Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. XVI. Von Erzeugung in jedes Geschlechte der Thiere nur Abbil-dungen von ihrer Frucht kommen, oder diese müssen so beschaffen seyn, daß aus einerley Arten der Abbildungen alle unter- schiedene Arten der Thiere sich erzeugen lassen. Das letztere scheinet etwas harte zu seyn, zu mahl da die Natur so sehr den Unterscheid liebet (§. 586. Met.): unterdes- sen lässet sich doch auch noch nicht die Un- möglichkeit zeigen, da wir zwischen allen Thieren eine grosse Aehnlichkeit in der Structur ihrer Leiber finden. Wenn auch gleich allerhand Arten der Abbildungen mit der Speise genossen würden, auch so gar ins Geblütte giengen; so lässet sichs gleichfals noch nicht erweisen, daß mit dem männlichen Saamen sich bloß die ge- hörigen absondern, als wie wir überhaupt finden (§. 419.), daß sich an jedem Orte des Leibes bloß die gehörige und keine an- dere Materie von dem Geblütte absondert, unerachtet andere vorhanden, die sich so wohl als jene absondern lässet. Die Mei- nung des Malebranche macht der Einbil- dungs Krafft mehr zu schaffen als der Ver- nunfft. Nach dieser hält das Saamen- Thierlein, daraus ein Thier erzeuget wird, zugleich in sich Saamen-Thier- lein, daraus künfftig diejenigen sollen er- zeuget werden, die von ihm herstammen wer-
Cap. XVI. Von Erzeugung in jedes Geſchlechte der Thiere nur Abbil-dungen von ihrer Frucht kommen, oder dieſe muͤſſen ſo beſchaffen ſeyn, daß aus einerley Arten der Abbildungen alle unter- ſchiedene Arten der Thiere ſich erzeugen laſſen. Das letztere ſcheinet etwas harte zu ſeyn, zu mahl da die Natur ſo ſehr den Unterſcheid liebet (§. 586. Met.): unterdeſ- ſen laͤſſet ſich doch auch noch nicht die Un- moͤglichkeit zeigen, da wir zwiſchen allen Thieren eine groſſe Aehnlichkeit in der Structur ihrer Leiber finden. Wenn auch gleich allerhand Arten der Abbildungen mit der Speiſe genoſſen wuͤrden, auch ſo gar ins Gebluͤtte giengen; ſo laͤſſet ſichs gleichfals noch nicht erweiſen, daß mit dem maͤnnlichen Saamen ſich bloß die ge- hoͤrigen abſondern, als wie wir uͤberhaupt finden (§. 419.), daß ſich an jedem Orte des Leibes bloß die gehoͤrige und keine an- dere Materie von dem Gebluͤtte abſondert, unerachtet andere vorhanden, die ſich ſo wohl als jene abſondern laͤſſet. Die Mei- nung des Malebranche macht der Einbil- dungs Krafft mehr zu ſchaffen als der Ver- nunfft. Nach dieſer haͤlt das Saamen- Thierlein, daraus ein Thier erzeuget wird, zugleich in ſich Saamen-Thier- lein, daraus kuͤnfftig diejenigen ſollen er- zeuget werden, die von ihm herſtammen wer-
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Cap. XVI. Von Erzeugung
in jedes Geſchlechte der Thiere nur Abbil-
dungen von ihrer Frucht kommen, oder
dieſe muͤſſen ſo beſchaffen ſeyn, daß aus
einerley Arten der Abbildungen alle unter-
ſchiedene Arten der Thiere ſich erzeugen
laſſen. Das letztere ſcheinet etwas harte
zu ſeyn, zu mahl da die Natur ſo ſehr den
Unterſcheid liebet (§. 586. Met.): unterdeſ-
ſen laͤſſet ſich doch auch noch nicht die Un-
moͤglichkeit zeigen, da wir zwiſchen allen
Thieren eine groſſe Aehnlichkeit in der
Structur ihrer Leiber finden. Wenn auch
gleich allerhand Arten der Abbildungen
mit der Speiſe genoſſen wuͤrden, auch ſo
gar ins Gebluͤtte giengen; ſo laͤſſet ſichs
gleichfals noch nicht erweiſen, daß mit
dem maͤnnlichen Saamen ſich bloß die ge-
hoͤrigen abſondern, als wie wir uͤberhaupt
finden (§. 419.), daß ſich an jedem Orte
des Leibes bloß die gehoͤrige und keine an-
dere Materie von dem Gebluͤtte abſondert,
unerachtet andere vorhanden, die ſich ſo
wohl als jene abſondern laͤſſet. Die Mei-
nung des Malebranche macht der Einbil-
dungs Krafft mehr zu ſchaffen als der Ver-
nunfft. Nach dieſer haͤlt das Saamen-
Thierlein, daraus ein Thier erzeuget
wird, zugleich in ſich Saamen-Thier-
lein, daraus kuͤnfftig diejenigen ſollen er-
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