Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.der Pflantzen. Art besser fort kommet als die andere), voneinerley Regen und Thau und von einerley Wärme der Sonne; so hat man wohl kei- ne Ursache, warum man behaupten wolte, daß eine jede Art der Pflantzen ihre beson- dere Nahrung haben müsse. Jn trockener Erde kan nichts wachsen: denn wenn lange trockenes Wetter ist und der Erdboden wird dürre, so verdorren auch Graß und Pflan- tzen. Derowegen siehet man daraus, daß der Regen und Thau zu der Nah- rung der Pflantzen erfordert wird. Wir finden auch, daß die Pflantzen fort wach- sen, wenn sie ins Wasser gestellet werden und der Saame keimet und wächset aus, wenn man ihn ins Wasser, oder in feuchten Sand leget: der feuchte Sand aber kan ihm nichts als das Wasser abgeben, denn die harten Körnlein werden von dem Wasser keinesweges aufgelöset. Wollte man gleich sagen, das Wasser weiche von dem Sande loß, was sich von aussen an ihn an- geleget: so kan man einem gleich durch die Erfahrung das Wiederspiel zeigen. Man weiche den Sand ins Wasser und giesse es ab, so offte als einem beliebet. Man trockne ihn in der Sonne ab und feuchte ihn nach diesem von neuem mit Wasser an. Hier wird wohl niemand glauben, daß viel an dem Sande kleben geblieben sey, welches das Wasser loß weichen kan: dessen un- ge- Q q 4
der Pflantzen. Art beſſer fort kommet als die andere), voneinerley Regen und Thau und von einerley Waͤrme der Sonne; ſo hat man wohl kei- ne Urſache, warum man behaupten wolte, daß eine jede Art der Pflantzen ihre beſon- dere Nahrung haben muͤſſe. Jn trockener Erde kan nichts wachſen: denn wenn lange trockenes Wetter iſt und der Erdboden wird duͤrre, ſo verdorren auch Graß und Pflan- tzen. Derowegen ſiehet man daraus, daß der Regen und Thau zu der Nah- rung der Pflantzen erfordert wird. Wir finden auch, daß die Pflantzen fort wach- ſen, wenn ſie ins Waſſer geſtellet werden und der Saame keimet und waͤchſet aus, wenn man ihn ins Waſſer, oder in feuchten Sand leget: der feuchte Sand aber kan ihm nichts als das Waſſer abgeben, denn die harten Koͤrnlein werden von dem Waſſer keinesweges aufgeloͤſet. Wollte man gleich ſagen, das Waſſer weiche von dem Sande loß, was ſich von auſſen an ihn an- geleget: ſo kan man einem gleich durch die Erfahrung das Wiederſpiel zeigen. Man weiche den Sand ins Waſſer und gieſſe es ab, ſo offte als einem beliebet. Man trockne ihn in der Sonne ab und feuchte ihn nach dieſem von neuem mit Waſſer an. Hier wird wohl niemand glauben, daß viel an dem Sande kleben geblieben ſey, welches das Waſſer loß weichen kan: deſſen un- ge- Q q 4
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Art beſſer fort kommet als die andere), von
einerley Regen und Thau und von einerley
Waͤrme der Sonne; ſo hat man wohl kei-
ne Urſache, warum man behaupten wolte,
daß eine jede Art der Pflantzen ihre beſon-
dere Nahrung haben muͤſſe. Jn trockener
Erde kan nichts wachſen: denn wenn lange
trockenes Wetter iſt und der Erdboden wird
duͤrre, ſo verdorren auch Graß und Pflan-
tzen. Derowegen ſiehet man daraus,
daß der Regen und Thau zu der Nah-
rung der Pflantzen erfordert wird. Wir
finden auch, daß die Pflantzen fort wach-
ſen, wenn ſie ins Waſſer geſtellet werden
und der Saame keimet und waͤchſet aus,
wenn man ihn ins Waſſer, oder in feuchten
Sand leget: der feuchte Sand aber kan
ihm nichts als das Waſſer abgeben, denn
die harten Koͤrnlein werden von dem Waſſer
keinesweges aufgeloͤſet. Wollte man
gleich ſagen, das Waſſer weiche von dem
Sande loß, was ſich von auſſen an ihn an-
geleget: ſo kan man einem gleich durch die
Erfahrung das Wiederſpiel zeigen. Man
weiche den Sand ins Waſſer und gieſſe es
ab, ſo offte als einem beliebet. Man trockne
ihn in der Sonne ab und feuchte ihn nach
dieſem von neuem mit Waſſer an. Hier
wird wohl niemand glauben, daß viel an
dem Sande kleben geblieben ſey, welches
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Zitationshilfe: | Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/651>, abgerufen am 17.06.2024. |