Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_094.001 "Jn einer Woche war, wie ich vernommen, pwo_094.002 pwo_094.005Kein Wandrer einst zu Abraham gekommen. pwo_094.003 Jn edlem Sinn aß früh er nichts allein, pwo_094.004 Es kehrte denn ein Armer bei ihm ein" etc. Auch innerhalb der persischen Litteratur verflüchtigt sich der epische pwo_094.006 Von den romanischen Völkern erregen zunächst die Franzosen pwo_094.008 Gerade Frankreich selbst sollte den Geist zur Blüte heranreifen pwo_094.031 pwo_094.001 „Jn einer Woche war, wie ich vernommen, pwo_094.002 pwo_094.005Kein Wandrer einst zu Abraham gekommen. pwo_094.003 Jn edlem Sinn aß früh er nichts allein, pwo_094.004 Es kehrte denn ein Armer bei ihm ein“ etc. Auch innerhalb der persischen Litteratur verflüchtigt sich der epische pwo_094.006 Von den romanischen Völkern erregen zunächst die Franzosen pwo_094.008 Gerade Frankreich selbst sollte den Geist zur Blüte heranreifen pwo_094.031 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0108" n="94"/> <lb n="pwo_094.001"/> <lg> <l>„Jn einer Woche war, wie ich vernommen,</l> <lb n="pwo_094.002"/> <l>Kein Wandrer einst zu Abraham gekommen.</l> <lb n="pwo_094.003"/> <l>Jn edlem Sinn aß früh er nichts allein,</l> <lb n="pwo_094.004"/> <l>Es kehrte denn ein Armer bei ihm ein“ etc.</l> </lg> <lb n="pwo_094.005"/> <p>Auch innerhalb der persischen Litteratur verflüchtigt sich der epische <lb n="pwo_094.006"/> Stil schließlich in Symbolistik und Allegorie. –</p> <lb n="pwo_094.007"/> <p> Von den <hi rendition="#g">romanischen</hi> Völkern erregen zunächst die Franzosen <lb n="pwo_094.008"/> durch die bedeutsame Wendung in der Geschichte ihres Epos Aufmerksamkeit. <lb n="pwo_094.009"/> Das <hi rendition="#g">Rolandslied</hi> und die übrigen Behandlungen des kärlingischen <lb n="pwo_094.010"/> Sagenkreises geben vorerst in schmuckloser Thatsächlichkeit schlicht <lb n="pwo_094.011"/> objektive, von nationalem Geist, Vaterlandsliebe und Vasallentreue wie <lb n="pwo_094.012"/> von frommer Gesinnung erfüllte Bilder heldenhafter Kämpfe. Welche <lb n="pwo_094.013"/> Umbiegung auch der romanische Geist erfährt, läßt sich an den Geschicken <lb n="pwo_094.014"/> der Rolandsdichtung vornehmlich auf italienischen Boden erkennen. <lb n="pwo_094.015"/> Aus dem kraftvollen Recken, der für Karl den Großen einen <lb n="pwo_094.016"/> Heldentod stirbt, macht bereits <hi rendition="#g">Bojardo</hi> einen abenteuernden Liebeshelden, <lb n="pwo_094.017"/> eben den „Verliebten Roland“, den schon der Titel seines <lb n="pwo_094.018"/> Epos ankündigt. An dieses schließt sich als Fortsetzung „Der rasende <lb n="pwo_094.019"/> Roland“ des <hi rendition="#g">Ariost,</hi> eine in ihrer Art glänzende Bekundung romanischer <lb n="pwo_094.020"/> Weltlust und Genußfreude. Jn <hi rendition="#g">farbenreicher</hi> Pracht entfaltet <lb n="pwo_094.021"/> die Phantasie ihre ganze <hi rendition="#g">Fülle</hi> und <hi rendition="#g">Weichheit.</hi> Hier ist <lb n="pwo_094.022"/> sogar keine Frage, wen wir als den größeren Künstler anerkennen <lb n="pwo_094.023"/> werden: den Dichter des alten Rolandliedes oder Ariost. Fragen wir <lb n="pwo_094.024"/> jedoch, wo dies glänzende Werk in der Geschichte des epischen Stils <lb n="pwo_094.025"/> steht, so erkennen wir ihm gewiß einen Gipfel zu, aber die schönste <lb n="pwo_094.026"/> Vollendung derjenigen Darstellungsform, die mit dem objektiv erzählenden <lb n="pwo_094.027"/> Stil entschlossen gebrochen hat, um in üppigster Behaglichkeit <lb n="pwo_094.028"/> das <hi rendition="#g">Subjekt</hi> auszuleben, die Erscheinungen der Außenwelt mit <lb n="pwo_094.029"/> <hi rendition="#g">souveräner Phantasie</hi> zu überfliegen.</p> <lb n="pwo_094.030"/> <p> Gerade Frankreich selbst sollte den Geist zur Blüte heranreifen <lb n="pwo_094.031"/> lassen, der als Ferment an der Zersetzung des epischen Stils <lb n="pwo_094.032"/> bei den modernen Völkern überhaupt thätig war. Jm Zeitalter der <lb n="pwo_094.033"/> Kreuzzüge geschieht die Berührung mit dem Orient, von dessen Wundergeschichten <lb n="pwo_094.034"/> sich die leicht erregliche Phantasie der Romanen lebhaft <lb n="pwo_094.035"/> angezogen fühlte. Auch begünstigte der abenteuerliche Geist der Kreuzzüge <lb n="pwo_094.036"/> die Sucht ins <hi rendition="#g">Ferne, Phantastische;</hi> handelte es sich doch </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0108]
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„Jn einer Woche war, wie ich vernommen, pwo_094.002
Kein Wandrer einst zu Abraham gekommen. pwo_094.003
Jn edlem Sinn aß früh er nichts allein, pwo_094.004
Es kehrte denn ein Armer bei ihm ein“ etc.
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Auch innerhalb der persischen Litteratur verflüchtigt sich der epische pwo_094.006
Stil schließlich in Symbolistik und Allegorie. –
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Von den romanischen Völkern erregen zunächst die Franzosen pwo_094.008
durch die bedeutsame Wendung in der Geschichte ihres Epos Aufmerksamkeit. pwo_094.009
Das Rolandslied und die übrigen Behandlungen des kärlingischen pwo_094.010
Sagenkreises geben vorerst in schmuckloser Thatsächlichkeit schlicht pwo_094.011
objektive, von nationalem Geist, Vaterlandsliebe und Vasallentreue wie pwo_094.012
von frommer Gesinnung erfüllte Bilder heldenhafter Kämpfe. Welche pwo_094.013
Umbiegung auch der romanische Geist erfährt, läßt sich an den Geschicken pwo_094.014
der Rolandsdichtung vornehmlich auf italienischen Boden erkennen. pwo_094.015
Aus dem kraftvollen Recken, der für Karl den Großen einen pwo_094.016
Heldentod stirbt, macht bereits Bojardo einen abenteuernden Liebeshelden, pwo_094.017
eben den „Verliebten Roland“, den schon der Titel seines pwo_094.018
Epos ankündigt. An dieses schließt sich als Fortsetzung „Der rasende pwo_094.019
Roland“ des Ariost, eine in ihrer Art glänzende Bekundung romanischer pwo_094.020
Weltlust und Genußfreude. Jn farbenreicher Pracht entfaltet pwo_094.021
die Phantasie ihre ganze Fülle und Weichheit. Hier ist pwo_094.022
sogar keine Frage, wen wir als den größeren Künstler anerkennen pwo_094.023
werden: den Dichter des alten Rolandliedes oder Ariost. Fragen wir pwo_094.024
jedoch, wo dies glänzende Werk in der Geschichte des epischen Stils pwo_094.025
steht, so erkennen wir ihm gewiß einen Gipfel zu, aber die schönste pwo_094.026
Vollendung derjenigen Darstellungsform, die mit dem objektiv erzählenden pwo_094.027
Stil entschlossen gebrochen hat, um in üppigster Behaglichkeit pwo_094.028
das Subjekt auszuleben, die Erscheinungen der Außenwelt mit pwo_094.029
souveräner Phantasie zu überfliegen.
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Gerade Frankreich selbst sollte den Geist zur Blüte heranreifen pwo_094.031
lassen, der als Ferment an der Zersetzung des epischen Stils pwo_094.032
bei den modernen Völkern überhaupt thätig war. Jm Zeitalter der pwo_094.033
Kreuzzüge geschieht die Berührung mit dem Orient, von dessen Wundergeschichten pwo_094.034
sich die leicht erregliche Phantasie der Romanen lebhaft pwo_094.035
angezogen fühlte. Auch begünstigte der abenteuerliche Geist der Kreuzzüge pwo_094.036
die Sucht ins Ferne, Phantastische; handelte es sich doch
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