieb eine Zunge der Weisheit! ... Jetzt gieb mir alles <hi rendition="#g">Großen</hi> <lb n="pwo_030.025"/>
Vollendung! Meines Herzens Sehnen und Regungen müssen <lb n="pwo_030.026"/> <hi rendition="#g">erhaben</hi> sein! Durch dich werden sie <hi rendition="#g">groß</hi> und glänzend <lb n="pwo_030.027"/>
wie des Tages Licht!&#x201C;</hi> </p>
            <lb n="pwo_030.028"/>
            <p>Den gleichen, durchaus religiösen Gehalt zeigt, wie zur Genüge bekannt, <lb n="pwo_030.029"/>
die ältere hebräische Poesie. Sehen wir zu, wie ein solcher <lb n="pwo_030.030"/>
Sänger das Anheben seines Liedes motiviert. Der Lobgesang <lb n="pwo_030.031"/>
Mose schallt:</p>
            <lb n="pwo_030.032"/>
            <p> <hi rendition="#et">&#x201E;Singen will ich dem Herrn, <hi rendition="#g">denn er ist hoch erhaben;</hi> <lb n="pwo_030.033"/>
Roß und Reiter stürzt er ins Meer.&#x201C;</hi> </p>
            <lb n="pwo_030.034"/>
            <p>Aehnlich bezeichnet Hannah die Ursache ihres Dankliedes:</p>
            <lb n="pwo_030.035"/>
            <p> <hi rendition="#et">&#x201E;Mein Herz frohlockt in dem Herrn! <hi rendition="#g">Erhoben ist meine <lb n="pwo_030.036"/>
Kraft</hi> durch den Herrn! Es thut sich mein Mund auf gegen <lb n="pwo_030.037"/>
meine Feinde, <hi rendition="#g">denn</hi> ich erfreue mich <hi rendition="#g">deiner Hilfe.</hi>&#x201C;</hi> </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0044] pwo_030.001 Jm Weh'n ergreif' ich alles, was da lebet, pwo_030.002 Jenseit des Himmels, jenseit dieser Erde; pwo_030.003 So groß bin ich durch meine Macht und Größe.“ pwo_030.004 An anderer Stelle unterrichten uns die Sänger selbst über ihre pwo_030.005 Mission: pwo_030.006 „Den Jndra hat die Götterschaar pwo_030.007 Zur Vitratötung ausersehn; pwo_030.008 Jhm tönet zu der Sänger Chor pwo_030.009 Zu hoher Kraft. pwo_030.010 Den Großen preisen wir mit Macht; pwo_030.011 Mit Loblied den, der Ruf erhört, pwo_030.012 Erheben ihn mit Liederschall pwo_030.013 Zu hoher Kraft ... pwo_030.014 Dies Preislied bringt, o Jndra, dir pwo_030.015 Der Sänger dar mit frommem Sinn, pwo_030.016 Das schwesterlich den Schritten folgt pwo_030.017 Beim Opferfest.“ pwo_030.018 Göttlichen Ursprungs rühmt sich demnach diese Poesie, und eine göttliche pwo_030.019 Mission glaubt sie zu erfüllen; die Götter erhebt sie und ragt pwo_030.020 selbst über Menschliches hinaus an den Himmel. pwo_030.021   Religiös erhaben tritt uns auch die älteste bekannte Dichtung der pwo_030.022 Parsen entgegen. Jm Zend-Avesta fleht der Sänger zu Ormuzd: pwo_030.023 „Mir, deinem Freund, der zu dir betet mit Reinigkeit ..., pwo_030.024 gieb eine Zunge der Weisheit! ... Jetzt gieb mir alles Großen pwo_030.025 Vollendung! Meines Herzens Sehnen und Regungen müssen pwo_030.026 erhaben sein! Durch dich werden sie groß und glänzend pwo_030.027 wie des Tages Licht!“ pwo_030.028 Den gleichen, durchaus religiösen Gehalt zeigt, wie zur Genüge bekannt, pwo_030.029 die ältere hebräische Poesie. Sehen wir zu, wie ein solcher pwo_030.030 Sänger das Anheben seines Liedes motiviert. Der Lobgesang pwo_030.031 Mose schallt: pwo_030.032 „Singen will ich dem Herrn, denn er ist hoch erhaben; pwo_030.033 Roß und Reiter stürzt er ins Meer.“ pwo_030.034 Aehnlich bezeichnet Hannah die Ursache ihres Dankliedes: pwo_030.035 „Mein Herz frohlockt in dem Herrn! Erhoben ist meine pwo_030.036 Kraft durch den Herrn! Es thut sich mein Mund auf gegen pwo_030.037 meine Feinde, denn ich erfreue mich deiner Hilfe.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/44
Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/44>, abgerufen am 23.11.2024.