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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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Cap. XVI. Von Erzeugung
zu etwas mehr als vornen, wo es hinein
kommen war, weil es sonst nicht durch den
blossen Wachsthum könnte fortgerücket
und bis in die Mutter gebracht werden.

Ob die
Frucht in
Mutter-
Leibe aus
einer un-
förmigen
Materie
gebildet
werde.
§. 444.

Und also fället die Meinung der
Alten weg, die von den Medicis bis zu
Harvaei Zeiten vertheidiget worden, daß
die Frucht durch Vermischung des männ-
lichen u. weiblichen Saame in der Mutter
entstünde, u. aus dieser unförmigen Materie
darinnen gebildet würde. Unerachtet nun
aber gewiß ist, daß die Frucht aus dem durch
den männlichen Saamen fruchtbahr ge-
machtem Eyerlein entspringet, gleichwie wir
auch bey den Hühnern finden, daß die Ey-
er, welche eine Henne leget, nicht eher
fruchtbahr sind, als biß sie der Hahn getre-
ten: so ist doch die Frage, was denn eigent-
lich in dem Eyerlein anzutreffen, daraus ei-
ne Frucht werden kan. Aus einer blossen
unförmigen Materie, die in dem Eye vor-
handen, kan unmöglich die Frucht gebildet
werden. Wir können es am deutlichsten
bey den Vögeln sehen, die durch blosse Wär-
me ihre Eyer ausbrütten. Denn daß die
Vögel im ausbrütten weiter nichts thun,
als daß sie das Eye warm erhalten, bezei-
get augenscheinlich der Versuch, den man
zuerst in Engelland angestellet, nach diesem
ein gelehrter Medicus in Leipzig D. Lan-
ge
wie derhohlet, da man nemlich ein Hü-

ner-

Cap. XVI. Von Erzeugung
zu etwas mehr als vornen, wo es hinein
kommen war, weil es ſonſt nicht durch den
bloſſen Wachsthum koͤnnte fortgeruͤcket
und bis in die Mutter gebracht werden.

Ob die
Frucht in
Mutter-
Leibe aus
einer un-
foͤrmigen
Materie
gebildet
werde.
§. 444.

Und alſo faͤllet die Meinung der
Alten weg, die von den Medicis bis zu
Harvæi Zeiten vertheidiget worden, daß
die Frucht durch Vermiſchung des maͤnn-
lichen u. weiblichen Saamē in der Mutter
entſtuͤnde, u. aus dieſer unfoͤrmigen Materie
darinnen gebildet wuͤrde. Unerachtet nun
aber gewiß iſt, daß die Frucht aus dem durch
den maͤnnlichen Saamen fruchtbahr ge-
machtem Eyerlein entſpringet, gleichwie wir
auch bey den Huͤhnern finden, daß die Ey-
er, welche eine Henne leget, nicht eher
fruchtbahr ſind, als biß ſie der Hahn getre-
ten: ſo iſt doch die Frage, was denn eigent-
lich in dem Eyerlein anzutreffen, daraus ei-
ne Frucht werden kan. Aus einer bloſſen
unfoͤrmigen Materie, die in dem Eye vor-
handen, kan unmoͤglich die Frucht gebildet
werden. Wir koͤnnen es am deutlichſten
bey den Voͤgeln ſehen, die durch bloſſe Waͤr-
me ihre Eyer ausbruͤtten. Denn daß die
Voͤgel im ausbruͤtten weiter nichts thun,
als daß ſie das Eye warm erhalten, bezei-
get augenſcheinlich der Verſuch, den man
zuerſt in Engelland angeſtellet, nach dieſem
ein gelehrter Medicus in Leipzig D. Lan-
ge
wie derhohlet, da man nemlich ein Huͤ-

ner-
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[718/0754] Cap. XVI. Von Erzeugung zu etwas mehr als vornen, wo es hinein kommen war, weil es ſonſt nicht durch den bloſſen Wachsthum koͤnnte fortgeruͤcket und bis in die Mutter gebracht werden. §. 444. Und alſo faͤllet die Meinung der Alten weg, die von den Medicis bis zu Harvæi Zeiten vertheidiget worden, daß die Frucht durch Vermiſchung des maͤnn- lichen u. weiblichen Saamē in der Mutter entſtuͤnde, u. aus dieſer unfoͤrmigen Materie darinnen gebildet wuͤrde. Unerachtet nun aber gewiß iſt, daß die Frucht aus dem durch den maͤnnlichen Saamen fruchtbahr ge- machtem Eyerlein entſpringet, gleichwie wir auch bey den Huͤhnern finden, daß die Ey- er, welche eine Henne leget, nicht eher fruchtbahr ſind, als biß ſie der Hahn getre- ten: ſo iſt doch die Frage, was denn eigent- lich in dem Eyerlein anzutreffen, daraus ei- ne Frucht werden kan. Aus einer bloſſen unfoͤrmigen Materie, die in dem Eye vor- handen, kan unmoͤglich die Frucht gebildet werden. Wir koͤnnen es am deutlichſten bey den Voͤgeln ſehen, die durch bloſſe Waͤr- me ihre Eyer ausbruͤtten. Denn daß die Voͤgel im ausbruͤtten weiter nichts thun, als daß ſie das Eye warm erhalten, bezei- get augenſcheinlich der Verſuch, den man zuerſt in Engelland angeſtellet, nach dieſem ein gelehrter Medicus in Leipzig D. Lan- ge wie derhohlet, da man nemlich ein Huͤ- ner-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/754>, abgerufen am 22.11.2024.