Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.der Menschen und Thiere. fähret auch die Speise, wenn sie erweichetworden, von einander. Es träget auch das Athemhohlen ein gleiches bey: denn in- dem wir die Lufft von aussen in die Lungen ziehen, wird das Zwergfell, darunter der Magen lieget, niedergedruckt und drucket ihn; so bald aber der Athem wieder aus den Lungen fähret, gehet das Zwergfell wieder in die Höhe und der Magen giebt sich gleich- fals wieder in die Höhe. Pitcarn behauptet, daß die Bewegung des Magens allein hin- länglich sey die Speisen im Magen zuzer- drucken: allein zugeschweigen, daß die Hunde unmöglich auf diese Weise die harten Knochen verdauen können, so siehet man auch nicht wie durch blosses drucken, es mag so starck seyn als es wil, die innere Verei- nigung der kleinen Theilgen in den Speisen, welche durch die Vermischung entstanden, aufgehoben werden kan, dergleichen in der Verdauung der Speise geschiehet. Wenn die Sachen nur klein gedrucket werden, so werden sie dadurch nicht in ihre Elemente, das ist in einfachere Materie, durch deren Vermischung sie entstanden, aufgelöset. Uber dieses treffen wir im Magen einen nicht geringen Grad der Wärme an, der doch aber keinesweges so starck ist, daß er die Speisen zerkochen könnte, wie die Alten sich eingebildet: ja wir können auch die Wär- me nicht für die Haupt-Ursache der Verdau- ung
der Menſchen und Thiere. faͤhret auch die Speiſe, wenn ſie erweichetworden, von einander. Es traͤget auch das Athemhohlen ein gleiches bey: denn in- dem wir die Lufft von auſſen in die Lungen ziehen, wird das Zwergfell, darunter der Magen lieget, niedergedruckt und drucket ihn; ſo bald aber der Athem wieder aus den Lungen faͤhret, gehet das Zwergfell wieder in die Hoͤhe und der Magen giebt ſich gleich- fals wieder in die Hoͤhe. Pitcarn behauptet, daß die Bewegung des Magens allein hin- laͤnglich ſey die Speiſen im Magen zuzer- drucken: allein zugeſchweigen, daß die Hunde unmoͤglich auf dieſe Weiſe die harten Knochen verdauen koͤnnen, ſo ſiehet man auch nicht wie durch bloſſes drucken, es mag ſo ſtarck ſeyn als es wil, die innere Verei- nigung der kleinen Theilgen in den Speiſen, welche durch die Vermiſchung entſtanden, aufgehoben werden kan, dergleichen in der Verdauung der Speiſe geſchiehet. Wenn die Sachen nur klein gedrucket werden, ſo werden ſie dadurch nicht in ihre Elemente, das iſt in einfachere Materie, durch deren Vermiſchung ſie entſtanden, aufgeloͤſet. Uber dieſes treffen wir im Magen einen nicht geringen Grad der Waͤrme an, der doch aber keinesweges ſo ſtarck iſt, daß er die Speiſen zerkochen koͤnnte, wie die Alten ſich eingebildet: ja wir koͤnnen auch die Waͤr- me nicht fuͤr die Haupt-Urſache der Verdau- ung
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0691" n="655"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Menſchen und Thiere.</hi></fw><lb/> faͤhret auch die Speiſe, wenn ſie erweichet<lb/> worden, von einander. Es traͤget auch<lb/> das Athemhohlen ein gleiches bey: denn in-<lb/> dem wir die Lufft von auſſen in die Lungen<lb/> ziehen, wird das Zwergfell, darunter der<lb/> Magen lieget, niedergedruckt und drucket<lb/> ihn; ſo bald aber der Athem wieder aus den<lb/> Lungen faͤhret, gehet das Zwergfell wieder<lb/> in die Hoͤhe und der Magen giebt ſich gleich-<lb/> fals wieder in die Hoͤhe. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Pitcarn</hi></hi> behauptet,<lb/> daß die Bewegung des Magens allein hin-<lb/> laͤnglich ſey die Speiſen im Magen zuzer-<lb/> drucken: allein zugeſchweigen, daß die<lb/> Hunde unmoͤglich auf dieſe Weiſe die harten<lb/> Knochen verdauen koͤnnen, ſo ſiehet man<lb/> auch nicht wie durch bloſſes drucken, es mag<lb/> ſo ſtarck ſeyn als es wil, die innere Verei-<lb/> nigung der kleinen Theilgen in den Speiſen,<lb/> welche durch die Vermiſchung entſtanden,<lb/> aufgehoben werden kan, dergleichen in der<lb/> Verdauung der Speiſe geſchiehet. Wenn<lb/> die Sachen nur klein gedrucket werden, ſo<lb/> werden ſie dadurch nicht in ihre Elemente,<lb/> das iſt in einfachere Materie, durch deren<lb/> Vermiſchung ſie entſtanden, aufgeloͤſet.<lb/> Uber dieſes treffen wir im Magen einen<lb/> nicht geringen Grad der Waͤrme an, der<lb/> doch aber keinesweges ſo ſtarck iſt, daß er die<lb/> Speiſen zerkochen koͤnnte, wie die Alten ſich<lb/> eingebildet: ja wir koͤnnen auch die Waͤr-<lb/> me nicht fuͤr die Haupt-Urſache der Verdau-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ung</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [655/0691]
der Menſchen und Thiere.
faͤhret auch die Speiſe, wenn ſie erweichet
worden, von einander. Es traͤget auch
das Athemhohlen ein gleiches bey: denn in-
dem wir die Lufft von auſſen in die Lungen
ziehen, wird das Zwergfell, darunter der
Magen lieget, niedergedruckt und drucket
ihn; ſo bald aber der Athem wieder aus den
Lungen faͤhret, gehet das Zwergfell wieder
in die Hoͤhe und der Magen giebt ſich gleich-
fals wieder in die Hoͤhe. Pitcarn behauptet,
daß die Bewegung des Magens allein hin-
laͤnglich ſey die Speiſen im Magen zuzer-
drucken: allein zugeſchweigen, daß die
Hunde unmoͤglich auf dieſe Weiſe die harten
Knochen verdauen koͤnnen, ſo ſiehet man
auch nicht wie durch bloſſes drucken, es mag
ſo ſtarck ſeyn als es wil, die innere Verei-
nigung der kleinen Theilgen in den Speiſen,
welche durch die Vermiſchung entſtanden,
aufgehoben werden kan, dergleichen in der
Verdauung der Speiſe geſchiehet. Wenn
die Sachen nur klein gedrucket werden, ſo
werden ſie dadurch nicht in ihre Elemente,
das iſt in einfachere Materie, durch deren
Vermiſchung ſie entſtanden, aufgeloͤſet.
Uber dieſes treffen wir im Magen einen
nicht geringen Grad der Waͤrme an, der
doch aber keinesweges ſo ſtarck iſt, daß er die
Speiſen zerkochen koͤnnte, wie die Alten ſich
eingebildet: ja wir koͤnnen auch die Waͤr-
me nicht fuͤr die Haupt-Urſache der Verdau-
ung
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |