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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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ein parodisches Gegenbild zur ernsten Dramatik. Reminiscenzen aus pwo_237.002
dem römischen, neu-italienischen, französischen und englischen Lustspiel pwo_237.003
verarbeitet mit selbständigen Beobachtungen aus dem Leben der "Horribilicribrifax". pwo_237.004
Der Großsprecher und andre Typen sind anschaulich pwo_237.005
vergegenwärtigt, so daß die Komik hier zum guten teil aus dem Charakter pwo_237.006
fließt.

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Eine selbständige singularisierende Narrenfigur hat die deutsche pwo_237.008
Bühne nicht eigentlich ausgebildet, wennschon es nicht an Narrentypen pwo_237.009
im Volksleben fehlt. Wohl aber wurde unter Einfluß des englischen, pwo_237.010
holländischen und italienisch-französischen Theaters der Typus des pwo_237.011
Clown, Pickelhäring und des Harlequin übernommen. Die Formen pwo_237.012
des Namens variieren, immer aber scheint es der Geist des Lustspiels pwo_237.013
selbst gewesen, der sich da verkörpert. Daß es auf ein heiteres Gegenstück pwo_237.014
zum ernsten Leben abgesehen, läßt sich auch aus der polemischen pwo_237.015
Erläuterung erkennen, die Heinrich Julius von Braunschweig pwo_237.016
dieser Figur im Epilog seiner "Susanna" zuteil werden läßt: "Durch pwo_237.017
den Narren Johann Clant ist abgemalet die Art aller Spötter und pwo_237.018
derjenigen, so alles, was gut ist, in argst verkehren, auch aus Gottes pwo_237.019
Wort ein lauter Gespötte machen, es übel ausdeuten und anders, als pwo_237.020
es gemeint ist, verstehen wollen."

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Ein deutscher Narrentypus schien sich nun allerdings in Hanswurst pwo_237.022
auszubilden. Jndessen ist sein Wirkungskreis zeitlich und räumlich pwo_237.023
ziemlich eng begrenzt. Als beliebter komischer Name für einen der pwo_237.024
typischen Volksnarren begegnet Hanswurst wohl einige male im 16. pwo_237.025
und 17. Jahrhundert. Jndes erst Stranitzky in Wien legte diesen pwo_237.026
Namen dem typischen Spaßvogel der Komödie bei; er kleidet ihn in pwo_237.027
deutsch-volkstümliches Narrenkostüm und lokalisiert ihn, läßt ihm aber pwo_237.028
im wesentlichen den Charakter des Arlequin. Das war nicht vor pwo_237.029
1708, und schon in den dreißiger Jahren beginnt unter Gottscheds pwo_237.030
Einfluß seine Zurückdrängung.

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Jn Gottscheds Kreisen wird die Einwirkung des klassischen französischen pwo_237.032
Lustspiels bald durch den Einfluß Holbergs und sodann der pwo_237.033
neuern Engländer ergänzt. Johann Elias Schlegel vereint bereits pwo_237.034
alle drei Elemente.

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Lessing, der für das tragische Gebiet die Herrschaft des französischen pwo_237.036
Klassizismus auf der deutschen Bühne stürzt, um Shakespeares

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[237/0251] pwo_237.001 ein parodisches Gegenbild zur ernsten Dramatik. Reminiscenzen aus pwo_237.002 dem römischen, neu-italienischen, französischen und englischen Lustspiel pwo_237.003 verarbeitet mit selbständigen Beobachtungen aus dem Leben der „Horribilicribrifax“. pwo_237.004 Der Großsprecher und andre Typen sind anschaulich pwo_237.005 vergegenwärtigt, so daß die Komik hier zum guten teil aus dem Charakter pwo_237.006 fließt. pwo_237.007   Eine selbständige singularisierende Narrenfigur hat die deutsche pwo_237.008 Bühne nicht eigentlich ausgebildet, wennschon es nicht an Narrentypen pwo_237.009 im Volksleben fehlt. Wohl aber wurde unter Einfluß des englischen, pwo_237.010 holländischen und italienisch-französischen Theaters der Typus des pwo_237.011 Clown, Pickelhäring und des Harlequin übernommen. Die Formen pwo_237.012 des Namens variieren, immer aber scheint es der Geist des Lustspiels pwo_237.013 selbst gewesen, der sich da verkörpert. Daß es auf ein heiteres Gegenstück pwo_237.014 zum ernsten Leben abgesehen, läßt sich auch aus der polemischen pwo_237.015 Erläuterung erkennen, die Heinrich Julius von Braunschweig pwo_237.016 dieser Figur im Epilog seiner „Susanna“ zuteil werden läßt: „Durch pwo_237.017 den Narren Johann Clant ist abgemalet die Art aller Spötter und pwo_237.018 derjenigen, so alles, was gut ist, in argst verkehren, auch aus Gottes pwo_237.019 Wort ein lauter Gespötte machen, es übel ausdeuten und anders, als pwo_237.020 es gemeint ist, verstehen wollen.“ pwo_237.021   Ein deutscher Narrentypus schien sich nun allerdings in Hanswurst pwo_237.022 auszubilden. Jndessen ist sein Wirkungskreis zeitlich und räumlich pwo_237.023 ziemlich eng begrenzt. Als beliebter komischer Name für einen der pwo_237.024 typischen Volksnarren begegnet Hanswurst wohl einige male im 16. pwo_237.025 und 17. Jahrhundert. Jndes erst Stranitzky in Wien legte diesen pwo_237.026 Namen dem typischen Spaßvogel der Komödie bei; er kleidet ihn in pwo_237.027 deutsch-volkstümliches Narrenkostüm und lokalisiert ihn, läßt ihm aber pwo_237.028 im wesentlichen den Charakter des Arlequin. Das war nicht vor pwo_237.029 1708, und schon in den dreißiger Jahren beginnt unter Gottscheds pwo_237.030 Einfluß seine Zurückdrängung. pwo_237.031   Jn Gottscheds Kreisen wird die Einwirkung des klassischen französischen pwo_237.032 Lustspiels bald durch den Einfluß Holbergs und sodann der pwo_237.033 neuern Engländer ergänzt. Johann Elias Schlegel vereint bereits pwo_237.034 alle drei Elemente. pwo_237.035   Lessing, der für das tragische Gebiet die Herrschaft des französischen pwo_237.036 Klassizismus auf der deutschen Bühne stürzt, um Shakespeares

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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/251>, abgerufen am 24.11.2024.