geachtet aber wird der Saame wie vorhin darinnen keimen.
Ob die Erde die Nahrung der Pflan- tze ist.
§. 393.
Die Alten haben mehrentheils davor gehalten, daß die Pflantze haupt- sächliche durch die Erde ernähret würde und das Wasser zu weiter nichts dienete, als daß es die Erd-Theilgen in die Pflantze hin- ein brächte. Wenn man nun aber gleich nicht eben zugeben wolte, daß die Erde an sich die eigentliche Materie wäre, davon die Pflantzen ihren Wachsthum hätten; so könnte man doch leicht auf die Gedancken gerathen, daß sie die Materie in sich hätte, wodurch die Pflantzen grösser würden. Da man siehet, daß die Sachen auch in dem Wasser fort wachsen, darein man sie gesetzet; so ist schon Helmomius auf die Gedancken kommen, daß man dem Wasser mehr als der Erde zuzuschreiben habe und, damit er gewiß erführe, was man hierinnen mit Gewisheit setzen möchte, hat er folgen- den Versuch angestellet. Er nahm zwey hundert Pfund Erde, trocknete sie im Ofen aus und that sie in ein irrdenes Gefässe. Nachdem er sie mit Wasser angefeuchtet hatte, daß sie wieder zusammen hielt, pflantz- te er eine Weide hinein, die fünf Pfund wog, und begoß sie, wenn es nöthig war, mit Regen-Wasser: damit nicht fremde Erde hinein kommen möchte, bedeckte er das Ge- fässe mit einem eisernen Bleche, das bloß
hin
Cap. XI. Von dem Wachsthum
geachtet aber wird der Saame wie vorhin darinnen keimen.
Ob die Erde die Nahrung der Pflan- tze iſt.
§. 393.
Die Alten haben mehrentheils davor gehalten, daß die Pflantze haupt- ſaͤchliche durch die Erde ernaͤhret wuͤrde und das Waſſer zu weiter nichts dienete, als daß es die Erd-Theilgen in die Pflantze hin- ein braͤchte. Wenn man nun aber gleich nicht eben zugeben wolte, daß die Erde an ſich die eigentliche Materie waͤre, davon die Pflantzen ihren Wachsthum haͤtten; ſo koͤnnte man doch leicht auf die Gedancken gerathen, daß ſie die Materie in ſich haͤtte, wodurch die Pflantzen groͤſſer wuͤrden. Da man ſiehet, daß die Sachen auch in dem Waſſer fort wachſen, darein man ſie geſetzet; ſo iſt ſchon Helmomius auf die Gedancken kommen, daß man dem Waſſer mehr als der Erde zuzuſchreiben habe und, damit er gewiß erfuͤhre, was man hierinnen mit Gewisheit ſetzen moͤchte, hat er folgen- den Verſuch angeſtellet. Er nahm zwey hundert Pfund Erde, trocknete ſie im Ofen aus und that ſie in ein irrdenes Gefaͤſſe. Nachdem er ſie mit Waſſer angefeuchtet hatte, daß ſie wieder zuſammen hielt, pflantz- te er eine Weide hinein, die fuͤnf Pfund wog, und begoß ſie, wenn es noͤthig war, mit Regen-Waſſer: damit nicht fremde Erde hinein kommen moͤchte, bedeckte er das Ge- faͤſſe mit einem eiſernen Bleche, das bloß
hin
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Cap. XI. Von dem Wachsthum
geachtet aber wird der Saame wie vorhin
darinnen keimen.
§. 393. Die Alten haben mehrentheils
davor gehalten, daß die Pflantze haupt-
ſaͤchliche durch die Erde ernaͤhret wuͤrde und
das Waſſer zu weiter nichts dienete, als
daß es die Erd-Theilgen in die Pflantze hin-
ein braͤchte. Wenn man nun aber gleich
nicht eben zugeben wolte, daß die Erde an
ſich die eigentliche Materie waͤre, davon die
Pflantzen ihren Wachsthum haͤtten; ſo
koͤnnte man doch leicht auf die Gedancken
gerathen, daß ſie die Materie in ſich
haͤtte, wodurch die Pflantzen groͤſſer wuͤrden.
Da man ſiehet, daß die Sachen auch in
dem Waſſer fort wachſen, darein man ſie
geſetzet; ſo iſt ſchon Helmomius auf die
Gedancken kommen, daß man dem Waſſer
mehr als der Erde zuzuſchreiben habe und,
damit er gewiß erfuͤhre, was man hierinnen
mit Gewisheit ſetzen moͤchte, hat er folgen-
den Verſuch angeſtellet. Er nahm zwey
hundert Pfund Erde, trocknete ſie im Ofen
aus und that ſie in ein irrdenes Gefaͤſſe.
Nachdem er ſie mit Waſſer angefeuchtet
hatte, daß ſie wieder zuſammen hielt, pflantz-
te er eine Weide hinein, die fuͤnf Pfund
wog, und begoß ſie, wenn es noͤthig war, mit
Regen-Waſſer: damit nicht fremde Erde
hinein kommen moͤchte, bedeckte er das Ge-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/652>, abgerufen am 22.11.2024.
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