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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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der Menschen und Thiere. etc.
ter gebracht wird, wächset es daselbst nichtgenehret
wird.

gleich an, sondern lieget nur so darinnen.
Weil es doch aber gleichwohl grösser wird
und also Nahrung haben muß; hingegen
keine andere Nahrung haben kan, als das
wäßerige, was aus der Mutter in die Höh-
le derselben fleüßt: so muß es diese wäßeri-
ge Materie durch die Schweis-Löcher sei-
nes Häutleins an sich ziehen. Und ist dem-
nach dieses die erste Nahrung der Frucht,
die es in Mutterleibe findet. Wenn sie nach
diesem vermittelst des Leber-Kuchens
(placentae uterinae) an die Mutter an-
wächst; so gehet das Geblütte aus der Mut-
ter durch die Nabel-Schnur in das Kind
und aus dem Kinde wieder in die Mutter.
Und ist in solchem Falle das Kind als wie
ein Theil von der Mutter anzusehen. Es
haben die meisten daher geschlossen, daß die
Frucht durch die Nabel-Schnure von dem
Geblütte der Mutter seine Nahrung habe,
weil wir wissen, daß auch unser Leib dadurch
genähret wird (§. 420). Allein da nicht
allein die Frucht zunimmet, ehe die Blut-
Gefässe der Nabel-Schnure in dem Stan-
de sind, daß sie Blut zuführen können, man
auch bey den Vögeln siehet, daß sie ohne das
Geblütte der Mütter wachsen und zuneh-
men, ja schon Hippocrates angemercket,
daß die Kinder, wenn sie zur Welt kom-
men, Koth in den Gedärmen haben, wel-

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der Menſchen und Thiere. ꝛc.
ter gebracht wird, waͤchſet es daſelbſt nichtgenehret
wird.

gleich an, ſondern lieget nur ſo darinnen.
Weil es doch aber gleichwohl groͤſſer wird
und alſo Nahrung haben muß; hingegen
keine andere Nahrung haben kan, als das
waͤßerige, was aus der Mutter in die Hoͤh-
le derſelben fleuͤßt: ſo muß es dieſe waͤßeri-
ge Materie durch die Schweis-Loͤcher ſei-
nes Haͤutleins an ſich ziehen. Und iſt dem-
nach dieſes die erſte Nahrung der Frucht,
die es in Mutterleibe findet. Wenn ſie nach
dieſem vermittelſt des Leber-Kuchens
(placentæ uterinæ) an die Mutter an-
waͤchſt; ſo gehet das Gebluͤtte aus der Mut-
ter durch die Nabel-Schnur in das Kind
und aus dem Kinde wieder in die Mutter.
Und iſt in ſolchem Falle das Kind als wie
ein Theil von der Mutter anzuſehen. Es
haben die meiſten daher geſchloſſen, daß die
Frucht durch die Nabel-Schnure von dem
Gebluͤtte der Mutter ſeine Nahrung habe,
weil wir wiſſen, daß auch unſer Leib dadurch
genaͤhret wird (§. 420). Allein da nicht
allein die Frucht zunimmet, ehe die Blut-
Gefaͤſſe der Nabel-Schnure in dem Stan-
de ſind, daß ſie Blut zufuͤhren koͤnnen, man
auch bey den Voͤgeln ſiehet, daß ſie ohne das
Gebluͤtte der Muͤtter wachſen und zuneh-
men, ja ſchon Hippocrates angemercket,
daß die Kinder, wenn ſie zur Welt kom-
men, Koth in den Gedaͤrmen haben, wel-

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[723/0759] der Menſchen und Thiere. ꝛc. ter gebracht wird, waͤchſet es daſelbſt nicht gleich an, ſondern lieget nur ſo darinnen. Weil es doch aber gleichwohl groͤſſer wird und alſo Nahrung haben muß; hingegen keine andere Nahrung haben kan, als das waͤßerige, was aus der Mutter in die Hoͤh- le derſelben fleuͤßt: ſo muß es dieſe waͤßeri- ge Materie durch die Schweis-Loͤcher ſei- nes Haͤutleins an ſich ziehen. Und iſt dem- nach dieſes die erſte Nahrung der Frucht, die es in Mutterleibe findet. Wenn ſie nach dieſem vermittelſt des Leber-Kuchens (placentæ uterinæ) an die Mutter an- waͤchſt; ſo gehet das Gebluͤtte aus der Mut- ter durch die Nabel-Schnur in das Kind und aus dem Kinde wieder in die Mutter. Und iſt in ſolchem Falle das Kind als wie ein Theil von der Mutter anzuſehen. Es haben die meiſten daher geſchloſſen, daß die Frucht durch die Nabel-Schnure von dem Gebluͤtte der Mutter ſeine Nahrung habe, weil wir wiſſen, daß auch unſer Leib dadurch genaͤhret wird (§. 420). Allein da nicht allein die Frucht zunimmet, ehe die Blut- Gefaͤſſe der Nabel-Schnure in dem Stan- de ſind, daß ſie Blut zufuͤhren koͤnnen, man auch bey den Voͤgeln ſiehet, daß ſie ohne das Gebluͤtte der Muͤtter wachſen und zuneh- men, ja ſchon Hippocrates angemercket, daß die Kinder, wenn ſie zur Welt kom- men, Koth in den Gedaͤrmen haben, wel- ches genehret wird. Z z 2

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/759>, abgerufen am 17.06.2024.