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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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Cap. XVI. Von der Erzeugung
ches eine gewisse Anzeigung ist, daß sie et-
was verdauet) und man in denen jenigen,
die todt zur Welt gebohren worden, von
dem klebrigen Saffte (liquore amnii) et-
was im Magen findet, darinnen die Frucht
schwimmet; so ist die Meinung derer, aller-
dings nicht ungegründet, welche behaupten,
daß dieser kleberige Safft zugleich die Nah-
rung derselben sey, welcher freylich von dem
Geblütte der Mutter herstammet.

Warum
die Ein-
bildungs-
Krafft
der Mut-
ter in das
Kind
würcket.
§. 448.

Weil das Geblütte sich aus der
Mutter in die Frucht und aus der Frucht in
die Mutter beweget (§. 477); so muß das
Blut des Kindes in seiner Bewegung eben
solchen Veränderungen unterworffen seyn,
die das Blut der Mutter leidet. Weil nun
dieses durch ihre Sinnen und Einbildungs-
Krafft in allerhand ausserordentliche Be-
wegungen gesetzt werden kan (§. 444. Met.);
so muß auch zu gleich das Geblüte des Kin-
des darein gerathen. Jn der Frucht ist,
sonderlich im Anfange, noch alles sehr weich
und kan daher durch eine starcke Bewegung
des Geblütes leicht eine Verrückung oder
auch wohl gar eine Verletzung einiger Thei-
le erfolgen. Und aus diesem Grunde lässet
sich erklären, was man von den Würckun-
gen der Einbildungs-Krafft der Mutter hin
und wieder antrifft. Malehranche (a) er-

zeh-
(a) Traite de la Recherche de la verite lib.
2. c. 7. art. 3. p. m.
15.

Cap. XVI. Von der Erzeugung
ches eine gewiſſe Anzeigung iſt, daß ſie et-
was verdauet) und man in denen jenigen,
die todt zur Welt gebohren worden, von
dem klebrigen Saffte (liquore amnii) et-
was im Magen findet, darinnen die Frucht
ſchwimmet; ſo iſt die Meinung derer, aller-
dings nicht ungegruͤndet, welche behaupten,
daß dieſer kleberige Safft zugleich die Nah-
rung derſelben ſey, welcher freylich von dem
Gebluͤtte der Mutter herſtammet.

Warum
die Ein-
bildungs-
Krafft
der Mut-
ter in das
Kind
wuͤrcket.
§. 448.

Weil das Gebluͤtte ſich aus der
Mutter in die Frucht und aus der Frucht in
die Mutter beweget (§. 477); ſo muß das
Blut des Kindes in ſeiner Bewegung eben
ſolchen Veraͤnderungen unterworffen ſeyn,
die das Blut der Mutter leidet. Weil nun
dieſes durch ihre Sinnen und Einbildungs-
Krafft in allerhand auſſerordentliche Be-
wegungen geſetzt werden kan (§. 444. Met.);
ſo muß auch zu gleich das Gebluͤte des Kin-
des darein gerathen. Jn der Frucht iſt,
ſonderlich im Anfange, noch alles ſehr weich
und kan daher durch eine ſtarcke Bewegung
des Gebluͤtes leicht eine Verruͤckung oder
auch wohl gar eine Verletzung einiger Thei-
le erfolgen. Und aus dieſem Grunde laͤſſet
ſich erklaͤren, was man von den Wuͤrckun-
gen der Einbildungs-Krafft der Mutter hin
und wieder antrifft. Malehranche (a) er-

zeh-
(a) Traite de la Recherche de la verite lib.
2. c. 7. art. 3. p. m.
15.
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[724/0760] Cap. XVI. Von der Erzeugung ches eine gewiſſe Anzeigung iſt, daß ſie et- was verdauet) und man in denen jenigen, die todt zur Welt gebohren worden, von dem klebrigen Saffte (liquore amnii) et- was im Magen findet, darinnen die Frucht ſchwimmet; ſo iſt die Meinung derer, aller- dings nicht ungegruͤndet, welche behaupten, daß dieſer kleberige Safft zugleich die Nah- rung derſelben ſey, welcher freylich von dem Gebluͤtte der Mutter herſtammet. §. 448. Weil das Gebluͤtte ſich aus der Mutter in die Frucht und aus der Frucht in die Mutter beweget (§. 477); ſo muß das Blut des Kindes in ſeiner Bewegung eben ſolchen Veraͤnderungen unterworffen ſeyn, die das Blut der Mutter leidet. Weil nun dieſes durch ihre Sinnen und Einbildungs- Krafft in allerhand auſſerordentliche Be- wegungen geſetzt werden kan (§. 444. Met.); ſo muß auch zu gleich das Gebluͤte des Kin- des darein gerathen. Jn der Frucht iſt, ſonderlich im Anfange, noch alles ſehr weich und kan daher durch eine ſtarcke Bewegung des Gebluͤtes leicht eine Verruͤckung oder auch wohl gar eine Verletzung einiger Thei- le erfolgen. Und aus dieſem Grunde laͤſſet ſich erklaͤren, was man von den Wuͤrckun- gen der Einbildungs-Krafft der Mutter hin und wieder antrifft. Malehranche (a) er- zeh- (a) Traite de la Recherche de la verite lib. 2. c. 7. art. 3. p. m. 15.

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 724. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/760>, abgerufen am 25.11.2024.