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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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der Pflantzen.
sich dessen insbesondere versichern, so darf
man nur von einer feuchten Wurtzel das
Häutlein ablösen und es trocknen lassen; so
wird es in einander dorren und gantz klein
werden. Man lege es aber nach diesem wie-
der in Wasser; so wird es darinnen weich
werden und sich wieder aus einander geben.
Unter dem Häutlein der Rinde lieget eine
schwammichte Materie, welche das Wasser
wie ein Schwamm in sich sauget (§. 388.).
Derowegen wenn die Erde feuchte ist, so
dringen die darinnen liegenden Tröpfflein
Wasser in diese schwammichte Materie der
Rinde hinein. Nemlich es ist darinnen viel
Lufft (§. cit.): derowegen wenn die feuchte
Erde darauf lieget, so stehen Tröpfflein
Wasser über Lufft. Da nun die Lufft leich-
ter und das Wasser schweerer ist (§. 86. T.
I. Exper.
); so steiget dieselbe in die Höhe
und das Wasser sencket sich nieder (§. 212.
T. I. Exper.) und solchergestalt verwech-
seln das Wasser und die Lufft mit einan-
der ihre Stelle. Daß diese Erklärung rich-
tig sey, bekräfftiget auch die Erfahrung.
Denn wenn man ein Stücklein Wurtzel in
das Wasser leget, was insonderheit schon
ein wenig welck worden, oder doch wenig-
stens nicht voll Safft ist, so legen sich rings
herum kleine Bläselein daran, in dem das
Wasser sich hinein ziehet. Wil man des-
sen noch mehr vergewissert seyn, daß diese

Lufft
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der Pflantzen.
ſich deſſen insbeſondere verſichern, ſo darf
man nur von einer feuchten Wurtzel das
Haͤutlein abloͤſen und es trocknen laſſen; ſo
wird es in einander dorren und gantz klein
werden. Man lege es aber nach dieſem wie-
der in Waſſer; ſo wird es darinnen weich
werden und ſich wieder aus einander geben.
Unter dem Haͤutlein der Rinde lieget eine
ſchwammichte Materie, welche das Waſſer
wie ein Schwamm in ſich ſauget (§. 388.).
Derowegen wenn die Erde feuchte iſt, ſo
dringen die darinnen liegenden Troͤpfflein
Waſſer in dieſe ſchwammichte Materie der
Rinde hinein. Nemlich es iſt darinnen viel
Lufft (§. cit.): derowegen wenn die feuchte
Erde darauf lieget, ſo ſtehen Troͤpfflein
Waſſer uͤber Lufft. Da nun die Lufft leich-
ter und das Waſſer ſchweerer iſt (§. 86. T.
I. Exper.
); ſo ſteiget dieſelbe in die Hoͤhe
und das Waſſer ſencket ſich nieder (§. 212.
T. I. Exper.) und ſolchergeſtalt verwech-
ſeln das Waſſer und die Lufft mit einan-
der ihre Stelle. Daß dieſe Erklaͤrung rich-
tig ſey, bekraͤfftiget auch die Erfahrung.
Denn wenn man ein Stuͤcklein Wurtzel in
das Waſſer leget, was inſonderheit ſchon
ein wenig welck worden, oder doch wenig-
ſtens nicht voll Safft iſt, ſo legen ſich rings
herum kleine Blaͤſelein daran, in dem das
Waſſer ſich hinein ziehet. Wil man deſ-
ſen noch mehr vergewiſſert ſeyn, daß dieſe

Lufft
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[627/0663] der Pflantzen. ſich deſſen insbeſondere verſichern, ſo darf man nur von einer feuchten Wurtzel das Haͤutlein abloͤſen und es trocknen laſſen; ſo wird es in einander dorren und gantz klein werden. Man lege es aber nach dieſem wie- der in Waſſer; ſo wird es darinnen weich werden und ſich wieder aus einander geben. Unter dem Haͤutlein der Rinde lieget eine ſchwammichte Materie, welche das Waſſer wie ein Schwamm in ſich ſauget (§. 388.). Derowegen wenn die Erde feuchte iſt, ſo dringen die darinnen liegenden Troͤpfflein Waſſer in dieſe ſchwammichte Materie der Rinde hinein. Nemlich es iſt darinnen viel Lufft (§. cit.): derowegen wenn die feuchte Erde darauf lieget, ſo ſtehen Troͤpfflein Waſſer uͤber Lufft. Da nun die Lufft leich- ter und das Waſſer ſchweerer iſt (§. 86. T. I. Exper.); ſo ſteiget dieſelbe in die Hoͤhe und das Waſſer ſencket ſich nieder (§. 212. T. I. Exper.) und ſolchergeſtalt verwech- ſeln das Waſſer und die Lufft mit einan- der ihre Stelle. Daß dieſe Erklaͤrung rich- tig ſey, bekraͤfftiget auch die Erfahrung. Denn wenn man ein Stuͤcklein Wurtzel in das Waſſer leget, was inſonderheit ſchon ein wenig welck worden, oder doch wenig- ſtens nicht voll Safft iſt, ſo legen ſich rings herum kleine Blaͤſelein daran, in dem das Waſſer ſich hinein ziehet. Wil man deſ- ſen noch mehr vergewiſſert ſeyn, daß dieſe Lufft R r 2

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/663>, abgerufen am 17.06.2024.