pwo_VI.001 als zu eng empfunden worden. Die geschichtliche Entwicklung, wie pwo_VI.002 sie in vorliegender Poetik verfolgt wird, führt nun zu der Wahrnehmung: pwo_VI.003 das Erhabene, das Schöne und das Charakteristischepwo_VI.004 seien auf einander folgende Stufen des Kunststils.
pwo_VI.005
Soweit die Entwicklung der Poesie geschichtlich verfolgbar, läßt pwo_VI.006 sich ein allmählicher Uebergang von objektiver Gestaltung zu subjektiver pwo_VI.007 Vergeistigung erkennen. So vollzieht sich die entscheidende Wendung pwo_VI.008 vom Epischen zum Lyrischen. Volle Uebereinstimmung wird pwo_VI.009 herrschen, wo immer wir sorglich zwischen dem Stil der gesungenen pwo_VI.010 und der litterarisch aufgezeichneten Poesie unterscheiden. Ebenso dürfte pwo_VI.011 die durchgehende Abstufung des Kunststils nach dem griechischen, pwo_VI.012 romanischen und germanischen Geiste für sich selbst sprechen. Nicht pwo_VI.013 minder leuchtet die Scheidung des Dramas nach der antiken und pwo_VI.014 christlichen Weltanschauung sowie der besondere Beruf des Christentums pwo_VI.015 für die sittliche Vertiefung der Tragödie ein. Auch das Vorschreiten pwo_VI.016 des germanisch-reformierten Trauerspiels über das romanischkatholische pwo_VI.017 sowie weiterhin des deutschen über das englische Trauerspiel pwo_VI.018 läßt das Walten einer gesetzmäßigen Entwicklung mit nötigender pwo_VI.019 Beweiskraft erkennen. Auffallend berühren sich bei alledem die Erscheinungen pwo_VI.020 aus der Verfallzeit der antiken Tragödie mit mancherlei pwo_VI.021 Zeichen, die im nachklassischen Trauerspiel unseres Vaterlandes hervortreten. pwo_VI.022 Das deutsche Lustspiel steht dagegen ersichtlich erst in den pwo_VI.023 Anfängen und hat seine Blüte noch vor sich zu suchen. Ueberhaupt pwo_VI.024 läßt die Verfolgung der geschichtlichen Entwicklung anschaulich werden, pwo_VI.025 welche Formen der einzelnen poetischen Arten abgeblüht, welch andre pwo_VI.026 noch eine organisch reiche Zukunft versprechen.
pwo_VI.027
Die von mir versuchte geschichtliche Betrachtung des dichterischen pwo_VI.028 Seelenlebens führt aus ursprünglicher Simplizität zur pwo_VI.029 allmählichen Ausbildung der späteren Mannigfaltigkeit und geistigen pwo_VI.030 Fülle. - Die poetischen Figuren erscheinen in diesem Zusammenhang pwo_VI.031 als natürliche Funktionen des Dichtergeistes, als Ausdrucksformen seines pwo_VI.032 bildlichen Schauens, seiner plastischen Phantasie. Das ist wieder pwo_VI.033 ein Punkt, an welchem schon Wilhelm Wackernagel und Wilhelm Dilthey pwo_VI.034 angesetzt.
pwo_VI.035
Die der Metrik gewidmeten Betrachtungen konnten nicht über pwo_VI.036 jede Vers- und Strophenart als Selbstzweck belehren: es galt nur
pwo_VI.001 als zu eng empfunden worden. Die geschichtliche Entwicklung, wie pwo_VI.002 sie in vorliegender Poetik verfolgt wird, führt nun zu der Wahrnehmung: pwo_VI.003 das Erhabene, das Schöne und das Charakteristischepwo_VI.004 seien auf einander folgende Stufen des Kunststils.
pwo_VI.005
Soweit die Entwicklung der Poesie geschichtlich verfolgbar, läßt pwo_VI.006 sich ein allmählicher Uebergang von objektiver Gestaltung zu subjektiver pwo_VI.007 Vergeistigung erkennen. So vollzieht sich die entscheidende Wendung pwo_VI.008 vom Epischen zum Lyrischen. Volle Uebereinstimmung wird pwo_VI.009 herrschen, wo immer wir sorglich zwischen dem Stil der gesungenen pwo_VI.010 und der litterarisch aufgezeichneten Poesie unterscheiden. Ebenso dürfte pwo_VI.011 die durchgehende Abstufung des Kunststils nach dem griechischen, pwo_VI.012 romanischen und germanischen Geiste für sich selbst sprechen. Nicht pwo_VI.013 minder leuchtet die Scheidung des Dramas nach der antiken und pwo_VI.014 christlichen Weltanschauung sowie der besondere Beruf des Christentums pwo_VI.015 für die sittliche Vertiefung der Tragödie ein. Auch das Vorschreiten pwo_VI.016 des germanisch-reformierten Trauerspiels über das romanischkatholische pwo_VI.017 sowie weiterhin des deutschen über das englische Trauerspiel pwo_VI.018 läßt das Walten einer gesetzmäßigen Entwicklung mit nötigender pwo_VI.019 Beweiskraft erkennen. Auffallend berühren sich bei alledem die Erscheinungen pwo_VI.020 aus der Verfallzeit der antiken Tragödie mit mancherlei pwo_VI.021 Zeichen, die im nachklassischen Trauerspiel unseres Vaterlandes hervortreten. pwo_VI.022 Das deutsche Lustspiel steht dagegen ersichtlich erst in den pwo_VI.023 Anfängen und hat seine Blüte noch vor sich zu suchen. Ueberhaupt pwo_VI.024 läßt die Verfolgung der geschichtlichen Entwicklung anschaulich werden, pwo_VI.025 welche Formen der einzelnen poetischen Arten abgeblüht, welch andre pwo_VI.026 noch eine organisch reiche Zukunft versprechen.
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Die von mir versuchte geschichtliche Betrachtung des dichterischen pwo_VI.028 Seelenlebens führt aus ursprünglicher Simplizität zur pwo_VI.029 allmählichen Ausbildung der späteren Mannigfaltigkeit und geistigen pwo_VI.030 Fülle. – Die poetischen Figuren erscheinen in diesem Zusammenhang pwo_VI.031 als natürliche Funktionen des Dichtergeistes, als Ausdrucksformen seines pwo_VI.032 bildlichen Schauens, seiner plastischen Phantasie. Das ist wieder pwo_VI.033 ein Punkt, an welchem schon Wilhelm Wackernagel und Wilhelm Dilthey pwo_VI.034 angesetzt.
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als zu eng empfunden worden. Die geschichtliche Entwicklung, wie pwo_VI.002
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das Erhabene, das Schöne und das Charakteristische pwo_VI.004
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Soweit die Entwicklung der Poesie geschichtlich verfolgbar, läßt pwo_VI.006
sich ein allmählicher Uebergang von objektiver Gestaltung zu subjektiver pwo_VI.007
Vergeistigung erkennen. So vollzieht sich die entscheidende Wendung pwo_VI.008
vom Epischen zum Lyrischen. Volle Uebereinstimmung wird pwo_VI.009
herrschen, wo immer wir sorglich zwischen dem Stil der gesungenen pwo_VI.010
und der litterarisch aufgezeichneten Poesie unterscheiden. Ebenso dürfte pwo_VI.011
die durchgehende Abstufung des Kunststils nach dem griechischen, pwo_VI.012
romanischen und germanischen Geiste für sich selbst sprechen. Nicht pwo_VI.013
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christlichen Weltanschauung sowie der besondere Beruf des Christentums pwo_VI.015
für die sittliche Vertiefung der Tragödie ein. Auch das Vorschreiten pwo_VI.016
des germanisch-reformierten Trauerspiels über das romanischkatholische pwo_VI.017
sowie weiterhin des deutschen über das englische Trauerspiel pwo_VI.018
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Beweiskraft erkennen. Auffallend berühren sich bei alledem die Erscheinungen pwo_VI.020
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Das deutsche Lustspiel steht dagegen ersichtlich erst in den pwo_VI.023
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noch eine organisch reiche Zukunft versprechen.
pwo_VI.027
Die von mir versuchte geschichtliche Betrachtung des dichterischen pwo_VI.028
Seelenlebens führt aus ursprünglicher Simplizität zur pwo_VI.029
allmählichen Ausbildung der späteren Mannigfaltigkeit und geistigen pwo_VI.030
Fülle. – Die poetischen Figuren erscheinen in diesem Zusammenhang pwo_VI.031
als natürliche Funktionen des Dichtergeistes, als Ausdrucksformen seines pwo_VI.032
bildlichen Schauens, seiner plastischen Phantasie. Das ist wieder pwo_VI.033
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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. RVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/12>, abgerufen am 27.07.2024.
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