werden: aber freylich immer in einer klei- neren Gestalt, je tieffer man herunter stei- get. Hier ist unzehlich vieles in einander gestecket, welches nicht anders als durch unzehliche Grade der Auswicklung zum Vorscheine kommen kan. Welche nun von diesen Meinungen der Wahrheit am ähnlichsten ist, lässet sich zur Zeit noch nicht wohl bestimmen und, damit wir uns nicht übereilen, wollen wir es zu weiterer Untersuchung ausgesetzt lassen.
§. 455.
Wir nennen eigentlich das Le-Worin- nen das Leben des Men- schen und der Thie- re beste- het. ben eines Thieres und des Menschen den jenigen Zustand des Leibes, darinnen der- selbe zu Bewegung seiner Gliedmassen auf- gelegt ist. Derowegen sagen wir, daß er noch lebe, so lange wir nur spüren, daß er noch Athem hohlet, oder der Puls schlä- get, als welches beydes ohne Bewegung gewisser Gliedmassen des Leibes nicht ge- schehen kan (§. 416.). Nun finden wir in der Erfahrung, daß dieser Zustand so lan- ge dauret, als sich das Hertze beweget, und den Umlauff des Geblüttes unterhält. Und demnach siehet man, daß das Leben des Menschen und der Thiere dem Um- lauffe des Geblütes zuzuschreiben.
§. 456.
der Menſchen und Thiere ꝛc.
werden: aber freylich immer in einer klei- neren Geſtalt, je tieffer man herunter ſtei- get. Hier iſt unzehlich vieles in einander geſtecket, welches nicht anders als durch unzehliche Grade der Auswicklung zum Vorſcheine kommen kan. Welche nun von dieſen Meinungen der Wahrheit am aͤhnlichſten iſt, laͤſſet ſich zur Zeit noch nicht wohl beſtimmen und, damit wir uns nicht uͤbereilen, wollen wir es zu weiterer Unterſuchung ausgeſetzt laſſen.
§. 455.
Wir nennen eigentlich das Le-Worin- nen das Leben des Men- ſchen und der Thie- re beſte- het. ben eines Thieres und des Menſchen den jenigen Zuſtand des Leibes, darinnen der- ſelbe zu Bewegung ſeiner Gliedmaſſen auf- gelegt iſt. Derowegen ſagen wir, daß er noch lebe, ſo lange wir nur ſpuͤren, daß er noch Athem hohlet, oder der Puls ſchlaͤ- get, als welches beydes ohne Bewegung gewiſſer Gliedmaſſen des Leibes nicht ge- ſchehen kan (§. 416.). Nun finden wir in der Erfahrung, daß dieſer Zuſtand ſo lan- ge dauret, als ſich das Hertze beweget, und den Umlauff des Gebluͤttes unterhaͤlt. Und demnach ſiehet man, daß das Leben des Menſchen und der Thiere dem Um- lauffe des Gebluͤtes zuzuſchreiben.
§. 456.
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der Menſchen und Thiere ꝛc.
werden: aber freylich immer in einer klei-
neren Geſtalt, je tieffer man herunter ſtei-
get. Hier iſt unzehlich vieles in einander
geſtecket, welches nicht anders als durch
unzehliche Grade der Auswicklung zum
Vorſcheine kommen kan. Welche nun
von dieſen Meinungen der Wahrheit am
aͤhnlichſten iſt, laͤſſet ſich zur Zeit noch
nicht wohl beſtimmen und, damit wir uns
nicht uͤbereilen, wollen wir es zu weiterer
Unterſuchung ausgeſetzt laſſen.
§. 455. Wir nennen eigentlich das Le-
ben eines Thieres und des Menſchen den
jenigen Zuſtand des Leibes, darinnen der-
ſelbe zu Bewegung ſeiner Gliedmaſſen auf-
gelegt iſt. Derowegen ſagen wir, daß er
noch lebe, ſo lange wir nur ſpuͤren, daß
er noch Athem hohlet, oder der Puls ſchlaͤ-
get, als welches beydes ohne Bewegung
gewiſſer Gliedmaſſen des Leibes nicht ge-
ſchehen kan (§. 416.). Nun finden wir in
der Erfahrung, daß dieſer Zuſtand ſo lan-
ge dauret, als ſich das Hertze beweget,
und den Umlauff des Gebluͤttes unterhaͤlt.
Und demnach ſiehet man, daß das Leben
des Menſchen und der Thiere dem Um-
lauffe des Gebluͤtes zuzuſchreiben.
§. 456.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/771>, abgerufen am 22.11.2024.
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