Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_117.001 Die epische Dichtung giebt also zunächst Erzählung der pwo_117.004 Daß der Dichter selbst der Erzähler, tritt gerade historisch pwo_117.007 Aus welcher Veranlassung und zu welchem Zwecke erzählt der pwo_117.016 Die allgemeine Aufgabe der Poesie: Ausdruck gehobener pwo_117.035 pwo_117.001 Die epische Dichtung giebt also zunächst Erzählung der pwo_117.004 Daß der Dichter selbst der Erzähler, tritt gerade historisch pwo_117.007 Aus welcher Veranlassung und zu welchem Zwecke erzählt der pwo_117.016 Die allgemeine Aufgabe der Poesie: Ausdruck gehobener pwo_117.035 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0131" n="117"/><lb n="pwo_117.001"/> welcher aus der Gegenwart schöpft, aber das, was noch geschieht <lb n="pwo_117.002"/> oder geschehen kann, als bereits vollendet hinstellt.</p> <lb n="pwo_117.003"/> <p> Die epische Dichtung giebt also zunächst <hi rendition="#g">Erzählung der <lb n="pwo_117.004"/> Thaten von Helden</hi> (oder doch bedeutsamen Persönlichkeiten) <hi rendition="#g">der <lb n="pwo_117.005"/> Vergangenheit.</hi></p> <lb n="pwo_117.006"/> <p> Daß <hi rendition="#g">der Dichter selbst der Erzähler,</hi> tritt gerade historisch <lb n="pwo_117.007"/> überall hervor: der Priester überliefert den Mythos, der Sänger <lb n="pwo_117.008"/> die Sage in poetischer Form. Der Verfasser der schriftlichen <lb n="pwo_117.009"/> Epopöe sammelt, ordnet, verarbeitet, um wie ein eigenes Erlebnis, <lb n="pwo_117.010"/> wie selbstgeschaut, die Ueberlieferung wiederzugeben. „Er hat alles <lb n="pwo_117.011"/> geseh'n, was auf Erden geschieht.“ Ohne vorerst selbst hervorzutreten, <lb n="pwo_117.012"/> steht der Dichter hinter den Figuren; läßt er sie auch gern selbst <lb n="pwo_117.013"/> sprechen: er ist es, der ihnen das Wort erteilt und im weiteren <lb n="pwo_117.014"/> <hi rendition="#g">über</hi> sie berichtet.</p> <lb n="pwo_117.015"/> <p> Aus welcher Veranlassung und zu welchem Zwecke erzählt der <lb n="pwo_117.016"/> Dichter? Bewunderung für die Wunder der Gottheit verleiht dem <lb n="pwo_117.017"/> Priester-Sänger Worte; er singt sie und läßt sie singen, um die Gemeinde <lb n="pwo_117.018"/> mit gleicher Bewunderung und Verehrung zu erfüllen. Bewunderung <lb n="pwo_117.019"/> für die Großthaten der Helden spricht sich aus, um das <lb n="pwo_117.020"/> Volk, den Stamm zu nacheifernder Bewunderung anzuspornen oder <lb n="pwo_117.021"/> doch ihm das Herz zu erheben. Jn gleicher Weise noch treibt den <lb n="pwo_117.022"/> Dichter der Epopöe, an seiner Bewunderung weitere Kreise teilnehmen <lb n="pwo_117.023"/> zu lassen, das ihm herrlich Erscheinende zu verherrlichen, seine <lb n="pwo_117.024"/> Lust an den Thaten des Helden, seine helle Thatenlust überhaupt <lb n="pwo_117.025"/> seinem Publikum mitzuteilen. Jm späteren reflektierenden Epos gar <lb n="pwo_117.026"/> spricht sich die Bewunderung des Dichters, noch später besonders im <lb n="pwo_117.027"/> Prosaroman abgeschwächt wenigstens die lebhafte, vorzügliche Teilnahme <lb n="pwo_117.028"/> und Verehrung für die Hauptgestalt <hi rendition="#g">direkt</hi> aus. Genug, der epische <lb n="pwo_117.029"/> Dichter giebt Erzählung der Thaten von Helden (oder doch bedeutsamen <lb n="pwo_117.030"/> Wesen) der Vergangenheit als Ausdruck seiner dichterischen Bewunderung <lb n="pwo_117.031"/> und mit der Wirkung, unser Empfindungsleben zu der <lb n="pwo_117.032"/> gleichen Bewunderung, überhaupt zu der Höhe und Größe des verherrlichten <lb n="pwo_117.033"/> Gegenstandes, zu erheben.</p> <lb n="pwo_117.034"/> <p> Die allgemeine Aufgabe der Poesie: <hi rendition="#g">Ausdruck gehobener <lb n="pwo_117.035"/> Gefühle,</hi> vollbringt die Epik <hi rendition="#g">durch Erzählung von Begebenheiten <lb n="pwo_117.036"/> aus einem höheren Gefühlsbereich.</hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0131]
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welcher aus der Gegenwart schöpft, aber das, was noch geschieht pwo_117.002
oder geschehen kann, als bereits vollendet hinstellt.
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Die epische Dichtung giebt also zunächst Erzählung der pwo_117.004
Thaten von Helden (oder doch bedeutsamen Persönlichkeiten) der pwo_117.005
Vergangenheit.
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Daß der Dichter selbst der Erzähler, tritt gerade historisch pwo_117.007
überall hervor: der Priester überliefert den Mythos, der Sänger pwo_117.008
die Sage in poetischer Form. Der Verfasser der schriftlichen pwo_117.009
Epopöe sammelt, ordnet, verarbeitet, um wie ein eigenes Erlebnis, pwo_117.010
wie selbstgeschaut, die Ueberlieferung wiederzugeben. „Er hat alles pwo_117.011
geseh'n, was auf Erden geschieht.“ Ohne vorerst selbst hervorzutreten, pwo_117.012
steht der Dichter hinter den Figuren; läßt er sie auch gern selbst pwo_117.013
sprechen: er ist es, der ihnen das Wort erteilt und im weiteren pwo_117.014
über sie berichtet.
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Aus welcher Veranlassung und zu welchem Zwecke erzählt der pwo_117.016
Dichter? Bewunderung für die Wunder der Gottheit verleiht dem pwo_117.017
Priester-Sänger Worte; er singt sie und läßt sie singen, um die Gemeinde pwo_117.018
mit gleicher Bewunderung und Verehrung zu erfüllen. Bewunderung pwo_117.019
für die Großthaten der Helden spricht sich aus, um das pwo_117.020
Volk, den Stamm zu nacheifernder Bewunderung anzuspornen oder pwo_117.021
doch ihm das Herz zu erheben. Jn gleicher Weise noch treibt den pwo_117.022
Dichter der Epopöe, an seiner Bewunderung weitere Kreise teilnehmen pwo_117.023
zu lassen, das ihm herrlich Erscheinende zu verherrlichen, seine pwo_117.024
Lust an den Thaten des Helden, seine helle Thatenlust überhaupt pwo_117.025
seinem Publikum mitzuteilen. Jm späteren reflektierenden Epos gar pwo_117.026
spricht sich die Bewunderung des Dichters, noch später besonders im pwo_117.027
Prosaroman abgeschwächt wenigstens die lebhafte, vorzügliche Teilnahme pwo_117.028
und Verehrung für die Hauptgestalt direkt aus. Genug, der epische pwo_117.029
Dichter giebt Erzählung der Thaten von Helden (oder doch bedeutsamen pwo_117.030
Wesen) der Vergangenheit als Ausdruck seiner dichterischen Bewunderung pwo_117.031
und mit der Wirkung, unser Empfindungsleben zu der pwo_117.032
gleichen Bewunderung, überhaupt zu der Höhe und Größe des verherrlichten pwo_117.033
Gegenstandes, zu erheben.
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Die allgemeine Aufgabe der Poesie: Ausdruck gehobener pwo_117.035
Gefühle, vollbringt die Epik durch Erzählung von Begebenheiten pwo_117.036
aus einem höheren Gefühlsbereich.
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