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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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nicht mehr um nationale Existenz- und Entscheidungskämpfe, nicht einmal pwo_095.002
um nationale Jnteressen. Zu alledem machte die mächtig geweckte pwo_095.003
Gefühlswelt ihre Rechte unmittelbarer geltend: genug, es waren pwo_095.004
alle Bedingungen für einen Umschwung des epischen Stils bei den pwo_095.005
modernen christlichen Völkern gegeben.

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Jnternationale Verbreitung und Färbung gewinnt die bretonische pwo_095.007
Sage vom König Artus und seiner Tafelrunde fahrender Ritter. Vor pwo_095.008
allen hat Chrestien von Troyes die Sagen dichterisch behandelt, pwo_095.009
die sich an Abenteuer hervorragender Artusritter knüpften. Noch pwo_095.010
immer sollten erhebende Muster der Ritterlichkeit und heldenhafter pwo_095.011
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aufgestellt werden. Aber wie das Jdeal des pwo_095.012
Heldentums hatte sich auch die Form seiner Darstellung gewandelt. pwo_095.013
Phantastische Abenteuerlust und Liebesverwicklungen heischen pwo_095.014
eine andere Wiedergabe als rauh männliche Kämpfe um Sein pwo_095.015
oder Nichtsein des Stammes. Leichter Fluß der Erzählung, Buntheit pwo_095.016
der Farben, künstliche Spannung, gefühlvoll sinnende Reflexion pwo_095.017
treten nun anstelle einfacher Erhabenheit gegenständlicher Gestaltung. pwo_095.018
Eine neue Bahn ist eröffnet, auf welcher die festen Gestalten, pwo_095.019
die scenisch entfalteten Thatsachen von der Schnellkraft des auf pwo_095.020
sich selbst gestellten Gefühlslebens rasch überflügelt werden.

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§ 53. pwo_095.022
Fortsetzung: Entartung des deutschen Epos.
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Lenken wir unser Auge auf die weitere Entwicklung des heimischen pwo_095.024
Erzählungsstils, so werden wir Zeugen, wie selbst die Behandlung pwo_095.025
der nationalen Sage mehr und mehr den gleichzeitigen Einflüssen pwo_095.026
fremder Stilarten und der überwuchernden Gefühlsweichheit, pwo_095.027
für welche das deutsche Geistesleben nun reif geworden, erliegen.

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Gegenüber dem Nibelungenlied und der im Stil ihm nahestehenden pwo_095.029
Dichtung von Alpharts Tod zeigt schon die Gudrun weitere pwo_095.030
Fortschritte auf diesem Wege, der, weit entfernt zu größerer pwo_095.031
künstlerischen Vollkommenheit überzulenken, den erzählenden Stil im pwo_095.032
letzten Ende vielmehr seiner Auflösung entgegenführt. Die Gudrun pwo_095.033
wenigstens bewahrt noch weithin die alte elementare Kraft. Freilich pwo_095.034
ist die Ueberlieferung auch hier in höfisches Gewand gekleidet; daneben pwo_095.035
dringen aus romanischen bezw. orientalischen Quellen mancherlei

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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/109>, abgerufen am 23.11.2024.