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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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Jnnerhalb dieser Aufgabe variiert die epische Dichtung besonders pwo_118.002
aus drei Gesichtspunkten: Nach der Vortragsart klaffen das Heldenlied pwo_118.003
und die Heldenschrift auseinander. Nach dem Kulturstand und pwo_118.004
der geistigen Entwicklungsstufe entfernt sich die Erzählung pwo_118.005
schrittweise von nackter Thatsächlichkeit zu reichgeschmückter, zunehmend pwo_118.006
subjektiv vergeistigter, abstrakterer Darstellung. Mit dem Wechsel der pwo_118.007
geschichtlichen Anschauung, dem Heraustreten aus dem einseitigen pwo_118.008
Heroenkult und der zunehmenden Teilnahme an bürgerlichen pwo_118.009
Charakteren schwächt sich der heroische Zug der epischen Dichtung allmählich pwo_118.010
ab, und die Bewunderung verflacht sich zu ungewöhnlichem pwo_118.011
Wohlgefallen und gespanntem Jnteresse.

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Nach diesen Entwicklungselementen sind verschiedenartige Gipfel pwo_118.013
oder Blüteperioden möglich und thatsächlich anzuerkennen: jedenfalls pwo_118.014
die Blüte des Heldensangs und die Blüte der objektiven Nationalepopöe, pwo_118.015
doch auch die Blüte durchgeistigter, gefühlvoller Heldendichtung pwo_118.016
und schließlich sogar Ueberwindung der Reflexion durch einen pwo_118.017
scharf charakterisierenden Stil der Thatsachen d. i. eine neue Blüte pwo_118.018
durch plastische Objektivierung des in voller Mannigfaltigkeit erschlossenen pwo_118.019
Gefühlslebens.

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Ebenso unverkennbar treten die Untiefen hervor, in denen die pwo_118.021
epische Strömung zu versanden droht: litterarische, papierne Erstarrung, pwo_118.022
Verflüchtigung ins Gestaltenlose, Verflachung ins Kleinliche. pwo_118.023
Lebendig, gestaltenkräftig, großen Zuges giebt sich die echte epische pwo_118.024
Dichtung.

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  Jnnerhalb dieser Aufgabe variiert die epische Dichtung besonders pwo_118.002
aus drei Gesichtspunkten: Nach der Vortragsart klaffen das Heldenlied pwo_118.003
und die Heldenschrift auseinander. Nach dem Kulturstand und pwo_118.004
der geistigen Entwicklungsstufe entfernt sich die Erzählung pwo_118.005
schrittweise von nackter Thatsächlichkeit zu reichgeschmückter, zunehmend pwo_118.006
subjektiv vergeistigter, abstrakterer Darstellung. Mit dem Wechsel der pwo_118.007
geschichtlichen Anschauung, dem Heraustreten aus dem einseitigen pwo_118.008
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Charakteren schwächt sich der heroische Zug der epischen Dichtung allmählich pwo_118.010
ab, und die Bewunderung verflacht sich zu ungewöhnlichem pwo_118.011
Wohlgefallen und gespanntem Jnteresse.

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  Nach diesen Entwicklungselementen sind verschiedenartige Gipfel pwo_118.013
oder Blüteperioden möglich und thatsächlich anzuerkennen: jedenfalls pwo_118.014
die Blüte des Heldensangs und die Blüte der objektiven Nationalepopöe, pwo_118.015
doch auch die Blüte durchgeistigter, gefühlvoller Heldendichtung pwo_118.016
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scharf charakterisierenden Stil der Thatsachen d. i. eine neue Blüte pwo_118.018
durch plastische Objektivierung des in voller Mannigfaltigkeit erschlossenen pwo_118.019
Gefühlslebens.

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  Ebenso unverkennbar treten die Untiefen hervor, in denen die pwo_118.021
epische Strömung zu versanden droht: litterarische, papierne Erstarrung, pwo_118.022
Verflüchtigung ins Gestaltenlose, Verflachung ins Kleinliche. pwo_118.023
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[118/0132] pwo_118.001   Jnnerhalb dieser Aufgabe variiert die epische Dichtung besonders pwo_118.002 aus drei Gesichtspunkten: Nach der Vortragsart klaffen das Heldenlied pwo_118.003 und die Heldenschrift auseinander. Nach dem Kulturstand und pwo_118.004 der geistigen Entwicklungsstufe entfernt sich die Erzählung pwo_118.005 schrittweise von nackter Thatsächlichkeit zu reichgeschmückter, zunehmend pwo_118.006 subjektiv vergeistigter, abstrakterer Darstellung. Mit dem Wechsel der pwo_118.007 geschichtlichen Anschauung, dem Heraustreten aus dem einseitigen pwo_118.008 Heroenkult und der zunehmenden Teilnahme an bürgerlichen pwo_118.009 Charakteren schwächt sich der heroische Zug der epischen Dichtung allmählich pwo_118.010 ab, und die Bewunderung verflacht sich zu ungewöhnlichem pwo_118.011 Wohlgefallen und gespanntem Jnteresse. pwo_118.012   Nach diesen Entwicklungselementen sind verschiedenartige Gipfel pwo_118.013 oder Blüteperioden möglich und thatsächlich anzuerkennen: jedenfalls pwo_118.014 die Blüte des Heldensangs und die Blüte der objektiven Nationalepopöe, pwo_118.015 doch auch die Blüte durchgeistigter, gefühlvoller Heldendichtung pwo_118.016 und schließlich sogar Ueberwindung der Reflexion durch einen pwo_118.017 scharf charakterisierenden Stil der Thatsachen d. i. eine neue Blüte pwo_118.018 durch plastische Objektivierung des in voller Mannigfaltigkeit erschlossenen pwo_118.019 Gefühlslebens. pwo_118.020   Ebenso unverkennbar treten die Untiefen hervor, in denen die pwo_118.021 epische Strömung zu versanden droht: litterarische, papierne Erstarrung, pwo_118.022 Verflüchtigung ins Gestaltenlose, Verflachung ins Kleinliche. pwo_118.023 Lebendig, gestaltenkräftig, großen Zuges giebt sich die echte epische pwo_118.024 Dichtung. pwo_118.025

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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/132>, abgerufen am 06.05.2024.